Tiere als Ersatzteillager für Menschen?
Japan genehmigt erstmals die Geburt von Tieren mit menschlichem Zellmaterial. Das könnte den Weg zur Züchtung von Ersatzorganen für kranke Menschen ebnen, wirft aber ernste ethische Fragen auf.
Mehr als ein Jahrzehnt musste Stammzellforscher Hiromitsu Nakauchi von den Universitäten Stanford und Tokio auf die Entscheidung warten, ob er seine Experimente in Japan durchführen darf. Nun hat er grünes Licht erhalten. Sein Forschungsvorhaben: Nakauchi will menschliche Zellen in tierische Embryonen einschleusen. Ziel ist es, auf diese Weise eines Tages Ersatzorgane für die Transplantation in Menschen herstellen zu können.
Neu ist die Idee nicht. In vielen Ländern sind Forschungen in diesem Bereich mit Einschränkungen zugelassen. In der Vergangenheit wurden etwa in den USA Embryonen von Schweinen und Schafen mit (geringem) menschlichem Zellanteil erschaffen, allerdings durften sie dort nicht zur Geburt gebracht werden.
In Japan soll genau das möglich werden. Das Land erlaubte solche Hybridexperimente bis vor kurzem nur bis zu einem Embryonenalter von 14 Tagen, die Verpflanzung in den Uterus eines Muttertieres war generell verboten. Doch im Frühjahr 2019 gab das japanische Wissenschaftsministerium bekannt, die bisherigen Einschränkungen aufheben zu wollen. Nakauchis Forschungsprojekt ist das erste dieser Art, das nun von einem Expertenkomitee der Regierung genehmigt wurde.
Konkret will der Wissenschafter mit seinem Team zunächst Embryonen von Mäusen und Ratten genetisch so manipulieren, dass sie keine Bauchspeicheldrüse entwickeln können. Im nächsten Schritt sollen diesen Embryonen dann menschliche induzierte pluripotente Stammzellen (iPSZellen) eingepflanzt werden. Dabei handelt es sich um künstlich reprogrammierte Stammzellen, die sich in fast alle Zelltypen weiterentwickeln können. Aus diesen Zellen soll sich in den Tieren dann, so der Plan der Forscher, eine Bauchspeicheldrüse bilden.
Mausorgan aus der Ratte
Genau das ist Nakauchi und Kollegen in anderer Konstellation bereits 2017 gelungen. Damals erzeugten sie nach demselben Prinzip Rattenembryonen, die Bauchspeicheldrüsen aus Mäusestammzellen entwickelten. Eine solche Bauchspeicheldrüse wurde dann einer Maus transplantiert, die an Diabetes litt. Wie die Forscher damals in Nature berichteten, war das Organ in der Maus voll funktionsfähig – und heilte das Tier von der Krankheit.
Mit menschlichen Stammzellen ist das freilich weitaus schwieriger. Der genetische Unterschied zwischen Menschen und Ratten ist größer als der zwischen Ratten und Mäusen, wodurch Stammzellen in erheblichem Ausmaß abgestoßen werden. Bis zur Züchtung vollständiger menschlicher Organe in Tieren gilt es generell, noch viele Hürden zu überwinden.
Nakauchi betonte, in langsamen Schritten vorgehen zu wollen: Zunächst wolle sein Team die Hybridembryonen von Mäusen nicht länger als 14,5 Tage, von Ratten höchstens 15,5 Tage heranwachsen lassen. Dann sollen sie abgetötet werden, Geburten seien vorläufig noch nicht geplant. Langfristig ist das freilich schon das Ziel. Später will Nakauchi auch ein weiteres Projekt für vergleichbare Experimente mit Schweineembryonen einreichen.
Derartige Versuche werfen natürlich auch ernste ethische Fragen auf. Die größte Befürchtung ist, dass Tier-Mensch-Mischwesen zu menschlich werden könnten, indem sich etwa die menschlichen Stammzellen zu Nervenzellen entwickeln, die am Aufbau des Tiergehirns beteiligt sind. Das ist zwar nicht wahrscheinlich, wäre aber nach Ansicht von Bioethikern eine unzulässige Grenzüberschreitung.
Nakauchi betonte, diese Sorge im Studiendesign berücksichtigt zu haben und mit allen Mitteln verhindern zu wollen, dass menschliche Stammzellen anderswo als in das intendierte Organ gelangen. Andernfalls würde ein Versuch sofort abgebrochen werden.