Der Standard

Sibirien taut auf und gibt Geheimniss­e frei

Die Parteien setzen bei den Wählern auf Anbiederun­g, nicht auf Auseinande­rsetzung

- Michael Völker

Sieben Wochen sind es noch bis zur Wahl. Was hat uns bisher bewegt? Dass die türkise Mannschaft vor ihrem Auszug aus dem Kanzleramt Festplatte­n schreddern ließ. Und dass sich die ÖVP vor Spenden offenbar kaum retten kann, sodass sie einen Stopp verhängen musste, um nicht wieder gegen das Gesetz zu verstoßen.

Was hat uns noch im Wahlkampf bewegt? Dass die Fußball-Bundesliga wieder im ORF übertragen werden soll, dass das Bargeld in die Verfassung soll, dass Regierungs­gebäude mit Solarpanee­len ausgestatt­et werden sollen, dass es einen eigenen OnlineStre­amingdiens­t namens Ö-Player geben soll. All das fordert die ÖVP. Prinzipiel­l fällt auf, dass die selbst gesetzten Themen vom Bestreben getragen sind, einer breiten Masse zu gefallen und keinen Widerspruc­h zu erzeugen. Das nennt man Populismus. Das muss nicht zwangsläuf­ig schlecht sein, wenn es nebenbei noch Bestrebung­en gibt, die Welt oder zumindest das Land ernsthaft verbessern zu wollen. Mit dem Bargeld in der Verfassung oder dem Wiener Derby im ORF wird das freilich nicht gelingen. Aber es sind Vorschläge, die auf Widerhall stoßen. Man U kann darüber diskutiere­n. nd was hat die SPÖ beizutrage­n? „Das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden“, forderte deren Vorsitzend­e Pamela RendiWagne­r am Wochenende über Twitter. Das ist die ultimative Verdichtun­g von Populismus. Dumm und inhaltslee­r, nur um Beifall heischend. Eine Sprechblas­e, wie man sie von der FPÖ erwarten würde, nicht angekränke­lt von einem Lösungsans­atz, mit dem man irgendjema­nden, der sich gerade am Mittagstis­ch niedergela­ssen hat, überforder­n könnte.

Gerade auch in Österreich ist das Schnitzel weit davon entfernt, Luxus zu werden, der Alarmismus ist nicht angebracht. Da spießt es sich ja. Die billige Herstellun­g von Fleisch ist für niemanden gut: für die Tiere nicht, für die Produzente­n nicht, für die Konsumente­n nicht – und für das Klima nicht. Wer sich mit dem vergangene Woche erschienen­en Weltklimab­ericht befasst hat, könnte wissen, dass der gestiegene­n Fleischkon­sum fatale Folgen hat. Mit der Schnitzelw­arnung macht man sich zum Teil des Problems, nicht der Lösung. Nur damit keine Missverstä­ndnisse aufkommen:

Die ÖVP ist auch Teil des Problems. In der Frage des Klimaschut­zes steht die ÖVP bedingungs­los aufseiten der Industrie und des Kapitals – und nicht aufseiten der Welt und ihrer Bewohner. Das ist zweifellos­er schlimmer als eine schnell ausgegeben­e Parole, die nur auf Anbiederun­g setzt.

Das werte Publikum in Österreich hätte es durchaus verdient, mit anspruchsv­olleren Zugängen im Wahlkampf konfrontie­rt zu werden. Gerade der Klimaschut­z, der den Menschen immer mehr Sorgen bereitet, würde eine tiefergehe­nde Auseinande­rsetzung vertragen. Damit verbunden ist die Frage des Verkehrs, da gibt es ja schon Anregungen, auch von der SPÖ, oder die Steuerpoli­tik, die das Kinderkrie­gen und den Leistungsg­edanken fördert, nicht aber ökologisch­e Rücksichtn­ahme.

Ohne jemandem den Spaß an der seichten Unterhaltu­ng nehmen zu wollen, da gäbe es noch Themen wie leistbares Wohnen, faire Arbeitsbed­ingungen und gutes Einkommen, um das Naheliegen­de zu nennen. Sieben Wochen bleiben noch. Bitte fordert uns. Die Wähler sind nicht so dumm, wie das die bisher vorgebrach­ten Denkanstöß­e im Wahlkampf nahelegen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria