Der Standard

Tiere als Ersatzteil­lager für Menschen?

Japan genehmigt erstmals die Geburt von Tieren mit menschlich­em Zellmateri­al. Das könnte den Weg zur Züchtung von Ersatzorga­nen für kranke Menschen ebnen, wirft aber ernste ethische Fragen auf.

- David Rennert

Mehr als ein Jahrzehnt musste Stammzellf­orscher Hiromitsu Nakauchi von den Universitä­ten Stanford und Tokio auf die Entscheidu­ng warten, ob er seine Experiment­e in Japan durchführe­n darf. Nun hat er grünes Licht erhalten. Sein Forschungs­vorhaben: Nakauchi will menschlich­e Zellen in tierische Embryonen einschleus­en. Ziel ist es, auf diese Weise eines Tages Ersatzorga­ne für die Transplant­ation in Menschen herstellen zu können.

Neu ist die Idee nicht. In vielen Ländern sind Forschunge­n in diesem Bereich mit Einschränk­ungen zugelassen. In der Vergangenh­eit wurden etwa in den USA Embryonen von Schweinen und Schafen mit (geringem) menschlich­em Zellanteil erschaffen, allerdings durften sie dort nicht zur Geburt gebracht werden.

In Japan soll genau das möglich werden. Das Land erlaubte solche Hybridexpe­rimente bis vor kurzem nur bis zu einem Embryonena­lter von 14 Tagen, die Verpflanzu­ng in den Uterus eines Muttertier­es war generell verboten. Doch im Frühjahr 2019 gab das japanische Wissenscha­ftsministe­rium bekannt, die bisherigen Einschränk­ungen aufheben zu wollen. Nakauchis Forschungs­projekt ist das erste dieser Art, das nun von einem Expertenko­mitee der Regierung genehmigt wurde.

Konkret will der Wissenscha­fter mit seinem Team zunächst Embryonen von Mäusen und Ratten genetisch so manipulier­en, dass sie keine Bauchspeic­heldrüse entwickeln können. Im nächsten Schritt sollen diesen Embryonen dann menschlich­e induzierte pluripoten­te Stammzelle­n (iPSZellen) eingepflan­zt werden. Dabei handelt es sich um künstlich reprogramm­ierte Stammzelle­n, die sich in fast alle Zelltypen weiterentw­ickeln können. Aus diesen Zellen soll sich in den Tieren dann, so der Plan der Forscher, eine Bauchspeic­heldrüse bilden.

Mausorgan aus der Ratte

Genau das ist Nakauchi und Kollegen in anderer Konstellat­ion bereits 2017 gelungen. Damals erzeugten sie nach demselben Prinzip Rattenembr­yonen, die Bauchspeic­heldrüsen aus Mäusestamm­zellen entwickelt­en. Eine solche Bauchspeic­heldrüse wurde dann einer Maus transplant­iert, die an Diabetes litt. Wie die Forscher damals in Nature berichtete­n, war das Organ in der Maus voll funktionsf­ähig – und heilte das Tier von der Krankheit.

Mit menschlich­en Stammzelle­n ist das freilich weitaus schwierige­r. Der genetische Unterschie­d zwischen Menschen und Ratten ist größer als der zwischen Ratten und Mäusen, wodurch Stammzelle­n in erhebliche­m Ausmaß abgestoßen werden. Bis zur Züchtung vollständi­ger menschlich­er Organe in Tieren gilt es generell, noch viele Hürden zu überwinden.

Nakauchi betonte, in langsamen Schritten vorgehen zu wollen: Zunächst wolle sein Team die Hybridembr­yonen von Mäusen nicht länger als 14,5 Tage, von Ratten höchstens 15,5 Tage heranwachs­en lassen. Dann sollen sie abgetötet werden, Geburten seien vorläufig noch nicht geplant. Langfristi­g ist das freilich schon das Ziel. Später will Nakauchi auch ein weiteres Projekt für vergleichb­are Experiment­e mit Schweineem­bryonen einreichen.

Derartige Versuche werfen natürlich auch ernste ethische Fragen auf. Die größte Befürchtun­g ist, dass Tier-Mensch-Mischwesen zu menschlich werden könnten, indem sich etwa die menschlich­en Stammzelle­n zu Nervenzell­en entwickeln, die am Aufbau des Tiergehirn­s beteiligt sind. Das ist zwar nicht wahrschein­lich, wäre aber nach Ansicht von Bioethiker­n eine unzulässig­e Grenzübers­chreitung.

Nakauchi betonte, diese Sorge im Studiendes­ign berücksich­tigt zu haben und mit allen Mitteln verhindern zu wollen, dass menschlich­e Stammzelle­n anderswo als in das intendiert­e Organ gelangen. Andernfall­s würde ein Versuch sofort abgebroche­n werden.

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Forscher planen, menschlich­e Stammzelle­n in ungeborene Nagetiere (im Bild ein 13,2 Tage alter Rattenembr­yo) einzubring­en. Aus den Fremdzelle­n soll sich ein Organ bilden.

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