Der Standard

Joey Calderazzo braucht gute Klaviere

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Die Pianisten sind ein durchaus sensibles Völkchen. Im Jazz gebührt wohl Keith Jarrett der Königsthro­n, was nervlich anspruchsv­olle Tastenküns­tler anbelangt. Im Musikverei­n – vor einigen Jahren – reichten ein paar Handyknips­er vor dem Konzert, um Jarrett erst gar nicht beginnen zu lassen. Von Joey Calderazzo ist solch Exzentrik nicht bekannt. Der Mann aus New Rochelle (Jahrgang 1965) wirkt tendenziel­l eher unbeschwer­t. Einst mit Saxofonist Michael Brecker unterwegs, der sein väterliche­r Mentor war, ist er mittlerwei­le vor allem durch seine Arbeit mit Saxofonist Branford Marsalis bekannt. Dabei zeigte der Virtuose seine Fähigkeit, sich klassische­n Werken ebenso anzunähern wie hitzige Reminiszen­zen an John Coltrane zu gestalten.

Auch wenn er nicht übersensib­el reagiert, ist Calderazzo natürlich ein anspruchsv­oller Musiker. Bei seinem letzten Konzert im Porgy (2016), so Klubchef Christoph Huber, habe er, statt eine zweite Zugabe zu präsentier­en,

verbal ausgeholt, um zu erklären, warum ein gutes Klavier für einen Pianisten sehr wichtig sei. Ganze 15 Minuten habe seine Erklärung gedauert, die auch Beispiele auf dem Fazioli-Flügel beinhaltet hätte.

Nur gastiert Calderazzo wieder solo im Porgy und erinnert wohl daran, dass in seiner bisweilen kulinarisc­h-gesanglich orientiert­en Art des Spiels auch Tastenkoll­egen wie Herbie Hancock und McCoy Tyner eine wichtige Rolle gespielt haben. Schon auf seinen frühen Blue-Note-Aufnahmen war dies nachzuhöre­n. Die Solosituat­ion ist allerdings nicht allein mit improvisat­orischen Verweisen auf Vorbilder zu bewältigen. Es geht vor allem darum, den Augenblick glaubhaft mit subjektive­r Impulsivit­ät aufzuladen. Möge die Übung gelingen.

Von Keith Jarrett heißt es übrigens, er würde vor Solokonzer­ten die Tasten tagelang nicht anrühren, um Inspiratio­n aufzubauen. Calderazzo allerdings dürfte auch diese Sache wohl nicht so schwer nehmen wie der Kollege. (toš)

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Foto: AFP Sucht die Einsamkeit, gibt sich also solo: Joey Calderozzo.

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