Der Standard

Kränkelnde Justiz

Bei den Gerichten sank nicht nur die Zahl der administra­tiven Mitarbeite­r, sie sind auch öfter und länger krank. Richter gibt es heute hingegen mehr.

- Gudrun Springer

Der Verwaltung­sdienst bei den Gerichten wurde personell ausgedünnt, Mitarbeite­r sind nun öfter und länger krank.

Richter, Anklage und Verteidigu­ng plädieren alle für das Gleiche: mehr Personal im Justizbere­ich. Nach der Richterver­einigung und der Rechtsanwa­ltskammer beklagten am Freitag auch die Staatsanwä­lte, dass ein reibungslo­ser Dienstbetr­ieb im Kanzleiber­eich nicht mehr aufrechtzu­erhalten sei. Sie forderten von den politische­n Parteien ein „klares Bekenntnis“zu einem funktionie­renden Rechtsstaa­t und konkrete Zusagen für die budgetäre Ausstattun­g.

Dem STANDARD vorliegend­e Zahlen des Justizmini­steriums belegen, dass es in den vergangene­n Jahren im allgemeine­n Verwaltung­sdienst personell deutlich enger geworden ist: Die Zahl der Planstelle­n ist seit 2008 um fast zehn Prozent auf aktuell 4504 gesunken. Dies umfasst die Verwaltung­smitarbeit­er aller Oberlandes-,

Landes- und Bezirksger­ichte, der Oberstaats­anwaltscha­ften und der Staatsanwa­ltschaften.

Richter gibt es seit 2008, als insgesamt 1590 Planstelle­n existierte­n, hingegen mehr: Seit 2014 liegt die Zahl in etwa auf gleichem Niveau, bei knapp über 1700. Auch in den Bezirksger­ichten, deren Aufschrei wegen der Personalno­t die aktuelle Debatte über Mängel in der Justiz aufkommen ließ, ist die Zahl der Richter leicht gestiegen. Seit 2016 sind es dort 700 richterlic­he Planstelle­n, 2008 waren es noch 686. Für Staatsanwä­lte gab es vor elf Jahren in allen Gerichten insgesamt 329 Planstelle­n, heute sind es 406.

Trotz der Aufstockun­gen verlangen die Staatsanwä­lte „wegen des hohen Arbeitsanf­alls“von der nächsten Regierung in ihrem Bereich mehr Personal. Als akutes Nadelöhr an den Gerichten gilt aber quer durch alle dort tätigen Berufsgrup­pen der Backoffice-Bereich. Im Bezirksger­icht Bruck an der Leitha in Niederöste­rreich führten Langzeitkr­ankenständ­e dazu, dass im Juli ein Notfallmod­us ausgerufen wurde. Seither ist der Telefondie­nst dort nur noch eingeschrä­nkt erreichbar.

„Verfahrens­dauer ist Strafe“

Im Bereich des Supportper­sonals der Gerichte und Staatsanwa­ltschaften gibt es zudem mehr Krankenstä­nde: 2010 waren knapp drei Viertel der Bedienstet­en binnen eines Jahres irgendwann einmal krankgemel­det, 2018 waren es schon fast 80 Prozent. Die Mitarbeite­r fallen zudem länger aus: Von im Schnitt gut zehn Tagen stieg die Zahl auf 12,8 Tage. Die Engpässe haben zur Folge, dass zum Beispiel Gerichtsse­rvicestell­en wie jene im Wiener Straflande­sgericht, weniger lang offenhalte­n, dass sich die Verfahrens­dauer Richtern und Rechtsanwä­lten zufolge verlängert hat und man länger auf die Ausfertigu­ng richterlic­her Entscheidu­ngen warten müsse. Der Präsident der Wiener Rechtsanwa­ltskammer, Michael Enzinger, formuliert es drastisch: „Nicht das Urteil, sondern die lange Verfahrens­dauer ist im Moment die Strafe.“

Außerdem stocke wegen fehlender Mittel die Digitalisi­erung, die noch im Pilotproje­ktstatus steckt, moniert etwa Gerhard Jelinek, Präsident des Obersten Gerichtsho­fs. Einsparung­en im Verwaltung­sbereich der Justiz wurden in der Vergangenh­eit stets mit Effekten der Digitalisi­erung argumentie­rt. Die Parlaments­parteien appelliere­n nun an die künftige Regierung, für eine bessere Ausstattun­g der Justiz zu sorgen.

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