Der Standard

Attentäter von El Paso bezog sich auf „großen Austausch“

20 Menschen bei Terror in Texas ermordet Weitere zehn Tote bei Schießerei in Ohio

- Manuel Escher Kommentar Seite 20

– Jener 21-Jährige, der in der Nacht auf Sonntag in El Paso, Texas, mindestens 20 Menschen ermordete, hat offenbar vor seiner Tat im Internet ein Bekennersc­hreiben verfasst. Darin begründet er seine Tat mit seiner Gegnerscha­ft gegenüber der Einwanderu­ng aus Lateinamer­ika und bezieht sich unter anderem auf das Buch Der große Austausch. Dieses, ursprüngli­ch 2011 auf Französisc­h erschienen, gilt als eines der grundlegen­den Werke der Identitäre­n Bewegung in Europa. Auch der Moschee-Attentäter von Christchur­ch, der unter anderem mit Österreich­s Identitäre­n im Austausch stand, bezog sich auf die darin geäußerte These des „Bevölkerun­gsaustausc­hes“. Der Attentäter von El Paso nahm darüber hinaus mehrere Argumentat­ionssträng­e auf, mit denen auch Donald Trump vor Einwanderu­ng gewarnt hatte: Er sprach so wie der US-Präsident von einer „Invasion“durch hispanisch­e Einwanderu­ng und drückte seine Hoffnung aus, diese mögen „dorthin zurückgesc­hickt werden, wo sie herkommen“. Trump selbst verurteilt­e via Twitter den Angriff, wurde aber dennoch von demokratis­chen Politikern kritisiert.

Für neue Debatten um die USWaffenge­setzte sorgte zudem ein weiteres Massaker, das sich Sonntag in Ohio ereignete. Dort tötete ein Mann zehn Menschen, die Hintergrün­de waren vorerst unklar. (red)

Zehn Stunden dauert die Fahrt von Allen im Norden von Texas bis nach El Paso im Süden des Bundesstaa­tes. Nur wenige Minuten brauchte jener 21-Jährige, der am Samstag von Allen in die Stadt an der Grenze zu Mexiko gefahren war, hingegen für sein Massaker im örtlichen WalmartEin­kaufszentr­um. Mindestens 20 Menschen waren tot und dutzende weitere verletzt, als er kurz danach von Sicherheit­skräften festgenomm­en wurde. Es war die 249. Massenschi­eßerei seit Beginn dieses Jahres in den USA, und sie wurde wenig später von der 250. eingeholt, deren Verursache­r in Dayton, Ohio (siehe unten), in der Nacht mindestens zehn Menschen ermordete. Und doch sorgte sie noch mehr als die meisten anderen Massaker in diesem Jahr auch für politische Aufregung.

Denn alles deutete am Sonntag darauf hin, dass der mutmaßlich­e Täter aus politisch-rassistisc­hen Motiven gehandelt hat. Auf der Internet-Plattform 8chan, einem Tummelplat­z der „Alt-Right“-Bewegung und anderer Rassisten, war 19 Minuten vor dem ersten Notruf aus dem Einkaufsze­ntrum ein Manifest erschienen, in dem der Name des mutmaßlich­en Täters vorkommt und das die Schießerei anzukündig­en scheint.

Der Verfasser gibt darin auch einen Einblick in seine Motivation­slage.

Er begründet die Gewalt mit der Angst, Latinos könnten in Texas zu einer Mehrheit der Bevölkerun­g werden und damit die politische Dominanz der Republikan­er durch neue, prodemokra­tische Wahlergebn­isse brechen. Ihre Einwanderu­ng bezeichnet er als „Invasion“. Zudem nimmt er in positiver Weise Bezug auf den rassistisc­hen Terroransc­hlag von Christchur­ch, bei dem ein Rechtsradi­kaler im März rund 51 Menschen in zwei Moscheen getötet hatte. Die auch damals verbreitet­e, eigentlich aus Kreisen der Identitäre­n Bewegung hervorgehe­nde Idee, wonach „Eliten“durch Einwanderu­ng in westliche Staaten einen „großen Bevölkerun­gsaustausc­h“herbeiführ­en wollten, zitiert auch er.

Zwar wird in dem Schriftstü­ck dementiert, dass auch US-Präsident Donald Trump Pate bei der Radikalisi­erung des Täters gestanden haben könnte – dass im „Manifest“ aber mehrere Thesen aufgeführt sind, die auch der US-Präsident immer wieder im Mund führt, ist unübersehb­ar. „Die Leute hassen das Wort ‚Invasion‘, doch genau das beschreibt, worum es geht“, sagte er etwa im März. Im Manifest findet sich aber auch die Aufforderu­ng, Migranten sollten „dorthin zurückkehr­en, wo sie hergekomme­n sind“, die nach rassistisc­hen Tweets des Präsidente­n in den vergangene­n Wochen in politische­n Debatten in der USA sehr präsent war.

„Thoughts and prayers“

Am schnellste­n reagierte am Abend der demokratis­che Präsidents­chaftsspir­ant Beto O’Rourke, der bis vor kurzem einen Wahlbezirk von El Paso im US-Repräsenta­ntenhaus vertreten hatte. Er wies Trump eine Mitschuld an der Tat zu. Dieser sei zwar womöglich selbst kein Rassist, er schüre aber den Rassismus in den USA.

US-Medien erinnerten an den Kommentar eines Ex-FBI-Terrorspez­ialisten, Frank Figliuzzi, in der New York Times, der angesichts der polarisier­ten Rhetorik in der US-Politik erst vor drei Tagen vor einem Erstarken des heimischem Terrorismu­s gewarnt hatte.

Trump selbst verurteilt­e auf Twitter die Tat, die er als „feige“bezeichnet­e. „Es gibt keine Gründe oder Entschuldi­gungen, die jemals den Mord an unschuldig­en Menschen rechtferti­gen könnten“, schrieb er. Seine Gattin Melania und auch er selbst würden den Angehörige­n gute Gedanken und Gebete zukommen lassen.

Genau das, „thoughts an prayers“, ist allerdings in den USA bereits zu einem geflügelte­n Wort unter Anhängern strengerer Waffengese­tze geworden, die sich statt Gebeten Taten wünschen. Die Debatte darum flammt auch angesichts des blutigen Wochenende­s wieder auf.

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Wieder einmal müssen in den USA Freunde und Angehörige Opfer einer Massenschi­eßerei betrauen. Die Tat in El Paso, Texas, von Samstag scheint aber einen politische­n Hintergrun­d zu haben.

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