FPÖ legt Bericht vor
Die Freiheitlichen präsentierten Auszüge aus dem Rohbericht der Historikerkommission, die „braune Flecken“der Blauen beleuchten sollte. Wie gearbeitet wurde, stößt auf Kritik.
Wie bei der Historikerkommission der FPÖ gearbeitet wurde, stößt auf Kritik. Aus dem Bericht wurden Auszüge präsentiert.
ist bisher nur ein Rohbericht. Nach etlichen Ankündigungen und Verschiebungen legte die FPÖ am Montagnachmittag nun Auszüge aus dem Bericht der Historikerkommission vor, der die Geschichte und die „braunen Flecken“der von früheren Nationalsozialisten mitbegründeten Partei beleuchtet.
Der Gesamtbericht soll zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden. Die Verzögerung wird damit begründet, dass man sich einen „O.-k.-Stempel“durch einen unabhängigen Wissenschafter aus Israel besorgen will. Dafür wollen einige Parteigranden in den kommenden Wochen selbst nach Israel fliegen, erfuhr DER STANDARD.
Die Kommission hat aber auch innerhalb der FPÖ für Spannungen gesorgt. So verweigerten Burschenschaften, die seit Jahrzehnten Funktionäre der Freiheitlichen stellen, die Mitarbeit. Weiters taten sich Funktionäre damit schwer, familiäre Verstrickungen ihrer Verwandtschaft im NS-System zum Thema zu machen und sich von der bisherigen Parteilinie zu verabschieden. So betonte ExParteichef Heinz-Christian Strache immer, dass die FPÖ nicht aus der NSDAP, sondern aus dem 1949 gegründeten „Verband der Unabhängigen“hervorging.
Dass mit Anton Reinthaller ein ehemaliger hoher NS-Funktionär und SS-Mann erster FPÖ-Chef wurde, war kein Thema. Eingesetzt wurde die Historikerkommission im Frühjahr 2018 in Folge der „Liederbuchaffäre“in der Burschenschaft Germania zu Wiener Neustadt. Darin findet sich etwa die Textzeile: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million.“Mitglied der Burschenschaft war auch der kurzzeitig zurückgetretene und mittlerweile in die Politik zurückgekehrte niederösterreichische Landesparteichef Udo Landbauer.
Dazu kamen zahlreiche sogenannte „Einzelfälle“, also rechtsextreme Umtriebe von Funktionären. Schon im Vorfeld der Präsentation am Montag kritisierte Oliver Rathkolb, Vorstand des Instituts für Zeitgeschichte der Uni Wien und Leiter des wissenschaftlichen Beirats des „Hauses der Geschichte“, den Bericht als „unprofessionell“.
Nicht wissenschaftlich
Dieser widerspreche wissenschaftlichen Standards wie Transparenz und Nachvollziehbarkeit. Rathkolb bemängelte vor allem die Nichteinbeziehung wissenschaftlicher Fakultäten und die Nichtöffentlichmachung der Mitglieder. Auch dass sich die FPÖ ein Gütesiegel eines israelischen Historikers holen will, versteht Rathkolb nicht.
FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl wehrte sich gegen die Kritik. Es sei höchst unseriös, einen Bericht zu kritisieren, der noch gar nicht vorliegt. Der designierte Parteichef Norbert Hofer sieht in der Kritik „parteipolitische Einfärbung“.
Seit der Veröffentlichung des Ibiza-Videos und dem Rückzug von Strache im Mai sorgt die Partei weiterhin für Schlagzeilen, die künftige Historikerkommissionen beschäftigen könnten. Anfang Juni schickte die FPÖ mit Martin Graf einen deklarierten Rechtsaußen in den Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus. Ein Affront für die Israelitische Kultusgemeinde (IKG), die daraufhin ihr Mandat ruhend stellte. In einem Schreiben an Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) teilte IKG-Präsident Oskar Deutsch mit, dass die Kultusgemeinde die Entsendung Grafs „nicht tatenlos hinnehmen“werde. Denn Grafs Burschenschaft Olympia sei für „ihren Geschichtsrevisionismus“bekannt und „ein Hotspot rechtsextremistischer Umtriebe“. Und Graf selbst sei für „extremistische Haltungen“bekannt.
Martin Graf ist auch ein Grund, warum der jüdische Wiener Abgeordnete David Lasar aus dem Parlamentsklub austrat. Es komme für ihn nicht infrage, hinter dem „rechtsextremen Martin Graf“zu kandidieren, der auf Platz sechs der Landesliste steht.
Auch sonst sorgen FPÖ-Politiker für Schlagzeilen. Anfang Juli feuerte ein Salzburger Freiheitlicher mehrere Schüsse von seinem Balkon ab – als Protest gegen die Absetzung Kickls. Und erst vor wenigen Tagen kritisierten Wiener Freiheitliche, dass jüdische und muslimische Kinder keine Schweinsschnitzel essen. Maximilian Krauss, Vorsitzender des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ), forderte auf Facebook, dass jedes Kind „in den Genuss eines Schnitzels kommen soll“.
Nein, eine kommentierende Einschätzung des Berichts zur FPÖ-Geschichte kann hier selbstverständlich noch nicht geliefert werden. Das wird seriöserweise natürlich erst nach Veröffentlichung und gründlicher Lektüre der angeblich mehr als 1000 Seiten möglich sein, die seit Februar 2018 über die Geschichte der FPÖ und ihre nationalsozialistischen Wurzeln kompiliert wurden.
Es werde „keine Heimlichtuerei“betrieben werden, versprachen die Verantwortlichen am Beginn des Projekts. Doch der monatelange Eiertanz, der rund um den FPÖ-Historikerbericht aufgeführt wurde, war bis jetzt eine einzige Bestätigung dafür, dass beim Umgang dieser Partei mit ihrer eigenen Geschichte heute noch permanente Verdunkelungsgefahr herrscht – vermutlich vor allem deshalb, weil es in den ersten Jahrzehnten der FPÖ nicht nur um einzelne „braune Flecken“geht, wie bei ÖVP und SPÖ nach 1945, sondern um eine „braune Grundfläche“, die bis heute immer wieder durchschimmert.
Das Prinzip Intransparenz zeigte sich schon von allem Anfang an bei der undurchsichtigen Auswahl der Forscher, die dieser sogenannten „Historikerkommission“angehören sollten – eine Bezeichnung, die angesichts der Unklarheiten rund um ihre Zusammensetzung und bei den zu erforschenden Fragen jedenfalls aus wissenschaftlicher Sicht wie ein Hohn wirkt.
Da die skandalöse „Liederbuchaffäre“den Anstoß zur Beschäftigung mit der Parteigeschichte gab, wollte man sich ursprünglich den engen Beziehungen der FPÖ zu den Burschenschaften und Pennälerverbindungen nicht verschließen, wie Vorsitzender Wilhelm Brauneder zu Beginn des Projekts etwas voreilig verlauten ließ: „Denn das würde den Verdacht nähren, dass es da etwas zu verbergen gibt.“Allem Anschein nach blieben den Historikern die Archive der Schlagenden verschlossen – was den Verdacht nur erhärtet. (Selbstredend gibt es für unabhängige Zeithistoriker selbst mit einschlägigem FWFProjekt keinen Zugang zu den FPÖParteiarchiven.)
Das Herumgeeiere ging mit dem immer neuen Verschieben des Präsentationstermins seit Ende 2018 weiter – bis es nun endlich Anfang August wurde: Weniger Öffentlichkeit ist im
Laufe eines Jahres kaum zu kriegen als mitten in der Haupturlaubszeit, von der man sich in der FPÖ wohl eine unauffällige Entsorgung der Parteigeschichte im Sommerloch erhofft.
Schlusspunkt dieser Frotzelei war schließlich die Suche nach einem oder mehreren „Legitimationsjuden“aus Israel, die den Historikerbericht noch vor seiner vollständigen Veröffentlichung absegnen sollten, um der FPÖ anscheinend die Absolution für ihre bis heute nachwirkende braune Geschichte zu erteilen. Da macht es natürlich nichts, wenn sich zumindest einer dieser Historiker in österreichischer Zeitgeschichte eher nicht so gut bis gar nicht auskennt.
All das bestätigte nur, was zwischendurch selbst von FPÖ-Seite in überraschender Aufrichtigkeit kolportiert wurde: Die Erforschung der Parteigeschichte sei ohnehin nur ein „taktisches Manöver“gewesen, um mit den braunen Burschenschafterumtrieben aus den Schlagzeilen zu kommen. Was man damals freilich noch nicht ahnen konnte: Die Schlagzeilen, die diese Partei in der Zwischenzeit auch international machte, sind – neben all den weiteren Einzelfällen – nicht viel besser geworden.