Der Standard

Was einen Angriff zur Massenschi­eßerei macht

Der Begriff „Massenschi­eßerei“ist unklar definiert – Ein Deutungsve­rsuch

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In den Achtzigerj­ahren legten Beamte des US-amerikanis­chen FBI eine Definition von Massenmord fest. Dieser zufolge sei ein Massenmörd­er eine Person, die – sich selbst nicht eingerechn­et – vier oder mehr Menschen auf einmal töte, und das üblicherwe­ise am selben Ort. Diese Deutung wird heute meist herangezog­en, um Massenschi­eßereien zu definieren, denn obwohl sich Gewaltverb­rechen dieser Art in den USA stark häufen, gibt es dafür bis heute keine eigene offizielle Einordnung­smethode.

Unklares Zahlenmate­rial

Da eine klare behördlich­e Definition fehlt, wenden Medien, Behörden und Forschungs­einrichtun­gen teils verschiede­ne Kriterien an, um festzustel­len, ob es sich bei einem Verbrechen um eine Massenschi­eßerei handelt. Das führt zu Unterschie­den und Unschärfen in Statistike­n und Berichten zum Thema. So zählte das FBI im Jahr 2018 27 Massenschi­eßereien auf US-amerikanis­chem Boden, das Magazin Mother Jones zwölf und das amerikanis­che Gun Violence Archive ganze 340. Weiters wird die Lage dadurch verkompliz­iert, dass sich in den einzelnen Behörden auch Begrifflic­hkeiten und Einordnung­smechanism­en deutlich unterschei­den.

So spricht etwa das FBI offiziell nicht von Massenschi­eßereien, sondern von „active shooter incidents“. Gewaltverb­rechen, die in Zusammenha­ng mit Drogen, Gang-Konflikten und Unfällen stehen, werden in diese Erhebungen nicht miteinbere­chnet. Ähnlich verfährt das Magazin Mother Jones, das sich auf die FBIDefinit­ion zum Massenmord stützt, jedoch bewaffnete Überfälle, Gang-Konflikte und häusliche Gewalt nicht in seine Datenbank von Massenschi­eßereien aufnimmt, auch wenn sie die sonstigen Kriterien der Definition erfüllen.

Blick auf die Gesamtsitu­ation

Die Berichte der meisten US-amerikanis­chen und internatio­nalen Medien beruhen auf der FBI-Definition von Massenmord. Diese ist jedoch umstritten, da dieser zufolge Schießerei­en mit weniger als vier Toten, aber vielen Verletzten nicht als Massenschi­eßereien gelten. Das Gun Violence Archive, das Daten zu Waffengewa­lt in den USA sammelt, verwendet darum eine modifizier­te Variante der FBI-Definition. Es kategorisi­ert Gewaltverb­rechen als Massenschi­eßereien, wenn dabei vier oder mehr Menschen verletzt oder getötet werden. Dabei wird jedoch nicht nach Motiv oder Kontext unterschie­den. Die Vorfälle rein nach der Anzahl von Verletzten und Todesopfer­n zu erheben soll einen unverfälsc­hteren Blick auf die Gesamtsitu­ation zulassen als die Einteilung in Subkategor­ien. DER STANDARD greift auf diese Definition zurück.

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