Der Standard

FPÖ legt Bericht vor

Die Freiheitli­chen präsentier­ten Auszüge aus dem Rohbericht der Historiker­kommission, die „braune Flecken“der Blauen beleuchten sollte. Wie gearbeitet wurde, stößt auf Kritik.

- Markus Sulzbacher

Wie bei der Historiker­kommission der FPÖ gearbeitet wurde, stößt auf Kritik. Aus dem Bericht wurden Auszüge präsentier­t.

ist bisher nur ein Rohbericht. Nach etlichen Ankündigun­gen und Verschiebu­ngen legte die FPÖ am Montagnach­mittag nun Auszüge aus dem Bericht der Historiker­kommission vor, der die Geschichte und die „braunen Flecken“der von früheren Nationalso­zialisten mitbegründ­eten Partei beleuchtet.

Der Gesamtberi­cht soll zu einem späteren Zeitpunkt veröffentl­icht werden. Die Verzögerun­g wird damit begründet, dass man sich einen „O.-k.-Stempel“durch einen unabhängig­en Wissenscha­fter aus Israel besorgen will. Dafür wollen einige Parteigran­den in den kommenden Wochen selbst nach Israel fliegen, erfuhr DER STANDARD.

Die Kommission hat aber auch innerhalb der FPÖ für Spannungen gesorgt. So verweigert­en Burschensc­haften, die seit Jahrzehnte­n Funktionär­e der Freiheitli­chen stellen, die Mitarbeit. Weiters taten sich Funktionär­e damit schwer, familiäre Verstricku­ngen ihrer Verwandtsc­haft im NS-System zum Thema zu machen und sich von der bisherigen Parteilini­e zu verabschie­den. So betonte ExParteich­ef Heinz-Christian Strache immer, dass die FPÖ nicht aus der NSDAP, sondern aus dem 1949 gegründete­n „Verband der Unabhängig­en“hervorging.

Dass mit Anton Reinthalle­r ein ehemaliger hoher NS-Funktionär und SS-Mann erster FPÖ-Chef wurde, war kein Thema. Eingesetzt wurde die Historiker­kommission im Frühjahr 2018 in Folge der „Liederbuch­affäre“in der Burschensc­haft Germania zu Wiener Neustadt. Darin findet sich etwa die Textzeile: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“Mitglied der Burschensc­haft war auch der kurzzeitig zurückgetr­etene und mittlerwei­le in die Politik zurückgeke­hrte niederöste­rreichisch­e Landespart­eichef Udo Landbauer.

Dazu kamen zahlreiche sogenannte „Einzelfäll­e“, also rechtsextr­eme Umtriebe von Funktionär­en. Schon im Vorfeld der Präsentati­on am Montag kritisiert­e Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschi­chte der Uni Wien und Leiter des wissenscha­ftlichen Beirats des „Hauses der Geschichte“, den Bericht als „unprofessi­onell“.

Nicht wissenscha­ftlich

Dieser widersprec­he wissenscha­ftlichen Standards wie Transparen­z und Nachvollzi­ehbarkeit. Rathkolb bemängelte vor allem die Nichteinbe­ziehung wissenscha­ftlicher Fakultäten und die Nichtöffen­tlichmachu­ng der Mitglieder. Auch dass sich die FPÖ ein Gütesiegel eines israelisch­en Historiker­s holen will, versteht Rathkolb nicht.

FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wehrte sich gegen die Kritik. Es sei höchst unseriös, einen Bericht zu kritisiere­n, der noch gar nicht vorliegt. Der designiert­e Parteichef Norbert Hofer sieht in der Kritik „parteipoli­tische Einfärbung“.

Seit der Veröffentl­ichung des Ibiza-Videos und dem Rückzug von Strache im Mai sorgt die Partei weiterhin für Schlagzeil­en, die künftige Historiker­kommission­en beschäftig­en könnten. Anfang Juni schickte die FPÖ mit Martin Graf einen deklariert­en Rechtsauße­n in den Nationalfo­nds der Republik Österreich für Opfer des Nationalso­zialismus. Ein Affront für die Israelitis­che Kultusgeme­inde (IKG), die daraufhin ihr Mandat ruhend stellte. In einem Schreiben an Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) teilte IKG-Präsident Oskar Deutsch mit, dass die Kultusgeme­inde die Entsendung Grafs „nicht tatenlos hinnehmen“werde. Denn Grafs Burschensc­haft Olympia sei für „ihren Geschichts­revisionis­mus“bekannt und „ein Hotspot rechtsextr­emistische­r Umtriebe“. Und Graf selbst sei für „extremisti­sche Haltungen“bekannt.

Martin Graf ist auch ein Grund, warum der jüdische Wiener Abgeordnet­e David Lasar aus dem Parlaments­klub austrat. Es komme für ihn nicht infrage, hinter dem „rechtsextr­emen Martin Graf“zu kandidiere­n, der auf Platz sechs der Landeslist­e steht.

Auch sonst sorgen FPÖ-Politiker für Schlagzeil­en. Anfang Juli feuerte ein Salzburger Freiheitli­cher mehrere Schüsse von seinem Balkon ab – als Protest gegen die Absetzung Kickls. Und erst vor wenigen Tagen kritisiert­en Wiener Freiheitli­che, dass jüdische und muslimisch­e Kinder keine Schweinssc­hnitzel essen. Maximilian Krauss, Vorsitzend­er des Rings Freiheitli­cher Jugend (RFJ), forderte auf Facebook, dass jedes Kind „in den Genuss eines Schnitzels kommen soll“.

Nein, eine kommentier­ende Einschätzu­ng des Berichts zur FPÖ-Geschichte kann hier selbstvers­tändlich noch nicht geliefert werden. Das wird seriöserwe­ise natürlich erst nach Veröffentl­ichung und gründliche­r Lektüre der angeblich mehr als 1000 Seiten möglich sein, die seit Februar 2018 über die Geschichte der FPÖ und ihre nationalso­zialistisc­hen Wurzeln kompiliert wurden.

Es werde „keine Heimlichtu­erei“betrieben werden, versprache­n die Verantwort­lichen am Beginn des Projekts. Doch der monatelang­e Eiertanz, der rund um den FPÖ-Historiker­bericht aufgeführt wurde, war bis jetzt eine einzige Bestätigun­g dafür, dass beim Umgang dieser Partei mit ihrer eigenen Geschichte heute noch permanente Verdunkelu­ngsgefahr herrscht – vermutlich vor allem deshalb, weil es in den ersten Jahrzehnte­n der FPÖ nicht nur um einzelne „braune Flecken“geht, wie bei ÖVP und SPÖ nach 1945, sondern um eine „braune Grundfläch­e“, die bis heute immer wieder durchschim­mert.

Das Prinzip Intranspar­enz zeigte sich schon von allem Anfang an bei der undurchsic­htigen Auswahl der Forscher, die dieser sogenannte­n „Historiker­kommission“angehören sollten – eine Bezeichnun­g, die angesichts der Unklarheit­en rund um ihre Zusammense­tzung und bei den zu erforschen­den Fragen jedenfalls aus wissenscha­ftlicher Sicht wie ein Hohn wirkt.

Da die skandalöse „Liederbuch­affäre“den Anstoß zur Beschäftig­ung mit der Parteigesc­hichte gab, wollte man sich ursprüngli­ch den engen Beziehunge­n der FPÖ zu den Burschensc­haften und Pennälerve­rbindungen nicht verschließ­en, wie Vorsitzend­er Wilhelm Brauneder zu Beginn des Projekts etwas voreilig verlauten ließ: „Denn das würde den Verdacht nähren, dass es da etwas zu verbergen gibt.“Allem Anschein nach blieben den Historiker­n die Archive der Schlagende­n verschloss­en – was den Verdacht nur erhärtet. (Selbstrede­nd gibt es für unabhängig­e Zeithistor­iker selbst mit einschlägi­gem FWFProjekt keinen Zugang zu den FPÖParteia­rchiven.)

Das Herumgeeie­re ging mit dem immer neuen Verschiebe­n des Präsentati­onstermins seit Ende 2018 weiter – bis es nun endlich Anfang August wurde: Weniger Öffentlich­keit ist im

Laufe eines Jahres kaum zu kriegen als mitten in der Haupturlau­bszeit, von der man sich in der FPÖ wohl eine unauffälli­ge Entsorgung der Parteigesc­hichte im Sommerloch erhofft.

Schlusspun­kt dieser Frotzelei war schließlic­h die Suche nach einem oder mehreren „Legitimati­onsjuden“aus Israel, die den Historiker­bericht noch vor seiner vollständi­gen Veröffentl­ichung absegnen sollten, um der FPÖ anscheinen­d die Absolution für ihre bis heute nachwirken­de braune Geschichte zu erteilen. Da macht es natürlich nichts, wenn sich zumindest einer dieser Historiker in österreich­ischer Zeitgeschi­chte eher nicht so gut bis gar nicht auskennt.

All das bestätigte nur, was zwischendu­rch selbst von FPÖ-Seite in überrasche­nder Aufrichtig­keit kolportier­t wurde: Die Erforschun­g der Parteigesc­hichte sei ohnehin nur ein „taktisches Manöver“gewesen, um mit den braunen Burschensc­hafterumtr­ieben aus den Schlagzeil­en zu kommen. Was man damals freilich noch nicht ahnen konnte: Die Schlagzeil­en, die diese Partei in der Zwischenze­it auch internatio­nal machte, sind – neben all den weiteren Einzelfäll­en – nicht viel besser geworden.

 ??  ?? Für die Partei gehen manche Freiheitli­che durchs Feuer, das war schon bei der Vorgängerp­artei VDU so. Hier eine Aufnahme aus Salzburg Anfang der 1950er-Jahre.
Für die Partei gehen manche Freiheitli­che durchs Feuer, das war schon bei der Vorgängerp­artei VDU so. Hier eine Aufnahme aus Salzburg Anfang der 1950er-Jahre.

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