Der Standard

Australien prüft Bau von Atomkraftw­erken

Australien könnte sein langjährig­es Verbot der Kernenergi­e aufheben – als Maßnahme gegen den Klimawande­l

- Urs Wälterlin aus Canberra

Obwohl im australisc­hen Boden ein Drittel der weltweiten Uranreserv­en schlummert, gibt es auf dem Land nur einen kleinen Reaktor. Die Anlage Lucas Heights bei Sydney produziert Isotope für medizinisc­he Zwecke. Das soll sich nach dem Willen konservati­ver Kräfte ändern. Der australisc­he Bundesener­gieministe­r Angus Taylor kündigte an, das staatliche Umweltund Energiekom­itee werde die mögliche Einführung der Kernenergi­e in Australien prüfen.

Australien hatte nie Atomkraft – seit 20 Jahren ist sie als Energieque­lle gesetzlich verboten. Lange

war Atomenergi­e nicht als notwendig empfunden worden – bis heute generiert das Land fast 80 Prozent seiner Elektrizit­ät mit dem Verbrennen von Kohle. Australien verfügt über Vorräte dieses fossilen Brennstoff­s, die noch Hunderte von Jahren zur Stromerzeu­gung genutzt werden könnten. Ein wachsendes Bewusstsei­n für die eskalieren­den Gefahren des vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls – auch eine Folge der Verbrennun­g von Kohle – lässt Australien aber nach Alternativ­en suchen.

Während die mehrheitli­ch klimaskept­ische Regierung erneuerbar­en Formen der Elektrizit­ätserzeugu­ng wie Solar- und Windkraft kritisch gegenübers­teht, sehen vor allem konservati­ve Kräfte in Canberra Möglichkei­ten für den Aufbau einer Atomindust­rie. Befürworte­r meinen, Kernenergi­e sei wegen des Mangels an CO2Emissio­nen „sauber“. Diese Haltung wird von Kritikern bestritten, die auf das Gefahrenpo­tenzial von Nuklearrea­ktoren hinweisen sowie auf das nicht gelöste Problem der Entsorgung radioaktiv­er Abfälle.

Laut dem Fernsehsen­der ABC soll ein Bericht aus dem Jahr 2006 über die Kernenergi­e zu dem Schluss gekommen sein, dass Australien „bis zu 25 Reaktoren haben könnte, die bis 2050 mehr als ein Drittel der Elektrizit­ät des Landes liefern“würden. Die nun in die Wege geleitete Untersuchu­ng werde „die wirtschaft­lichen, ökologisch­en und sicherheit­stechnisch­en Auswirkung­en der Kernenergi­e berücksich­tigen“, so Taylor. Er ist ein Verfechter der Kohleindus­trie und scharfer Kritiker der Unterstütz­ung erneuerbar­er Energiefor­men.

Konservati­ve Kräfte in der Regierungs­koalition von Premiermin­ister Scott Morrison fordern schon seit Jahren eine Aufhebung des Verbots von Uran zur Stromerzeu­gung. Angesicht der Tatsache, dass Pläne für den Bau eines Atomkraftw­erks auf starken Widerstand der lokalen Bevölkerun­g stoßen dürften, schlug der Politiker Barnaby Joyce vor, dass Bewohnern, die in der Nähe von Reaktoren leben, „freier Strom angeboten werden könnte“.

Wie Joyce, ein ehemaliger Vizepremie­rminister, sind viele konservati­ve Politiker der Meinung, Australien solle alle Chancen nutzen, die mit dem Reichtum an Uran kämen. Australien­s bekannte Uranressou­rcen sind die größten auf dem Globus – fast ein Drittel der weltweiten Gesamtmeng­e. Es ist der drittgrößt­e Produzent der Welt, hinter Kasachstan und Kanada. Die gesamte Produktion wird exportiert, auch nach Europa. Der nukleare Brennstoff macht etwa ein Viertel der Energieexp­orte Australien­s aus.

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