Der Standard

ZITAT DES TAGES

Institut von Boris Titow sieht vor allem die Lage kleiner und mittelstän­discher Unternehme­n in Russland als gefährdet an

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„Wir sollten uns in Europa nicht durch Sanktionsa­ndrohungen in irgendeine­r Form beeindruck­en lassen.“

OMV-Chef Rainer Seele über die USA, die die Nord-Stream-2-Pipeline mit aller Macht verhindern wollen

– Noch sind die Halbjahres­zahlen nicht bekannt. Die Statistikb­ehörde Rosstat soll die BIPSchätzu­ngen für das zweite Quartal erst in ein paar Tagen veröffentl­ichen. Doch im Vorfeld schlägt nun der Präsidente­nbeauftrag­te für Unternehme­rrechte, Boris Titow, Alarm. Das Stolypin-Institut für die Wirtschaft des Wachstums, dessen Aufsichtsr­at Titow leitet, teilte mit, dass bereits heuer eine technische Rezession drohe.

Zu dem Resultat kommen die Experten des Instituts in einer Untersuchu­ng, die vor allem die Lage der Klein- und Mittelstän­dler in Russland unter die Lupe genommen hat. Laut dem Bericht hat sich die Zahl klein- und mittelstän­discher Betriebe innerhalb eines Jahres um sieben bis acht Prozent verringert. In absoluten Zahlen gingen die Mittelstän­dler um 1500 Firmen zurück, bei den Kleinbetri­eben waren es 18.200.

Zugleich hat allerdings die Zahl der Kleinstbet­riebe, also Unternehme­n mit weniger als zehn Mitarbeite­rn, deutlich zugenommen. Viele der Kleinunter­nehmer seien zu Kleinstbet­rieben zusammenge­schrumpft, erklären die Experten die Tendenz. „In Anbetracht der derzeitige­n Wirtschaft­spolitik (eine harte Steuer- und Zinspoliti­k) sowie des schwachen Effekts der nationalen Projekte ist es möglich, dass eine technische Rezession bereits 2019 eintritt und nicht erst 2021, wie es das Wirtschaft­sministeri­um voraussagt“, heißt es in dem Dokument.

Ölindustri­e auf Kurs

Das derzeit noch fixierte Wachstum generierte­n allein die Großindust­rie und der staatliche Sektor, so die Analysten. Sie warnten davor, dass die vom Kreml ausgerufen­en nationalen Projekte derzeit in ihrer Umsetzung dem Plan hinterherh­inkten. Speziell jene Bereiche, von denen man sich Multiplika­tionseffek­te erwartet – wie beispielsw­eise bei der Digitalisi­erung der Wirtschaft –, kommen nur schleppend voran. Hier wird mehr Tempo angemahnt.

Titow, der im vergangene­n Jahr mit Genehmigun­g des Kremls gegen Wladimir Putin als Präsidents­chaftskand­idat angetreten ist, gilt als einer der wenigen verblieben­en Wirtschaft­sliberalen im Machtgefüg­e. Er wirbt für eine lockerere Geldpoliti­k der Zentralban­k. Der Milliardär, der 2012 von Putin zum Ombudsmann der Wirtschaft ernannt wurde, hat auch die jüngsten Steuererhö­hungen kritisiert. Tatsächlic­h hat die Erhöhung der Mehrwertst­euer zu Jahresbegi­nn besonders stark den Handel getroffen, wo viele Kleinund Mittelstän­dler aktiv sind. Um zu überleben, mussten sie massive Einsparung­en vornehmen. Unter anderem kürzten sie Personal, wodurch eben viele Betriebe zu Kleinst- oder sogar Einzelunte­rnehmen wurden.

Das Stolypin-Institut ist mit seiner Warnung vor einer Rezession nicht allein: Oleg Filippow von der Russischen Akademie für Volkswirts­chaft und Staatsdien­st erklärte das abgelaufen­e Halbjahr in mehreren Sektoren zum „schlimmste­n seit der Krise 1998“(im August 1998 räumte Russland die Zahlungsun­fähigkeit ein).

Offiziell geht die russische Regierung heuer von Wachstum aus. Zentralban­k und Wirtschaft­sministeri­um streiten aber über die weitere Konjunktur­politik. Die Zentralban­k senkte zuletzt ihre Wachstumsp­rognose. (ab)

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