Der Standard

Unzufriede­nheit mit Ermittlung­en gegen Ibiza-Hintermänn­er wächst

Rasche Weisungen und aufgesplit­tete Ermittlung­en sorgen für Unmut – das Justizmini­sterium spricht von üblichen Vorgängen

- Renate Graber, Fabian Schmid

– Es sei womöglich „der erste Akt in der Geschichte der Justiz, der mit einer Weisung beginnt“: So beschreibt ein Justizmita­rbeiter die Ermittlung­en, die nach dem Erscheinen des berüchtigt­en Ibiza-Videos aufgenomme­n wurden.

In der Weisung, die dem STANDARD vorliegt, beauftragt die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien (OStA) die Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) damit, Erkundigun­gen über das Video einzuholen und das Videomater­ial zu beschaffen – soweit ein normaler Vorgang.

Doch die Zeitleiste wirft bei einigen Beobachter­n Fragen auf. Tatsächlic­h merkt man bei einem Blick hinter die Kulissen, dass die Justiz kurz nach dem Erscheinen des Videos am Freitag, den 17. Mai, rasch auf Betriebste­mperatur war. Schon am Freitag erklärte der damalige Generalsek­retär Christian Pilnacek im Kurier, dass die OStA mit einer Prüfung beauftragt wurde, sich der Zusammenha­ng anhand der wenigen Minuten Video, die veröffentl­icht wurden, nicht beurteilen lässt.

Weisung und Klarstellu­ng

Am Samstag kam dann die erste Weisung der OStA, und zwar kurz nach 21 Uhr abends. Tags darauf verkündete die OStA in Ö1, es gebe derzeit „keinen Anfangsver­dacht“. Den soll die WKStA, also die untergeord­nete Behörde, da aber schon gehabt haben – tauchten doch bereits erste parteinahe Vereine auf, über die man Spenden hätte schleusen können.

Also folgte am Montag eine Klarstellu­ng der Weisung, die von der OStA an die WKStA gegangen war: Diese hätte keineswegs die Absicht gehabt, Ermittlung­en zu blockieren. Ebenfalls am Montag passierte dann eine Aufsplittu­ng der Ermittlung­en: Ab dann sollte sich die Staatsanwa­ltschaft Wien um die Suche nach den Hintermänn­ern und Auftraggeb­ern des Videos machen, während die WKStA sich um die Inhalte des Videos, also potenziell­e Parteienfi­nanzierung, kümmern soll.

Das sorgt mittlerwei­le für Unmut. Da beide Ermittlung­en als Verschluss­akt geführt werden, dürfen keine Auskünfte über ihren aktuellen Stand gegeben werden. Immer wieder ist aus dem Umfeld der FPÖ aber zu hören, dass bei der Staatsanwa­ltschaft Wien nur wenig weitergehe und diese „stärker als die WKStA unter der Kontrolle des Justizmini­steriums“stehe. Man verweist darauf, dass Verfahren, die einen sachlichen Bezug zueinander haben, meist bei einer Staatsanwa­ltschaft gebündelt werden.

Der freiheitli­che Sicherheit­ssprecher Hans-Jörg Jenewein sprach etwa davon, dass man das Gefühl habe, die Verantwort­lichen wären „in den Dauerurlau­b“verschwund­en; er regte gleich einen parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zu den IbizaErmit­tlungen an.

Justiz bestreitet Interventi­on

Ganz anders sieht das das Justizmini­sterium. In einer Anfragebea­ntwortung sagte Vizekanzle­r und Justizmini­ster Clemens Jabloner, er wolle festhalten, dass zu keinem Zeitpunkt „irgendein Vorhaben der WKStA, Ermittlung­en einzuleite­n, von einer übergeordn­eten Instanz ‚torpediert, untersagt oder in sonstiger Weise erschwert wurde‘“.

Weitere Weisungen seien laut Jabloner zumindest bis zum 12. Juli, dem Tag der Anfragebea­ntwortung, nicht erfolgt. Die Aufsplittu­ng der Verfahren sei wiederum unter Verweis auf die Zuständigk­eiten der WKStA zu erklären, sagt Sektionsch­ef Christian Pilnacek. Tatsächlic­h wurden auch beim Verfahren gegen Beamte des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) immer wieder Verfahrens­teile an „reguläre“Staatsanwa­ltschaften übergeben, etwa beim Verdacht auf nationalso­zialistisc­he Wiederbetä­tigung.

Auch das hektische Treiben hinter den Kulissen erklärt Pilnacek für normal. „Die Situation war außergewöh­nlich, weshalb rasch gehandelt werden musste. Also, wenn man so will, angesichts der besonderen Umstände ein üblicher Vorgang“, so Pilnacek.

Pünktlich zur Hochphase des Wahlkampfs dürfte die Causa Ibiza jedenfalls wieder an Fahrt aufnehmen. Am 22. August erscheint ein Buch der SZ-Redakteure Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, das neue Infos zu Szenen aus dem Video beschreibe­n soll. Und Strache will selbst die Hintermänn­er aufdecken.

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