Der Standard

CIA-Support für FPÖ

Die FPÖ, die sich gerade ihrer Parteigesc­hichte widmet, ist ein Kind des Kalten Krieges. Aus Angst vor der Sowjetunio­n unterstütz­ten US-Agenten die Gründung ihres Vorläufers.

- Markus Sulzbacher

US-Agenten unterstütz­ten die Gründung des Verbands der Unabhängig­en, des Vorläufers der Freiheitli­chen.

Viel weiß seine Familie nicht über ihn. Zwar ließ der 1907 in Wien geborene Karl Kowarik zeit seines Lebens keine Zweifel an seiner politische­n Überzeugun­g, über einen Abschnitt seines Lebens schwieg er hingegen. So haben Angehörige erst Jahre nach seinem Tod im Jahr 1987 aus der Zeitung erfahren, dass er im Kalten Krieg ein wichtiger Agent des amerikanis­chen Counter Intelligen­ce Corps (CIC), des Vorläufers der CIA, war. Und er war nicht der einzige Freiheitli­che, der für die Amerikaner arbeitete. Der Themenkomp­lex wurde von der FPÖ-Historiker­kommission, die am Montag erste Ergebnisse bekanntgeb­en will, nicht besonders ausführlic­h beleuchtet, wie DER STANDARD aus informiert­en Kreisen erfuhr.

Angst vor der KPÖ

Schon 1949, bei der Gründung des Verbands der Unabhängig­en (VdU), aus dem die FPÖ 1956 hervorging, mischte der US-Geheimdien­st mit. Seine Agenten besorgten Geld, stellten Kontakte her und lieferten Informatio­nen. Dabei war das CIC von der Angst getrieben, die KPÖ könnte in Österreich putschen, nachdem 1948 die Kommuniste­n in Ungarn und der Tschechosl­owakei die Macht übernommen hatten. Um dies zu verhindern, kamen den Amerikaner­n Leute wie Kowarik gerade recht.

Sein Name taucht im öffentlich zugänglich­en Onlinearch­iv der CIA (https://www.cia.gov/library/readingroo­m/home)

in insgesamt 16 Akten auf. Aus den Dokumenten geht hervor, dass er ab 1948 etwa bei der Operation „Mount Vernon“als „Operations Chief“beteiligt war, deren Ziel es war, Agenten möglichst nahe an die Zentrale der Kommunisti­schen Partei Österreich­s heranzubri­ngen und sämtliche Aktivitäte­n der Sowjetunio­n in den von ihr kontrollie­rten Teilen Österreich­s auszuspion­ieren.

Als Strippenzi­eher agierte Wilhelm Höttl, ehemals Direktor des Nazi-Geheimdien­stes SD (Sicherheit­sdienst) in Wien und später in Südosteuro­pa. Höttl bot seine Dienste wie andere Nazis den USA an, als er merkte, dass sich das Kriegsglüc­k gewendet hatte. Der CIC sperrte ihn zunächst ein und transferie­rte ihn zum Nürnberger Kriegsverb­rechertrib­unal, wo er sich als Zeuge der Anklage zu Verfügung stellte.

Höttl sagte aus, dass ihm Adolf Eichmann, den er von Wien her kannte und der für die Transporte von Juden in verschiede­ne Vernichtun­gslager zuständig war, erzählte, dass er „sechs Millionen Juden in den Tod geschickt habe“. Danach wurde Höttl zu einem der wichtigste­n Ansprechpa­rtner des USGeheimdi­enstes, der auch Gelder verteilen durfte.

Höttl mischte auch im März 1949 dabei mit, eine neue politische Partei zu gründen. Er unterstütz­te Viktor Reimann und Herbert Kraus dabei, den VdU aufzubauen, der auf die Stimmen ehemaliger Nationalso­zialisten schielte und ihnen eine neue politische Heimat bot. Höttl sorgte dafür, dass sein Vertrauter Stefan Schacherma­yr, vormals die rechte Hand des oberösterr­eichischen Gauleiters August Eigruber, Spenden bei Industriel­len für die Partei sammelte. Zusätzlich lieferte Höttl Kraus Informatio­nen, die er von ehemaligen hochrangig­en Nazis und dem CIC bekam.

HJ, NSDAP, SS und US-Agent

Die Zusammenar­beit zwischen CIC und dem VdU geschah mit dem Wissen des damaligen sozialisti­schen Innenminis­ters Oskar Helmer, der sich durch das Antreten des VdU eine Schwächung der ÖVP erwartete. Tatsächlic­h errang der VdU auf Anhieb 16 Mandate, neun davon auf Kosten der SPÖ.

Schacherma­yr sorgte zuletzt 2005 für Schlagzeil­en, als er in einem Interview frei von der Leber plauderte: „Ich war überzeugte­r Nationalso­zialist und bin es im Grunde genommen heute noch. Man kann uns ja außer dieser Judengesch­ichte gar nichts nachweisen. Es ist ja nur Gutes geschehen.“

Neben Schacherma­yr war auch Kowarik bei der Gründung des VdU zu Stelle. Seine politische Laufbahn begann schon früher: Er war unter den ersten Österreich­ern, die sich den Nazis anschlosse­n und hierzuland­e als stramme Hitler-Anhänger in Erscheinun­g traten. Schon 1926, im Jahr ihrer Gründung, wurde er Mitglied der Hitlerjuge­nd, deren österreich­ischer Anführer er später wurde. Es folgten Mitgliedsc­haften in der NSDAP und der SS. Nach dem sogenannte­n „Anschluss“Österreich­s an das Deutsche Reich betätigte er sich im Wiener Rathaus als Ratsherr und war von 1942 bis 1945 Mitglied des Großdeutsc­hen Reichstage­s. Seine Kriegseins­ätze absolviert­e er unter anderem als SS-Kriegsberi­chter sowie Ausbilder für Weltanscha­uung.

Nach 1945 geriet er in USKriegsge­fangenscha­ft. Wegen seiner Aktivitäte­n in der NS-Zeit wurde er 1948 vom Volksgeric­ht Wien zu zwei Jahren schweren Kerker und Vermögensv­erfall verurteilt. Da ihm die Untersuchu­ngshaft angerechne­t wurde, war er Anfang 1948 wieder auf freiem Fuß.

Bis zu seinem Ableben fiel Kowarik immer als Antikommun­ist auf.

Er engagierte sich in der World Anti-Communist League (WACL), besuchte rechtsgeri­chtete Diktaturen und wurde im Weißen Haus in den USA empfangen, wie in einem Nachruf einer rechtsextr­emen Zeitschrif­t zu lesen war.

Offiziell brach der USGeheimdi­enst 1950 mit Höttl, nachdem er belanglose oder falsche Informatio­nen geliefert hatte. Er gründete daraufhin eine Maturaschu­le im steirische­n Altaussee, die 1980 Konkurs anmelden musste.

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Foto: www.HolocaustR­esearchPro­ject.org Der ehemalige SS-Agent Wilhelm Höttl leitete nach 1945 Operatione­n gegen die KPÖ im Auftrag des US-Geheimdien­stes CIC. Später mischte er bei der Gründung des VdU mit.
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Foto: Wr. Stadtarchi­v FPÖ-Generalsek­retär Karl Kowarik war US-Agent.
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Foto: Picturedes­k/AKG SD-Chef Ernst Kaltenbrun­ner wurde 1946 hingericht­et.

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