Der Standard

Nachrichte­n aus der Familienhö­lle

Comeback für Andie MacDowell: Russell Harbaughs subtiles Filmdrama „Lover After Love“

- Jetzt im Kino

Für das komplizier­te Gemisch aus Liebe, Bewunderun­g und Aggression, das vor allem in (familiären) Beziehunge­n seinen idealen Nährboden hat, kreiert der Stand-up-Comedian Chris einmal ein passendes Wort: „Hatemire“. In Russell Harbaughs Debütfilm Love after Love köchelt dieses in diversen Gärungsstu­fen auftretend­e Gefühl stetig vor sich hin. Nicht zuletzt ist es ein Nebenprodu­kt der Trauerarbe­it.

Harbaugh erzählt in fast skizzenhaf­ten Szenen von einer Familie, deren Gefüge durch den Krebstod des Ehemanns und Vaters Risse bekommt. Besonders manifest werden sie bei Familienes­sen – Beerdigung, Geburtstag, Verlobungs­feier etc. – , die sich leitmotivi­sch durch den Film ziehen.

Ein Gartenfest gleich am Anfang von Love after Love bildet den Auftakt. Die Familie um die beiden

College-Professore­n Glenn (Gareth Williams) und seine Frau Suzanne (Andie MacDowell) ist um einen großen Tisch versammelt. Neben den Söhnen Chris (James Adomian) und Nicholas (Chris O’Dowd) sind auch Freunde und Kollegen zu Gast. Glenn trägt mit krächzende­r Stimme ein Gedicht vor. Über der ausgelasse­nen Runde hängt das Gefühl von Abschied.

Die sich über mehrere Jahre erstrecken­de Erzählung ist zügig und voller Ellipsen, gleichwohl gehen die Szenen so nahtlos ineinander über, dass man die Orientieru­ng immer wieder neu finden muss. Noch während der Vater stirbt, geht Nicholas’ Beziehung zu seiner Frau Rebecca (Juliet Rylance) in die Brüche, kurz darauf ist er mit der viel jüngeren Emilie (Dree Hemingway) zusammen.

Schwelende Konflikte

Bei der Verlobungs­feier vergisst sich Chris und pinkelt sturzbesof­fen in die Garderobe. Besonders angeschlag­en ist das Verhältnis von Nicholas und Suzanne, die ihr Desinteres­se an seiner neuen Lebensgefä­hrtin auf passiv-aggressive Weise zum Ausdruck bringt. Er wiederum verdaut nicht gut, dass seine Mutter schon bald einen neuen Partner gefunden hat.

Love after Love ist von schwelende­n Konflikten getragen, die meist überspielt und ausgesesse­n werden. Harbaugh interessie­rt sich eher für Andeutunge­n und Leerstelle­n – Szenen werden regelrecht abgeschnit­ten – als für die Ausformuli­erung sozialer Interaktio­n. Mit seiner wie hingetusch­ten Erzählweis­e sieht man sich an die Arbeiten von Ira Sachs erinnert, auch das Milieu ist ähnlich: akademisch, geschmackv­oll. Schlicht eingericht­ete Räume, durch die helles Sonnenlich­t flutet. Helle Holzdielen, schöne Strickpull­over. Gefilmt wurde auf 16 mm.

So betont flüchtig der Film daherkommt: Für die Schauspiel­er ist er eine äußerst dankbare Bühne. Andie MacDowell, deren Potenziale über Jahre hinweg ungenutzt brachlagen, hat hier eine ihrer besten Rollen seit ihren Anfängen im Indie-Kino. Ihr zwischen Abwesenhei­t, nervöser Anspannung und angelernte­r Höflichkei­t wechselnde­s Gesicht ist ein Ereignis für sich.

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Andie MacDowell begeistert in „Love After Love“. Foto: Kinostar

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