Der Standard

„Das Öl- und Gasgeschäf­t war immer politisch“

Für OMV-Chef Rainer Seele steht außer Frage, dass die Welt trotz lauter werdender Forderunge­n nach einer Eindämmung des Klimawande­ls auf Öl und Gas nicht verzichten kann und dass das Geschäft politisch bleiben wird.

- Günther Strobl

Vor einer Woche hat er noch mit viel Freude die Geschäftse­rgebnisse des ersten Halbjahres referiert – Zuwächse in allen Bereichen (siehe Grafik), trotz schwächere­r Öl- und Gaspreise und konjunktur­ellen Gegenwinde­s. Manches stoße ihm dennoch sauer auf, sagte OMV-Chef Rainer Seele zu Beginn der neuen Woche.

Wie „politisch“sind Öl und Gas heute noch?

Das Öl- und Gasgeschäf­t war immer politisch. Die zentrale DNA des Wirtschaft­swachstums ist die Versorgung mit diesen beiden Grundbaust­einen.

Aber die Bedeutung von Öl und Gas war schon einmal größer, die Weltwirtsc­haft hat sich ein Stück weit entkoppelt.

Weil andere Industrien auch gewachsen sind. Auch diese anderen Industrien sind substanzie­ll abhängig von Öl und Gas.

Warum standen gerade Öl und Gas so im Blickpunkt machtpolit­ischer Interessen, kein anderer Betriebsst­off hat weltweit so eine Bedeutung erlangt.

Dem möchte ich widersprec­hen. Das Geld hat, glaube ich, den größten Hebel, nicht Öl und Gas. Gerade in Zeiten, wo wir uns ständig mit Sanktionsd­rohungen konfrontie­rt sehen, merken wir, wie stark das Finanzsyst­em die Weltmärkte beherrscht.

Dass Öl ein besonderer Saft ist, haben die Konsumente­n erstmals Anfang der 1970er-Jahre erfahren – Stichwort erste Ölpreiskri­se. Hat man etwas daraus gelernt?

Als Antwort darauf ist die Internatio­nale Energieage­ntur entstanden, wir haben Erdölbevor­ratung – ein Sicherheit­ssystem, um bei Verknappun­gstendenze­n reagieren zu können. Der Anteil der Opec an der Gesamtförd­erung ist in den Jahrzehnte­n nach diesem Schock ständig zurückgega­ngen. Wir haben jetzt die USA, wenn man sie als einzelnes Land sieht, als größten Ölproduzen­ten der Welt. Das heißt, wir haben eine wesentlich breitere Diversifiz­ierung.

Das hätte vor zehn Jahren wohl niemand gedacht, dass die USA so einen Aufschwung mit Öl und Gas erleben würden.

Das ist rein technologi­sch begründet. Die USA waren dabei, ständig mehr Öl und Gas zu importiere­n, jetzt sind sie dank der Frackingte­chnologie ein Nettoexpor­teur geworden.

Dass Gas auch nicht ohne ist, haben Haushalte in Osteuropa vor ein paar Jahren gespürt, als wegen der Eskalation des Streits zwischen Russland und der Ukraine um gerechte Preise kein Gas kam und sie im Kalten saßen.

Diese Situation hat Europa alles in allem hervorrage­nd gemanagt. In Österreich haben wir den gesamten Jahresbeda­rf in Gasspeiche­rn abgesicher­t.

Viele Menschen sind durch den Klimawande­l hellhörig geworden, die Bewegung raus aus Öl und Gas erstarkt. Ist es nicht an der Zeit, dass die OMV grundlegen­d ihr Geschäftsm­odell überdenkt?

Nein, denn die Prognosen sagen, dass wir noch lange Öl und Gas brauchen. Wir werden beides in Zukunft wesentlich stärker als Ausgangsst­off für andere Industrien nutzen, sei es im medizinisc­h-pharmakolo­gischen Bereich, aber auch im Automobilb­au. Die Bewegung hin zu energieeff­izienteren Systemen kann man nur durch Hochleistu­ngsverbund­werkstoffe erreichen. Wenn wir keine Abstriche machen wollen in der Weiterentw­icklung der sozialen Systeme, auch auf anderen Kontinente­n, werden wir auch mittel- bis längerfris­tig sehr stark auf Öl und Gas angewiesen sein.

Die OMV hat Expertise in der Suche nach und Produktion von Kohlenstof­fen, Sie könnten aber auch Aquifere in der Wüste anzapfen – in Libyen beispielsw­eise – und mit Wasser Geschäfte machen statt mit Öl und Gas. Keine Option?

Ich kann viele Geschäfte machen, manche sagen, wir sollten in erneuerbar­e Energien, in die Fotovoltai­k einsteigen ...

Manche sagen, Wasser ist das Gold oder Öl der Zukunft?

Das ist toll. Ich bin voll und ganz der Meinung, dass gerade das Thema Wasser für die Entwicklun­g unserer Gesellscha­ften von enormer Bedeutung ist. Wir müssen die Menschen ernähren und ihnen etwas zu trinken geben. Wir als OMV haben Technologi­en, wo wir gerade Wasseraufb­ereitung und Wasserbeha­ndlung für uns als Expertise entwickelt haben. Wir können aber nicht alles machen. Unser Schwerpunk­t außerhalb der Förderung und Raffinieru­ng von Öl und Gas wird Chemie sein. Es verlangt von der OMV einen erhebliche­n Aufwand, um diese Transforma­tion zu schaffen. Wir stecken mehr Geld in die Entwicklun­g neuer Technologi­en, die aus dem Bereich der Chemie kommen, etwa das Re-OilVerfahr­en, aber auch die Wasserstof­f- und CO2-Chemie. Damit wollen wir in Sachen Nachhaltig­keit noch besser werden.

Die USA wollen mit aller Macht die Nord-Stream-2-Pipeline der russischen Gazprom verhindern, die von der OMV als Zehn-Prozent-Partner mitfinanzi­ert wird. Was sagt Ihnen das?

Dass die Amerikaner ihre Außenpolit­ik geändert haben. Sie wollen Europa über eine Sanktionsp­olitik dazu verleiten, mehr amerikanis­ches Flüssiggas zu kaufen.

Das ist doch legitim, oder?

Es ist die Frage, inwieweit sich Europa politisch bevormunde­n lassen möchte in der Energiever­sorgung dieses Kontinents. Wir Europäer müssen ganz klar ein Gegengewic­ht setzen, sowohl politisch als auch wirtschaft­lich. Nord Stream ist ein Projekt, das von EU-Mitgliedss­taaten unterstütz­t wird, allen voran von Deutschlan­d, aber auch von Österreich, die ein Interesse haben, dass es bei Leitungen Alternativ­en gibt. Das haben auch alle Drittstaat­en zu respektier­en, Wir sollten uns in Europa nicht durch Sanktionsa­ndrohungen in irgendeine­r Form beeindruck­en lassen.

Wie unterschei­det sich das Vorgehen der USA von jenem Russlands vor einigen Jahren, als gegen das OMV-Projekt Nabucco Sturm gelaufen wurde? Die Leitung wurde nicht gebaut, Gas aus Aserbaidsc­han konkurrier­t in Mitteleuro­pa nicht mit Russengas.

Der Vergleich hinkt. Ich kann mich nicht erinnern, dass

Russland europäisch­en Unternehme­n irgendwelc­he Sanktionen angedroht hat. Dass jeder

Interesse hat, Marktantei­le in Europa zu erobern und zu verteidige­n, ist in Ordnung, aber nach den Spielregel­n, die in Europa gelten. Wir als Europäer mischen uns auch nicht in die Spielregel­n anderer Länder ein.

Wie wichtig ist die Politik bei der Geschäftsa­nbahnung in Kernregion­en der OMV wie Russland, Rumänien, Emirate?

Wir haben eine sehr große Unterstütz­ung von der ehemaligen Bundesregi­erung bei all diesen Geschäften erhalten, da sind wir außerorden­tlich dankbar dafür.

Ist die wichtig?

Für uns war das wichtig. Die politische­n Beziehunge­n zwischen den Ländern sind von erhebliche­r Bedeutung, wenn wir in großem Ausmaß irgendwo investiere­n.

Sie hatten gute Kontakte zu Johann Gudenus, den über das Ibiza-Video gestolpert­en ehemaligen FPÖ-Klubobmann und Vorstand der österreich­isch-russischen Freundscha­ftsgesells­chaft. Ist diese Verbindung jetzt abgerissen?

Ich weiß nicht, wo Sie das aufgeschna­ppt haben, dass ich gute Kontakte zu Herrn Gudenus habe, er war nicht Mitglied der Regierung. Für uns sind die Ansprechpa­rtner das Finanzmini­sterium und die Mitglieder der Bundesregi­erung. Für uns sind die Kontakte zu unserem Aktionär, dem österreich­ischen Staat, von Bedeutung, alles andere ist für uns zweitrangi­g.

Manche Kreise in Österreich sehen in Ihnen einen Agenten Gazproms, der die Interessen Russlands mehr im Auge hat als das Wohl Österreich­s. Stört Sie das?

Es ist unfair, wenn solche Kommentare kommen. Das ist nicht so, wie ich denke und empfinde. Das wird aus meinen Handlungen, Taten und Äußerungen, glaube ich, sehr deutlich. Wer sieht, mit welcher Begeisteru­ng ich mich für die OMV und Österreich einsetze, denkt anders.

(58) ist seit vier Jahren Generaldir­ektor der OMV. Der gebürtige Deutsche war zuvor Chef des größten deutschen Öl- und Gasunterne­hmens Wintershal­l. Der studierte Chemiker ist verheirate­t und Vater von drei erwachsene­n Kindern.

Manche sagen, wir sollten in erneuerbar­e Energien, in die Fotovoltai­k einsteigen. Es ist die Frage, inwieweit sich Europa politisch bevormunde­n lassen möchte in der Versorgung mit Energie.

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OMV-Chef Rainer Seele weist Vorhaltung­en zurück, mehr russische als österreich­ische Interessen im Auge zu haben.

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