Tarzan, Gags und Crashtest-Dummys
In den Stücken österreichischer Choreografen und Performer erschallt der Tarzan-Schrei, versacken zwei Komiker, verlässt ein Körper sein Ich und werden vier Tänzer zu Dummys.
Interdisziplinarität, Interaktivität, Experimente, Widersprüche: Das alles eint die heimische Performance- und Tanzszene, die sich in den letzten Impulstanz-Tagen mit Arbeiten von God’s Entertainment, Yosi Wanunu, Roland Rauschmeier, Anne Juren, Helene Weinzierl und Willi Dorner präsentiert – jeder mit individuellem Ansatz.
Das Wiener Theaterkollektiv God’s Entertainment stellt dafür Tarzan in den Fokus seiner gleichnamigen Performance. Die Gruppe befasst sich mit der Ambivalenz dieser Figur, die seit ihrer Erschaffung durch Edgar Rice Burroughs 1912 als Projektionsfläche dient – ob in der Bearbeitung durch sämtliche Medien von Literatur über Film bis Musical, in der Diskrepanz zwischen Natur und Kultur oder in der Rassismusdebatte.
Zum Kern der Performance gehören auch die Darsteller-Ikonen, angefangen mit Johnny Weissmüller, der noch im Altersheim seine Nachbarn mit dem Tarzanschrei erschreckt haben soll.
Zwei Spaßkiller-Oldboys
Gags, Gags, Gags – das versprechen zwei reifere Herren, genannt The Deadpan Dynamites, die sich in (trockenem) Humor versuchen – und scheitern. Ob es am Körperbau, am Alter oder an Talentlosigkeit liegt, das versuchen sie in The Art of the Gag herauszufinden. Ihre Kunststückchen werden zunehmend anspruchsvoller, ihr Versagen wird immer tragischer. Hinter dem Komikerduo stecken Yosi Wanunu, Leiter der Theatergruppe Toxic Dreams, und Roland Rauschmeier, der mit der französischen Choreografin Anne Juren 2001 die Wiener Tanz- und Kunstbewegung gegründet hat.
Juren selbst lässt nun im Festival ihrer letztjährigen Tanzperformance 41 eine weitere folgen. Sie trägt den nicht weniger nüchternen Titel 42. Die Gedächtnisforscherin Alison Landsberg beschreibt in ihrer Theorie der Prosthetic Memory, wie sich eine Erinnerung ohne Eigenerfahrung als Prothese aneignen lässt. Dem Körper wird bereits in Stummfilmzeiten ein eigenes Gedächtnis zugestanden. Man denke dabei etwa an Robert Wienes Orlacs Hände (1925), in dem ein Pianist nach einem Unfall beide Hände verliert und stattdessen jene eines verurteilten Mörders angenäht bekommt, die ihre früheren Taten gespeichert haben. Die todbringenden Glieder verselbstständigen sich und machen dadurch ihren neuen Besitzer selbst zum Täter.
„Mein Körper hat nicht dieselben Ideen wie ich“, sagt auch Juren, die darin das Vergnügen des Tanzes begründet sieht. In dieser Arbeit untersucht sie den Körper als Archiv und stellt die Frage, welches Wissen dieser speichert.
Tänzer, ab ins Publikum!
„Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihr Gewissen, Ihre Courage oder einfach Ihren Sitznachbarn.“Kein Crashtest-Dummy ohne Mauern.
Wie Dummys bewegen sich die vier Tänzer der Salzburger Choreografin Helene Weinzierl zwischen dem Publikum, das zunächst einmal die Mauer in dieser Versuchsanordnung bildet. Doch das bleibt nicht so. In ihrer interaktiven Performance As far as we are werden die eigenen Grenzen und gleichermaßen jene der Gesellschaft ausgelotet.
Den Raum, die Winkel und Nischen der Stadt vermisst seit langem Willi Dorner. Nun sollte es bei Impulstanz eine Neuinszenierung zur Feier des 20-jährigen Jubiläums von Dorners Company geben. Aber Künstlerpech: Weil sich ein Mitglied des Ensembles verletzt hat, musste die Neufassung von mazy nun abgesagt werden.
Die zwei erfolgreichen Jahrzehnte der Wiener Gruppe werden trotzdem gewürdigt. Die Ausstellung Stages of Transition im Bildraum 07 zeigt eine Werkschau mit filmischen Arbeiten, Dokumentationen und den wunderbaren Fotos von Lisa Rastl, die Dorners Arbeit seit vielen Jahren begleitet. Daten siehe Programm auf S. I 6/7