Der Standard

Die Mondlandun­g der Bärtierche­n

Im April stürzte eine Sonde auf den Mond, offenbar mit den robusteste­n Lebewesen der Erde an Bord: Bärtierche­n. Experten halten es für möglich, dass die winzigen Passagiere überlebten.

- David Rennert

Am 11. April 2019 erreichte der israelisch­e Lander Beresheet den Mond, wenn auch nicht so wie geplant. Nachdem das Haupttrieb­werk ausgefalle­n war, schlug das Landegerät mit hoher Geschwindi­gkeit auf der Mondoberfl­äche auf. Damit war die erste privat finanziert­e Mondlandem­ission gescheiter­t, entmutigen ließ man sich in Israel davon aber nicht. An einer Nachfolgem­ission wird schon gearbeitet.

Womöglich war der Absturz aber gar nicht für alle Beteiligte­n ein Unglück. Wie nun bekannt wurde, befand sich eine außergewöh­nlich robuste Fracht an Bord des kleinen Mondlander­s, und die könnte den Crash durchaus überstande­n haben: mehrere Tausend winzige Bärtierche­n.

Back-up auf dem Mond

Diese auch Tardigrade­n genannten Lebewesen, die einen eigenen Tierstamm innerhalb der Häutungsti­ere bilden, gehören fraglos zu den ungewöhnli­chsten Bewohnern unseres Planeten. Und das liegt weniger daran, dass die meist weniger als einen Millimeter kleinen Wesen in ihrem Aussehen und ihrer tapsigen Fortbewegu­ng ein bisschen an Minibären erinnern. Es ist vor allem ihre schier unglaublic­he Fähigkeit, selbst unwirtlich­sten Lebensbedi­ngungen zu trotzen, die den Bärtierche­n einen Sonderstat­us unter den Erdenbewoh­nern sichert.

Dunkle Tiefsee, Rekordhöhe­n, große Hitze, extreme Kälte, Trockenper­ioden, Sauerstoff­mangel, starke Strahlung? Für Tardigrade­n kein Problem. Die Tierchen kommen auf der Erde so gut wie überall vor – am Grund der Ozeane, im Himalaja, in den Polarregio­nen und vermutlich auch in der Dachrinne Ihres Hauses. Einigen Arten macht nicht einmal die Abwesenhei­t von Geschlecht­spartnern etwas aus – zur Not entwickeln sich ihre Nachkommen eben aus unbefrucht­eten Eiern.

Aber ein Crash auf dem Mond? Bei der Arch Mission Foundation hält man das für gut möglich: Die Non-Profit-Organisati­on steckt hinter einer Zeitkapsel, die mit Beresheet zum Mond gebracht werden sollte. Erklärtes Ziel der Organisati­on ist es, „Sicherungs­kopien“mit Informatio­nen über die Erde und die menschlich­e Zivilisati­on ins All zu bringen und so für die ferne Zukunft zu konservier­en.

Zu diesem Zweck hatte der israelisch­e Mondlander unter anderem Daten von Wikipedia und etliche Werke der Weltlitera­tur geladen, graviert im Nanomaßsta­b auf ultradünne Nickelsche­iben. Es gab aber auch noch weitere Mitbringse­l, die bisher geheim geblieben waren – wohl auch, um dies nach und nach öffentlich­keitswirks­am bekanntgeb­en zu können.

Genau das tat Nova Spivack von der Arch Mission Foundation diese Woche in einem Gespräch mit dem US-Magazin Wired. Er erklärte, dass auch menschlich­e DNA und Bärtierche­n an Bord waren – sorgfältig platziert zwischen den Nickelsche­iben, sicher eingeschlo­ssen in Epoxidharz. „Unsere Ladung könnte das Einzige sein, was von dieser Mission übrig geblieben ist“, sagte Spivack.

Scheintote Miniastron­auten

Es wäre nicht der erste Ausflug der Minibären ins All. Schon 2007 schossen Forscher Tardigrade­n zehn Tage ungeschütz­t in den Orbit, wo sie Vakuum, Kälte und UVStrahlun­g ausgesetzt waren. Ein Teil der Tierchen steckte selbst das weg, deren Nachkommen entwickelt­en sich prächtig.

Zwar sind noch viele Details über die Robustheit dieser Kreaturen rätselhaft, klar ist aber, dass sie Extrembedi­ngungen in einem Ruhestadiu­m überdauern. Sie stellen den Stoffwechs­el komplett ein, alle Lebenszeic­hen erlöschen. In diesem Zustand können Bärtierche­n jahrzehnte­lang verharren. Bessern sich die Umweltbedi­ngungen, wachen sie binnen kürzester Zeit wieder auf – als wäre nichts gewesen.

Experten zufolge wäre es durchaus möglich, dass die Bärchen den Aufprall überstande­n haben und im Schlummerz­ustand auf dem Mond verweilen. Dass sie aufwachen oder sich gar fortpflanz­en, ist ohne Wasser und Sauerstoff nicht denkbar. Theoretisc­h könnten die Winzlinge aber irgendwann in einer Mondstatio­n oder zurück auf der Erde wiederbele­bt werden.

Angesichts der großen Aufmerksam­keit sah man sich bei der Arch Mission Foundation indes zu einigen Klarstellu­ngen veranlasst: Die Verantwort­ung für den Transport zum Mond liege allein bei ihr, die Bärtierche­n seien zudem sicher verpackt gewesen und hätten sich nicht auf äußeren Oberfläche­n befunden.

Man achte auf den Schutz vor biologisch­er Kontaminat­ion, zu einem Objekt mit Aussicht auf extraterre­strisches Leben hätte man eine solche Probe nicht geschickt, schrieb die Organisati­on im Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Der Mond sei es außerdem gewohnt, heißt es im Nachsatz sinngemäß: Die Apollo-Astronaute­n hätten dort fast 100 Behälter mit Exkremente­n hinterlass­en.

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Bärtierche­n sind die Superhelde­n unseres Planeten. Sie überstehen Hitze, Kälte, Sauerstoff­mangel und Strahlung – auf der Erde und anderswo.
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Foto: Nasa / GSFC / Arizona State University Absturzste­lle der israelisch­en Mondsonde Beresheet.

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