Die Tiroler Outreach-Reihe mit kommunikativen Workshops und großen Namen
Ist Jazz erlernbar? Macht es Sinn, sich den Licks, legendären Phasen und Konventionen des Stils zu widmen, um dem individualistischen Genre gerecht zu werden? Jazzmythen sprechen dagegen, schildern gerne das Erschaffen des Neuen aus dem Nichts: Dem Saxofonisten Charlie Parker seien seine Bebop-Eingebungen, das Verwenden abstrakter Notenfolgen auf Basis sattsam bekannter Harmonien quasi des Nachts einfach so zugefallen.
Der Student, der solches hört, mag verzagend ins Grübeln kommen. Und tatsächlich sind jazzige Entstehungsmythen ein Teil der Wahrheit: Inspiration hat nun einmal etwas Rätselhaftes; Kreativität und Individualität vermag der Student nur aus sich selbst zu schöpfen. Handwerkliche Voraussetzungen
zu erlernen ist dennoch wichtig und kein Hindernis für das Kreativsein. Beim Outreach Festival (in Schwaz in Tirol) wird der pädagogische Aspekt einerseits als essenziell anerkannt. Allerdings findet er seine Umsetzung in Workshops, die das Schöpferische des Einzelnen kommunikativ befördern und bei Konzerten auch live präsentieren.
Keine Routine
Der Initiator des Festivals, der Trompeter Franz Hackl, versucht schon seit vielen Jahren erfolgreich, mit Kollegen Situationen herzustellen, die sich also von unproduktiver Routine freihalten. Es geht um Kommunikation und das Verlassen der Komfortzone. Etwa am Freitag, wenn Franz Hackls Outreach Orchestra auftritt. Die Philosophie hinter dem Ganzen: „Überbordende Theoriearbeit und lange Vorlaufzeiten sind nicht wirklich vorgesehen. Stattdessen stürzt man sich in gemeinsamer Probenarbeit abenteuerlustig in kollaborativer Form ins Ungewisse und noch Undefinierte“, heißt es erklärend.
Die Musiker würden „sowohl ihre Persönlichkeit als auch eigene Kompositionen und Ideen“einbringen. „Dass die Summe aber immer größer als die einzelnen Teile ist und unterwegs im gemeinsamen Agieren und Interagieren auch immer Unerwartetes passiert, macht diesen Konzertblock zu einem Erlebnis.“Es geht also auch darum, als Individualist den Gesamtklang mitzubedenken. Das Festival bringt natürlich auch internationale Namen nach Tirol, denen zu lauschen auch weiterbringt: Der finale Tag (3. 8.) ist dem Klavier gewidmet, es spielt Leo Genovese im Trio. Der argentinische Pianist gilt als originell-unberechnbar und hat schon mit Herbie Hancock und Wayne Shorter zusammengearbeitet.
Was Kooperationen anbelangt, hat ihm Kirk Lightsey allerdings einiges voraus: Er spielte mit Dexter Gordon wie auch mit Pharoah Sanders, David Murray, Chet Baker und Don Cherry. Sein Gastspiel ist Wayne Shorter gewidmet, mit dem Lightsey ebenfalls musiziert hat. Der Mann wird also musikalisch und verbal einiges zu erzählen haben. Sollten ein paar Jazzmythen dabei sein, umso besser. Sind sie meistens nur halb wahr, so doch immer schön. (toš)