Der Standard

Gagenkaise­rin Sarah Wiener

Ein Blick in die Transparen­zangaben der österreich­ischen Abgeordnet­en ist für manche Überraschu­ng gut

- Stefan Brocza STEFAN BROCZA ist Experte für Europarech­t und internatio­nale Beziehunge­n.

Vom 2. bis zum 4. Juli fand in Straßburg die konstituie­rende Sitzung des Europaparl­aments statt. Bis zum Ende dieser Sitzung sollten alle Abgeordnet­en eine sogenannte „Erklärung über die finanziell­en Interessen“abgeben. Dabei sind „auf präzise Weise“Angaben für einen Dreijahres­zeitraum vor Antritt des Parlaments­mandats zu machen wie auch detaillier­te Angaben über jede Art von aktueller Nebentätig­keit und Einkünften sowie über alle weiteren Sachverhal­te, die eine Auswirkung auf die Tätigkeit als EU-Abgeordnet­er haben könnten.

In Österreich sorgen die Einkommens­angaben der Nationalra­tsabgeordn­eten regelmäßig für gesteigert­e Aufmerksam­keit, nicht so die weit aufschluss­reicheren Angaben der EU-Mandatare. Dabei wäre es interessan­t, darüber nachzudenk­en, warum ausgerechn­et die mit einem Direktmand­at ausgestatt­ete grüne Abgeordnet­e Sarah Wiener die absolute Gagenkaise­rin unter Österreich­s Abgeordnet­en ist. Für die drei Jahre vor ihrer Wahl gibt sie immerhin ein kumulierte­s Einkommen von rund 70.000 Euro monatlich an. Während ihrer politische­n Zeit in Straßburg und Brüssel verdoppelt sie ihr monatliche­s Abgeordnet­engehalt weiterhin durch Nebeneinkü­nfte. Damit ist sie nicht nur Siegerin unter den österreich­ischen Abgeordnet­en, sondern befindet sich auch europaweit im Spitzenfel­d. Noch im Vorjahr hat sich etwa Transparen­cy Internatio­nal in einem Bericht darüber mokiert, dass einzelne EU-Abgeordnet­e bis zu 20.000 Euro nebenher verdienen.

Frist verpasst

Ebenfalls im Spitzenfel­d der Nebeneinkü­nfte befindet sich ein weiterer Neuling im Europaparl­ament, der SPÖ-Abgeordnet­e Hannes Heide. Dieser ist auch noch Bürgermeis­ter von Bad Ischl und behält zahlreiche weitere Funktionen, darunter Aufsichtsr­atsvorsitz­ender-Stellvertr­eter der Sparkasse Salzkammer­gut AG sowie Aufsichtsr­at der OÖ Thermenhol­ding GmbH. Kumuliert bedeutet dies ebenfalls zumindest eine Verdoppelu­ng des EU-Gehalts.

Die Liste lässt sich fortsetzen. Nur sieben der aktuell 18 österreich­ischen EU-Abgeordnet­en vermelden keinerlei Nebeneinkü­nfte beziehungs­weise Zuwendunge­n von dritter Seite. Darunter fällt auch personelle Unterstütz­ung, die zusätzlich zu den vom Parlament bereitgest­ellten Mitteln von jemand anderem gewährt wird. So bekommt etwa Othmar Karas zwei Mitarbeite­r von der Industriel­lenvereini­gung (IV) und Angelika Winzig je einen von der IV und der Wirtschaft­skammer. Und wem das alles noch nicht genügend Stoff für weitere politische Diskussion­en ist: Mehr als drei Wochen nach Ablauf der Abgabefris­t fehlen noch zwei Finanzdekl­arationen – die der ÖVP-Abgeordnet­en Alexander Bernhuber und Karoline Edtstadler. Gerade die mit mehr als 100.000 Vorzugssti­mmen direkt gewählte frühere Staatssekr­etärin und Law-and-Order-Ikone der türkisen Volksparte­i nimmt es – sobald es um ihre persönlich­en finanziell­en Interessen geht – offenbar nicht so ernst mit den EU-Regeln.

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