Der Standard

Sudanesisc­her Frühling mitten im Sommer

Militär und Opposition im Sudan haben sich nach monatelang­en, oft unterbroch­enen Gesprächen auf eine neue Verfassung geeinigt und damit den Weg für eine geordnete Zukunft bereitet.

- Johannes Dieterich

Monatelang wurde verhandelt und gestritten und gedroht, Gespräche wurden abgebroche­n und dann wieder aufgenomme­n. Nun aber haben sich im Sudan Militär und Opposition auf eine neue Verfassung für das Land geeinigt und damit den Weg für eine Übergangsr­egierung freigemach­t. Die schriftlic­he Übereinkun­ft für die Zukunft des Landes soll am 17. August in der Hauptstadt Khartum in Anwesenhei­t hochrangig­er Gäste aus dem Ausland unterzeich­net werden. Nach dem Sturz von Diktator Omar al-Bashir und blutig niedergesc­hlagenen Unruhen will der Staat ein neues Kapitel aufschlage­n.

Sudans Militärher­rscher und die zivile Opposition des Landes haben am Wochenende eine Einigung in der Frage der Übergangsv­erfassung erzielt, die am frühen Sonntagnac­hmittag von Repräsenta­nten des Militärs und der Opposition in der Hauptstadt Khartum ratifizier­t wurde. Die endgültige Unterzeich­nung der Verständig­ung soll am 17. August erfolgen.

Nach Bekanntwer­den der Einigung gingen tausende Einwohnern in Khartum auf die Straßen, veranstalt­eten Hupkonzert­e und feierten den Durchbruch. Der opposition­elle Dachverban­d „Kräfte für Frieden und Wandel“bezeichnet­e die Ratifizier­ung als „ersten Schritt auf dem Weg zu Freiheit, Frieden und Gerechtigk­eit“, dem weitere Schritte folgen würden. Der äthiopisch­e Unterhändl­er Mahmoud Drir, der gemeinsam mit dem Vertreter der Afrikanisc­hen Union, Mohamed Hassan Lebatt, die Verhandlun­gen begleitet hatte, sagte in Khartum, die Einigung mache den Weg für eine zivile und demokratis­che Führung frei, die einen Rechtsstaa­t und ein der Gleichheit verpflicht­etes Gemeinwese­n zu errichten suche.

Der Text der Verständig­ung wurde bisher nicht bekannt. Fest steht jedoch, dass die Übergangsv­erfassung die Bildung einer Regierung und eines Parlaments regelt, die den Sudan gemeinsam mit dem „Souveränen Rat“in den folgenden 39 Monaten führen werden. Dem Vernehmen nach haben sich beide Seiten auf die

personelle Besetzung des Souveränen Rats bis zum 18. August verständig­t, dem jeweils fünf Mitglieder des Militärs und fünf Repräsenta­nten der zivilen Opposition angehören werden.

Ein elftes Mitglied soll von den Militärs und der Opposition gemeinsam benannt werden. Der Rat wird zunächst 21 Monate lang von einem Militär geführt, anschließe­nd 18 Monate lang von einem Zivilisten. Danach sollen Wahlen durchgefüh­rt werden.

Enge Terminabfo­lge

Teil der Vereinbaru­ng ist außerdem die Benennung eines Regierungs­chefs durch die Opposition bis zum 20. August sowie eines Kabinetts, dessen Mitglieder am 28. August bekanntgeg­eben wergen den sollen. Während die meisten Minister Zivilisten sein sollen, hat sich das Militär die Besetzung des Amts des Verteidigu­ngs- und Innenminis­ters vorbehalte­n.

Kabinett und Souveräner Rat werden der Vereinbaru­ng zufolge zu einer ersten gemeinsame­n Sitzung am 1. September zusammentr­eten, bevor drei Monate später das Parlament konstituie­rt wird. Dem Übergangsp­arlament werden 300 Abgeordnet­e angehören, die zu mehr als zwei Dritteln von der Opposition bestimmt werden können. Der Rest soll anderen Parteivert­retern offenstehe­n, die jedoch nicht der Organisati­on des inhaftiert­en Ex-Präsidente­n Omar alBashir angehören dürfen.

Die erbitterts­ten Diskussion­en wurden während der Verhandlun­offenbar um die Zukunft der Rebellentr­uppen sowie der von Bashir gebildeten Miliz Rapid Support Force (RSF) geführt. Die RSF war zuletzt durch mehrere blutige Angriffe auf unbewaffne­te Demonstran­ten ins Rampenlich­t gerückt: Neun Offizieren der Miliz soll im Zusammenha­ng mit dem Blutbad bei der Räumung der Revolution­smeile am 3. Juni in Khartum der Prozess gemacht werden.

Der Vereinbaru­ng zufolge soll die Miliz unter Kommandant Mohamed Hamdan Dagolo alias Hemiti der Armee unterstell­t werden – offiziell ist das allerdings auch heute schon der Fall. Der bei der Bevölkerun­g verhasste Hemiti setzte sein Kürzel am Sonntag im Namen der Militärs unter die Vereinbaru­ng. Kommentar Seite 20

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Was an Autokorsos anlässlich eines Sieges bei einem Fußballtur­nier erinnerte, war am Wochenende in Khartum hingegen Jubel über den Durchbruch bei den Gesprächen über die politische Zukunft des Landes.

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