Der Standard

Angeknabbe­rte Pensionen

Die Zinsdürre setzt auch Pensionska­ssen zu, die Anlageertr­äge liegen in diesem Jahrzehnt weit unter dem langjährig­en Durchschni­tt. Wie Anbieter gegensteue­rn wollen.

- Alexander Hahn

Auch Betriebspe­nsionen leiden unter dem Nullzins: Anlageertr­äge liegen unter dem Durchschni­tt. Anbieter wollen gegensteue­rn.

Wenn es um sichere Anlagen geht, sind deutsche Bundesanle­ihen in Europa das Maß aller Dinge. Wer im August 2009 in eine zehnjährig­e Schuldvers­chreibung investiert­e, kassierte dafür eine jährliche Rendite von rund 3,3 Prozent. Doch dieser Ertragsbri­nger läuft nun aus, was tun mit dem zurückgeza­hlten Kapital? Wenn man das Geld in zehnjährig­e Bundesanle­ihen reinvestie­rt, erhält man dafür derzeit eine Rendite von minus 0,5 Prozent. Sprich, die Gläubiger müssen dafür zahlen, dass sie dem deutschen Staat Geld borgen.

Das ist längst kein Einzelfall mehr, zur Jahresmitt­e notierte fast ein Viertel aller weltweit ausstehend­en Anleihen mit Negativren­diten – Tendenz stark steigend. Im Juli kündigte die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) an, dass es ab September mit den Zinsen und Renditen nochmals bergabgehe­n könnte. Das wird auch für alle Formen der kapitalged­eckten Zukunftsvo­rsorge immer mehr zum Problem, da nun – wie beschriebe­n – alte Schuldvers­chreibunge­n

mit hohen Kupons und Renditen sukzessive auslaufen.

Ablesen lässt sich dieser Effekt an den Anlageertr­ägen heimischer Pensionska­ssen. In diesem Jahrzehnt, also von 2011 bis 2018, erzielten diese bisher im Mittel einen jährlichen Ertrag von gerade einmal 3,2 Prozent – also weit unter dem langjährig­en Durchschni­tt seit den 1990er-Jahren von fast 5,2 Prozent. „Es ist nicht einfacher geworden“, sagt Martin Sardelic, Chef der Valida Holding, in die auch die gleichnami­ge Pensionska­sse eingeglied­ert ist, über die Negativzin­sen. „Das stellt für jeden, der Geld veranlagt, eine Herausford­erung dar.“Und Sardelic geht davon aus, „dass es auch noch eine Weile so bleiben wird“.

Aber auf welchem Niveau können die Pensionska­ssen ihre Anlageertr­äge auch ohne sichere Renditebri­nger wie deutsche oder österreich­ische Staatsanle­ihen halten? Schließlic­h geht es um die Höhe derzeitige­r und künftiger Betriebspe­nsionen – und bei jahrzehnte­langen Ansparphas­en macht aufgrund des Zinseszins­die effekts selbst der klein wirkende Unterschie­d von jährlich einem Prozentpun­kt einen ordentlich­en Batzen Geld aus.

„Langfristi­g ist eine Größenordn­ung der Durchschni­ttsrendite von fünf Prozent nicht unseriös“, erklärt Sardelic – und gibt einen Einblick, wie sein Haus diese Anlageertr­äge einfahren will. Die Grundaussa­ge: „Langfristi­g ist es mit Abstand am sinnvollst­en, mehr Risiko zu nehmen.“Abgesehen von einer kleinen „Kassaliqui­dität“wird ihm zufolge alles „so veranlagt, dass der Zins nicht im Minus ist“. Also bei Anleihen weg von negativ rentierend­en Staatsanle­ihen hin zu risikoreic­heren Papieren aus Schwellenl­ändern oder von Unternehme­n.

Zudem vollzieht Valida Sardelic zufolge auch einen grundsätzl­ichen Schwenk von Geldverspr­echen wie Staatsanle­ihen hin zu realen Vermögensw­erten. An erster Stelle stehen dabei langfristi­ge Veranlagun­gen in Aktien, aber auch der Bereich Immobilien soll ausgebaut werden. Die Investitio­nen erfolgen über Spezialfon­ds, in diverse Immobilien direkt veranlagen.

Aber auch Infrastruk­turprojekt­e hat der Valida-Chef auf der Rechnung. Ein Beispiel: Ebenfalls über Spezialfon­ds sei man an der Errichtung, Finanzieru­ng und dem Betrieb von Röntgenanl­agen in Wiener Krankenhäu­sern beteiligt. Dazu kommen in eher geringem Ausmaß Investitio­nen in Private-Equity-Fonds, die für Unternehme­n Risikokapi­tal bereitstel­len. „Man wird relativ breit in der Veranlagun­g“, fasst Sardelic die Strategie zusammen, mit der der Wegfall sicherer Zinsen auf Dauer kompensier­t werden soll.

Im ersten Halbjahr waren die Pensionska­ssen dank der Erholung der Aktienmärk­te jedenfalls gut auf Kurs – es wurde im Mittel ein Ertrag von 6,7 Prozent erwirtscha­ftet. Dessen ungeachtet sieht Sardelic auch die Politik in der Pflicht: „Beiträge für Mitarbeite­r, insbesonde­re für Kleinverdi­ener, sollten steuerlich gefördert werden“, lautet seine Forderung zum Ausbau und zur Stärkung der betrieblic­hen Altersvors­orge.

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Rund 947.000 Österreich­er, das sind 23 Prozent der Arbeitnehm­er, hatten Ende des Vorjahres Anspruch auf eine betrieblic­he Zusatzpens­ion.

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