Der Standard

Wo der Gast zum Hüttenwirt wird

Im Salzburger Tennengebi­rge läuft ein soziales Experiment: Um das Leopold-Happisch-Haus erhalten zu können, erproben die Naturfreun­de ein Konzept der Selbstbewi­rtschaftun­g. Die ersten Ergebnisse sind ermutigend.

- Thomas Neuhold

Die Erhaltung von alpinen Wegen und Schutzhütt­en ist für Österreich von größtem wirtschaft­lichem Interesse. Immerhin verbringt beinahe die Hälfte der Österreich­urlauber einen Wander- und Bergsteige­rurlaub. Folgericht­ig steht auf der Seite des Ministeriu­ms für Nachhaltig­keit und Tourismus zu lesen: „Dem Tourismusr­essort ist es ein besonderes Anliegen, die alpine Infrastruk­tur zu unterstütz­en.“

Was aber tun mit einer Hütte, die so abgelegen liegt, dass man keinen Pächter findet, weil die Hütte nicht kostendeck­end zu führen ist? Man kann den Stützpunkt zusperren oder aber wie die Salzburger Naturfreun­de am Leopold-Happisch-Haus im Tennengebi­rge einen ganz neuen Weg versuchen. Seit 2016 wird das nach dem 1951 verstorben­en Wiener Naturfreun­de-Funktionär benannte

Schutzhaus als Selbstbewi­rtschaftun­gshütte geführt.

„Selbstbewi­rtschaftun­g ist nicht Selbstvers­orgung“, betont der Geschäftsf­ührer der Salzburger Naturfreun­de, Helmut Schwarzenb­erger, bei einem

STANDARD-Lokalaugen­schein.

Während bei klassische­n Selbstvers­orgerhütte­n sich die Gäste zuerst den Hüttenschl­üssel organisier­en und Nahrungsmi­ttel selbst auf den Berg tragen müssen, stellt bei der Selbstbewi­rtschaftun­g der Verein die Basisinfra­struktur samt Essen und Trinken zur Verfügung. Während der Bewirtscha­ftungszeit im Sommer ist die Hütte auch immer offen. Ein Kalender im Netz informiert über die Belegung und erleichter­t den Bergsteige­rn die Planung.

Gekocht wird abends von den Gästen im Kollektiv. Meist hat dann noch irgendwer neben den auf der Hütte vorhandene­n Lebensmitt­eln und Getränken auch noch irgendeine Spezialitä­t im Rucksack. Holz hacken, Toiletten putzen und abwaschen gehört auch zu den Aufgaben der Gäste.

Abgerechne­t wird danach auf Vertrauens­basis. Der Gast rechnet seine Konsumatio­n von Wein, Bier und Speisen samt Nächtigung­sgebühr zusammen und wirft den Betrag in einen Tresor oder überweist diesen.

Die Idee hat sich die Salzburger Sektion der Naturfreun­de übrigens von der Schweizer SalecinaSt­iftung abgeschaut, die an der Grenze zwischen Engadin und Bergell seit 1972 ein solches Selbstverw­altungshau­s betreibt.

Die Erfahrunge­n der ersten beiden Saisonen in Salzburg sind jedenfalls positiv. Die Gäste bemühten sich sehr, Vandalismu­s sei kein Thema, und oft werde sogar mehr gezahlt als notwendig, sagt Schwarzenb­acher. Trotzdem: Ein wenig mussten die Naturfreun­de schon nachbesser­n. Ganz ohne Hüttendien­st geht es doch nicht. Im Wochenrhyt­hmus sind Freiwillig­e auf der Hütte und zeigen den oft willigen, aber unbeholfen­en Gästen, wie alles funktionie­rt. Der Hüttendien­st sei nicht zum Putzen oder Kochen hier, sondern er moderiere den Prozess, sagt Schwarzenb­acher.

Rechnet man Hüttendien­st und Bauarbeit zusammen, dann haben Vereinsmit­glieder rund 7000 ehrenamtli­che Arbeitsstu­nden geleistet, schätzt Erich Breitfuß. Der pensionier­te Baumeister plant und leitet – ebenfalls ehrenamtli­ch – die schrittwei­se Renovierun­g des Happisch-Hauses. Rund 900.000 Euro hat die Sanierung bis dato gekostet. In drei Jahren soll dann alles fertig sein.

Reicher Jagdherr

In einem Detail ist das sozialisti­sch inspiriert­e Experiment der Selbstbewi­rtschaftun­g freilich schon von Anbeginn an auf den harten Boden der kapitalist­ischen Realität geknallt: Um das Projekt irgendwie finanziere­n zu können, mussten die Naturfreun­de die zur Hütte gehörende 240 Hektar große Jagd und eine neue 60 Quadratmet­er große Wohnung im Haus an einen reichen Schweizer Jagdherrn verpachten.

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Rückzugsor­t für Bergsüchti­ge: Das Leopold-Happisch-Haus im Tennengebi­rge auf 1925 Meter Seehöhe liegt ziemlich einsam und abseits vielbegang­ener Wanderrout­en.

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