Versuchter Elternmord wegen Augenschmerzen
48-jähriger Unbescholtener stach nach Besuch mehrmals auf Vater und Mutter ein
– „Ich wollte sie verletzen, damit sie den Weg freigeben. Sie waren einfach im Weg.“Das ist die einzige Erklärung, die der angeklagte Rene R. dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Thomas Kreuter liefern kann, warum er am 6. Februar seinen Vater und seine Mutter in deren Wohnung niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hat. Dass er sie, wie angeklagt, ermorden wollte, streitet der 48-Jährige dagegen ab.
Wobei – die Verletzungen der Opfer sprechen eher für die Sicht der Anklägerin. R.s Vater erlitt mindestens drei Stiche in Oberkörper und Kopf, auch die Mutter wurde am Kopf verletzt. Den ersten Polizisten, die zum Tatort kamen, verriet R., er habe sich und seine Eltern aus jahrelang aufgestautem Hass umbringen wollen. Vor Gericht kann sich der Angeklagte nicht mehr daran erinnern, das gesagt zu haben.
„Ich bin das, was die Gesellschaft einen Einzelgänger nennt“, beschreibt sich der Angestellte. Er lebte allein, seine Freizeit verbrachte er mit Computerspielen – fünf bis sechs Stunden am Tag. „Ihm ist die Familie sehr wichtig“, betont andererseits seine Verteidigerin Astrid Wagner. Seinen Eltern gab er jeden Monat 500 Euro, auch seinem Neffen richtete er Sparbücher ein. Die Tat „macht ratlos“, summiert sie.
Wie kommt es also dazu, dass ein als „netter Mann“beschriebener Unbescholtener seine Eltern töten will? Seine Augenschmerzen seien schuld, sagt der Angeklagte. „Es hat im Jänner begonnen, es war ein Gefühl wie Nadelstiche gegen den Augapfel“, beschreibt er. Die Schmerzen wurden immer ärger, er konnte nicht mehr schlafen und musste in den Krankenstand. Ärzte diagnostizierten „trockene Augen“und „Bindehautentzündung“, verschrieben Tropfen und Antibiotika, die nichts änderten.
Erst am 5. Februar sagte ihm ein Wahlarzt, dass das linke Auge organisch völlig gesund sei. Es müsse sich um ein psychosomatisches Geschehen handeln oder um Folgen von Muskelverspannungen. „Die Diagnose war ein Schlag ins Gesicht“, berichtet R., kann aber nicht erklären, was ihn daran eigentlich so gestört hat. In der Nacht nach der Diagnose lag er schlaflos im Bett. Er habe erstmals an Selbstmord gedacht. Und daran, dass er dann auch seine Eltern töten müsse. Gleichzeitig betont er, dass das nur „ein Gedanke“gewesen sei; als er sich am nächsten Tag mit seinem Vater traf und in die elterliche Wohnung fuhr, sei von Mord und Suizid keine Rede mehr gewesen.
Was nicht ganz stimmt – nach einem Gespräch mit den Eltern müssen seine Aussagen bezüglich Selbstmord so alarmierend geklungen haben, dass die Mutter R.s Schwester anrief und der Vater verhindern wollte, dass der Angeklagte die Wohnung verlässt. Worauf R. aus der Küche Messer holte und zustach.
„Dann war der Aussetzer. Der Blackout“, weist der laut dem psychiatrischen Sachverständigen zurechnungsfähige R. bedauernd auf die angeblich fehlende Erinnerung hin. Er sei aufgrund der ständigen starken Schmerzen und des Schlafmangels damals in einem Ausnahmezustand gewesen: „Man wandelt herum wie ein Zombie“, versucht er den Laienrichterinnen und -richtern klarzumachen.
Das Urteil stand bei Redaktionsschluss noch aus.