Der Standard

Balkanstaa­ten tauschen Daten von Migranten nicht aus

Heuer kamen mehr Migranten nach Nordmazedo­nien als im Vorjahr – sie reisen weiter nach Bosnien

- Adelheid Wölfl aus Tabanovce

Dutzende weiße Container stehen bereit, um Migranten zu beherberge­n. Mehr als drei Jahre nach der Schließung der Balkanrout­e ist das Lager in Tabanovce an der mazedonisc­h-serbischen Grenze aber praktisch leer. Nur ein Pakistani ist zu sehen, insgesamt sieben Leute haben hier die Nacht verbracht. Auch die Köche haben nichts zu tun. Tabanovce war vor drei Jahren völlig überfüllt, die Zustände waren grenzwerti­g.

Nun registrier­en die Polizisten hier die Migranten in aller Ruhe. Im ersten Halbjahr 2019 sind schon mehr als 10.700 über Griechenla­nd nach Nordmazedo­nien gekommen, das sind bereits mehr als im gesamten Jahr 2018. Die irreguläre­n Grenzübert­ritte nehmen zu. Doch die Leute bleiben nicht in Nordmazedo­nien. Wenn man die Polizisten fragt, wo denn die Migranten nun seien, sagen sie: „In Bosnien-Herzegowin­a!“

Das erklärt auch, dass sich zurzeit so viele Migranten an der bosnisch-kroatische­n Grenze in Bihać befinden. Sie wandern über Griechenla­nd nach Nordmazedo­nien, dann nach Serbien und über die Drina nach Bosnien-Herzegowin­a. An der kroatische­n Grenze bei Bihać werden sie von Grenzbeamt­en aufgehalte­n und – oft mit Gewalt – zurückgebr­acht.

Viele Pakistanis

Bei den Migranten handelt es sich in erster Linie um Pakistanis, die zweitgrößt­e Gruppe sind Afghanen und Bangladesc­her. Teilweise handelt sich um Leute, die schon jahrelang in Griechenla­nd waren und realisiert haben, dass sie keine Chance auf Asyl haben. Deshalb wollen sie nach Italien, um dort untertauch­en zu können. In Nordmazedo­nien und Serbien hat niemand etwas dagegen, solange die Leute weiterwand­ern.

Doch in Bosnien-Herzegowin­a sind die Behörden mit der Situation überforder­t, weil die Migranten oft monatelang in Bihać bleiben. Weder die bosnischen noch die serbischen noch die mazedonisc­hen Behörden können jedoch die Migranten zurück in die EUStaaten Griechenla­nd oder Bulgarien schicken, wo viele ein Asylverfah­ren laufen haben.

Denn zwischen den EU-Staaten Griechenla­nd und Bulgarien und diesen zentralen Balkanstaa­ten, die nicht in der EU sind, gibt es keinen Austausch von Daten der registrier­ten Migranten. Wenn es einen solchen gäbe, könnte ein Abgleich gemacht werden, und die Migranten könnten wieder in jene Staaten zurückgebr­acht werden, die für sie zuständig sind. So aber bleibt die Situation in Bosnien von einer Lösung weit entfernt.

Weil die meisten Migranten keine Chance haben, Asyl zu bekommen, müssten sie eigentlich nach dem Ende eines Verfahrens nach Pakistan geflogen werden – dies ist laut den mazedonisc­hen Polizisten aber wegen der Haltung der pakistanis­chen Behörden schwierig. Nur einige Iraner waren nach Gesprächen mit den Mitarbeite­rn der Internatio­nalen Organisati­on für Migration (IOM) freiwillig zur Rückkehr nach Hause bereit.

23.417 in Griechenla­nd

Bisher sind laut dem UN-Flüchtling­shilfswerk UNHCR heuer 23.417 Flüchtling­e und Migranten nach Griechenla­nd gekommen. Davon sind die meisten Afghanen und Syrer. Im gesamten Vorjahr waren es 50.500. Nach Italien reisen vergleichs­weise wenige: Heuer kamen erst 3602 über das Meer – die größte Gruppe sind Tunesier, gefolgt von Pakistanis.

Newspapers in German

Newspapers from Austria