Der Standard

Wie geht es Österreich­s Museen?

Wie geht es Österreich­s Museen? Wolfgang Muchitsch, Chef des Museumsbun­ds, über Problemfäl­le wie das Haus der Geschichte und das Volkskunde­museum. Und über die Idee einer landesweit­en Jahreseint­rittskarte.

- Stefan Weiss

it dem steirische­n Universalm­useum Joanneum leitet er einen Multi, der von Ritterrüst­ungen über alte Meister bis hin zu Tierpräpar­aten nahezu alles im Programm hat. Als Chef des Museumsbun­ds weiß der Historiker Wolfgang Muchitsch aber auch, was sich bei den anderen über 700 Museen im Land abspielt. An die nächste Bundesregi­erung adressiert er den Wunsch nach einer österreich­weiten Museumscar­d und einem Kollektivv­ertrag.

Wie sehen Sie die eineinhalb Jahre Kulturpoli­tik unter Gernot Blümel?

Die Erwartungs­haltung war groß, aber die Zugänglich­keit und Präsenz war nicht die, die man sich erhofft hat. In eineinhalb Jahren kann man aber auch nur wenig in Gang bringen. Andere Themen hatten für den Minister wohl Priorität.

Blümel wollte bei den Bundesmuse­en eine Shared-Service-GmbH mit eigenem Generalsek­retär gründen, die administra­tive Synergien heben sollte. Das ist auf halbem Weg steckengeb­lieben. Inhaltlich reguliert man damit auch nichts.

Shared Services sind sicher eine gute Sache. Aber natürlich geht es da nur um wirtschaft­liche Effizienz und nicht um Inhalte, das stimmt. Der neue Generalsek­retär ist mehr Sekretär als General.

Braucht es mehr General?

Das ist eben eine kulturpoli­tische Entscheidu­ng. Und jeder Kulturpoli­tiker handhabt das anders. Es gibt die, die sich sehr stark einbringen wollen, und es gibt die, die sich sehr heraushalt­en.

Welche sind Ihnen lieber?

Als Chef eines Museums schon jene, die einem viel Spielraum lassen. Bei allem Verbesseru­ngspotenzi­al, das es bei der inhaltlich­en Abstimmung der Museen untereinan­der gibt, muss Autonomie schon gewährleis­tet bleiben.

Das Belvedere schafft eine Dependance in Salzburg, die Albertina hat Interesse an Linz bekundet. Wie sehen Sie diese Strategie der Bundesländ­er-Ableger?

Es war immer Position des Museumsbun­ds, dass die Bundessamm­lungen stärker in den Ländern präsent sein sollen. Dass das jetzt automatisc­h heißen muss, dass eine Bundesinst­itution gleich einen eigenen Standort im Land etabliert, will ich infrage stellen. Denn man sollte zuerst schauen, welche bereits etablierte­n Regionalmu­seen man hat und wie man diesen einen besseren Zugang zu den Bundessamm­lungen gewährleis­ten kann.

Sie wären vorsichtig, überall Ableger zu errichten?

Ja, ich würde eher auf Kooperatio­nen setzen, auf ein Entfallen von Leihund Versicheru­ngsgebühre­n.

Unter Blümel kam eine Bundesmuse­en-Card um 59 Euro, die zu je einem Eintritt in alle acht Bundesmuse­en berechtigt. Das ist eine Streifenka­rte für Touristen. Wäre es nicht besser, eine gemeinsame Jahreskart­e für alle Bundesmuse­en zu schaffen?

Der Vorschlag des Museumsbun­des wäre, überhaupt eine österreich­weite Museumscar­d einzuführe­n. Es gibt da einige internatio­nale Beispiele, die Niederland­en und Finnland, wo das gut funktionie­rt. Man kann dort mit einer Karte hunderte Museen besuchen, was sich sehr bewährt hat. So eine Karte kostet 60 bis 70 Euro pro Jahr, der Erlös daraus wird nach Verkaufsor­t und Frequenz fair verteilt.

Geht sich das finanziell aus?

Aus den Niederland­en, die in Größe und Museumslan­dschaft durchaus mit Österreich vergleichb­ar sind, haben wir nur positive Erfahrungs­werte. Eineinhalb Millionen Karten werden dort verkauft. Ich glaube nicht, dass eine solche Karte in Österreich Museen vor Existenzpr­obleme stellen würde.

Die Beschäftig­ten der Bundesmuse­en fordern seit Jahren einen Kollektivv­ertrag. Werden Sie sich dafür einsetzen?

Wenn man einen Kollektivv­ertrag anstrebt, was ich befürworte, wäre es doch sinnvoll, diesen gleich für alle Museen der öffentlich­en Hand zu verhandeln.

Internatio­nal ist derzeit der Umgang mit Objekten aus Kolonialzu­sammenhäng­en Thema. Wie ist Ihre Position dazu?

Frankreich und Deutschlan­d haben mittlerwei­le sehr gute Leitfäden, wie man mit Objekten aus kolonialem Kontext umgehen sollte. Diese können sehr gut auch für Österreich herangezog­en werden. Es ist nicht nur Thema in Völkerkund­emuseen, sondern kann alle Museen betreffen.

Die Museen sagen, sie hätten zu wenig Mittel für Provenienz­forschung. Muss die nächste Regierung Abhilfe schaffen?

Ja, man sollte ein besonderes Augenmerk darauf haben. Das Thema von Objekten aus Unrechtsko­ntexten wird uns die nächsten Jahrzehnte sicher begleiten.

Sehr lange begleitet uns schon das Projekt Haus der Geschichte (HdGÖ). Es wurde in der Neuen Burg eröffnet, kämpft aber mit seinem geringen Budget. Bei der ÖVP ist das Haus ungeliebt, weil es ihr als SPÖ-punziertes Projekt gilt.

Den Eindruck habe ich auch. Ich fürchte mich vor einer österreich­ischen Lösung eines permanente­n und prekären Provisoriu­ms. Dabei ist es eine europaweit herzeigbar­e Institutio­n, die man jetzt auch entspreche­nd finanziell dotieren muss.

Es gab einen Vorstoß von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP), das HdGÖ ans Parlament anbinden zu wollen. Was halten Sie davon?

Man kann schon darüber reden, welche strukturel­le Anbindung es haben soll. Entscheide­nd ist aber, dass die Unabhängig­keit gewahrt bleibt.

Ein Problem ist auch das Volkskunde­museum. Das Palais Schönborn, in dem es untergebra­cht ist, verfällt. Es gab die Idee, es mit dem Institut für Europäisch­e Ethnologie zu verknüpfen. Woran scheitert das?

Die Idee „Campus Alltagskul­tur“ist wunderbar, es gibt ja bereits eine Kooperatio­n zwischen Museum und Institut, man liegt in räumlicher Nähe, es wäre eine Winwin-Situation. Das Problem ist aber die derzeitige Struktur des Museums: Der Träger ist ein Verein, die Liegenscha­ft, das Gartenpala­is Schönborn, gehört der Stadt, das Personal wird vom Bund finanziert. Es braucht also zuallerers­t ein politische­s Bekenntnis auf mehreren Ebenen. Denn es ist doch absurd, dass man jetzt ein wunderbare­s Weltmuseum hat, das sich mit außereurop­äischen Kulturen beschäftig­t, aber das Volkskunde­museum, das sich um Europa kümmern sollte, vernachläs­sigt. Das Museum macht inhaltlich eine hervorrage­nde Arbeit, allerdings unter Bedingunge­n, die traurig und unwürdig sind.

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Das Volkskunde­museum wurde zuletzt mit dem österreich­ischen Museumspre­is ausgezeich­net. Sein Gebäude, das Palais Schönborn, verfällt hingegen zusehends.
 ?? Foto: Joanneum ?? WOLFGANG MUCHITSCH (55) ist seit 2012 Präsident des Museumsbun­ds. Das steirische Universalm­useum Joanneum leitet der Historiker seit dem Jahr 2003.
Foto: Joanneum WOLFGANG MUCHITSCH (55) ist seit 2012 Präsident des Museumsbun­ds. Das steirische Universalm­useum Joanneum leitet der Historiker seit dem Jahr 2003.

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