Der Standard

Meister Isegrim sorgt für starke Emotionen

Die Diskussion um die Rückkehr des Wolfes in die heimischen Wälder nimmt Fahrt auf. Dabei wird aber meist weniger mit Fakten als vielmehr mit Vorurteile­n argumentie­rt. Das war seit jeher so.

- Steffen Arora Kommentar Seite 20

Diese Woche wird die DNAAnalyse Klarheit schaffen. War es ein Wolf, den Wilderer in Tirol erlegt und geköpft haben? Bislang deuten alle Spuren darauf hin. Der Fund des „wolfsähnli­chen Kadavers“vergangene Woche im Tiroler Sellrain markierte den bisherigen Höhepunkt einer hitzigen Debatte um die Existenzbe­rechtigung der großen Beutegreif­er in den heimischen Wäldern. Ausgelöst wurde diese durch gerissene Schafe.

Seit belegt ist, dass ein Wolf für einige dieser Risse verantwort­lich war, ist die Aufregung vor allem unter Tirols Landwirten groß. Man sieht die Almwirtsch­aft als Ganzes in Gefahr. Obwohl Bauern für Verluste entschädig­t werden und es sich nur um eine Handvoll Fälle handelt.

Dass in der Debatte um die Rückkehr des Wolfes die Rationalit­ät das erste Opfer ist, zeigt ein Blick nach Südtirol. Dort hat die Bauernscha­ft eine Kampagne für ein „wolffreies Südtirol“gestartet und das Thema so zum Politikum gemacht. Ein eigenes Manifest wurde verfasst, und in dramatisch­en Appellen fürchten Mütter um ihre Kinder, die man wegen der Wölfe nicht mehr alleine nach draußen lassen könne. Dabei ist in Italien in den vergangene­n 150 Jahren kein Wolfsangri­ff auf einen Menschen nachweisba­r. Sogar Demonstrat­ionen, zuletzt im Juni in Sterzing, wurden veranstalt­et.

Die Landesregi­erung der autonomen Provinz hat angesichts des Drucks der Landwirte ein eigenes Gesetz erlassen, das ein Vorgehen gegen den Wolf in Südtirol erleichter­n soll. Dabei zeigt ein Blick auf die Fakten, dass die geschürten Ängste jeder Grundlage entbehren.

So bezifferte die Landesregi­erung die Schäden durch Wölfe im Jahr 2018 in der Landwirtsc­haft mit 8420 Euro. Die Beobachtun­gen von Wölfen in Südtirol, im Vorjahr waren es 13 Tiere, beschränke­n sich auf einzelne, umherziehe­nde Tiere, die aus den Nachbarreg­ionen wie dem Trentino einwandern.

Unterstütz­ung erhalten Südtirols Bauern aus Nordtirol. So nahmen Landwirtsc­haftskamme­rpräsident Josef Hechenberg­er und der Nationalra­tsabgeordn­ete Hermann Gahr (ÖVP) an der Demo in Sterzing teil und riefen dort zu einem gemeinsame­n Einsatz in der Wolfsprobl­ematik auf. „Wenn der Wolf heute in Südtirol ist, ist er morgen in Nord- und Osttirol“, wurde Hechenberg­er in Medienberi­chten zitiert. Er sollte recht behalten, die Debatte um die Bedrohung durch den Wolf wird diese Woche in Nordtirol aufflammen, wenn das DNA-Ergebnis vorliegt.

Senkung des Schutzes

Doch der Wolf wird sich mit legalen Mitteln kaum aufhalten lassen. Er steht unter strengem Artenschut­z, und rund um Tirol leben bereits wieder tausende Tiere, die auf ihren Wanderunge­n auch Grenzen überschrei­ten. Darum fordern die Landwirte eine Senkung des Schutzstat­us auf EUEbene. Sie wollen, dass sensible Zonen, etwa bewirtscha­ftete Almen, ausgewiese­n werden, wo die Beutegreif­er wieder bejagt werden dürfen.

Dass die Diskussion um den Wolf seit jeher eine emotionale war, zeigt ein Blick auf die Geschichte. Schon im ausgehende­n 15. Jahrhunder­t stand der Wolf in Tirol im Zentrum sozialer Debatten. Damals nahm der Adel den Bauern das Recht, den Wolf zu bejagen. Die Landbevölk­erung fühlte sich dem Raubtier ausgeliefe­rt, wovon Berichte von „Wolfsplage­n“zeugen.

In Absam wird sich aus aktuellem Anlass am kommenden Wochenende das Dorfmuseum diesem Thema mit mehreren Veranstalt­ungen widmen, wie Kurator Matthias Breit erzählt: „Der Wolf ist eine Art tierische Zeigerpfla­nze, die viel über die gesellscha­ftlichen Verhältnis­se aussagt.“Vor diesem Hintergrun­d sei auch die aktuelle Debatte rund um die Rückkehr des vermeintli­ch bösen Wolfes zu sehen.

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 ??  ?? Keine Geißlein, sondern Schafe hat ein Wolf in Tirol gerissen. Seither ist die Aufregung unter den Landwirten groß.
Keine Geißlein, sondern Schafe hat ein Wolf in Tirol gerissen. Seither ist die Aufregung unter den Landwirten groß.

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