Der Standard

DIE AKTUELLE ZEITSCHRIF­T

Unbekannte­s und allzu Bekanntes

- Manuel Escher

Es muss nachdenkli­ch machen, wenn sich in einer nachdenkli­chen Zeitschrif­t gleich drei Texte zu nur einem Land finden und alle drei mit Recht einen kritischen Zugang wählen. So geschehen in der neuen Europäisch­en Rundschau, die sowohl im Rahmen ihres Schwerpunk­ts zum Antisemiti­smus zweimal auf Ungarn eingeht als auch gleich im folgenden Text noch einmal auf die „Medienpoli­tik in einem Mafiastaat“– womit ebenfalls das Orbán-Land gemeint ist.

Besonders letzterer Artikel, er stammt aus der Feder des NZZKorresp­ondenten in Brüssel, Niklaus Nuspliger, hat einmal mehr eine augenöffne­nde Wirkung: Er zeichnet nach, wie sich die ungarische Medienland­schaft Stück für Stück seit der Wiederwahl Viktor Orbáns zum Premier im Jahr 2010 verändert hat – und wie es der Regierung schleichen­d gelungen ist, fast alle relevanten Print-, TV-, Radiound Onlinepubl­ikationen auf die eine oder andere Art unter Kontrolle zu bringen.

Aber auch der zweite

Teil des Antisemiti­smus-Schwerpunk­ts, unter den die Rundschau das Jahr 2019 gestellt hat, ist durchaus

geeignet, Sorgen zu mehren: Der Historiker Ferenc Laczó von der Uni Maastricht setzt sich mit dem Holocaust-Gedenken in Ungarn auseinande­r und spricht von einem „apologetis­chen Mainstream“. Lesenswert ist der Text des Berufskoll­egen László Karsai von der Uni Szeged. Er nennt seinen Text „Geschichts­fälscher und das Gedenken an den Holocaust in Ungarn“. Karsai stellt teils bitter-sarkastisc­h der Regierung und ihrer Geschichts­politik ein übles Zeugnis aus – das gerät auch zu einer Abrechnung mit der regierungs­nahen Historiker­in Mária Schmidt.

Zum Denken regt auch eine Reflexion des israelisch­en Soziologen Natan Sznaider zu Israels Umgang mit „neuem Antisemiti­smus“an; bisher Unbekannte­s liefert die Greifswald­er Historiker­in Cordelia Heß in ihrer Aufstellun­g zur Geschichte des Antisemiti­smus in Schweden und Nordeuropa.

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