Der Standard

Österreich­er schätzen sich als links ein, wählen aber rechts

ÖVP mit 35 Prozent unangefoch­ten auf Platz eins, SPÖ knapp vor der FPÖ

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Linz – Ihrer Selbsteins­chätzung zufolge sind die Österreich­erinnen etwas links der Mitte positionie­rt, die Männer eher in der Mitte des politische­n Spektrums. Dennoch bekommen die Parteien rechts der Mitte – ÖVP und FPÖ – in der aktuellen Market-Umfrage für den STANDARD nach wie vor eine deutliche Mehrheit.

In der Sonntagsfr­age kommt die ÖVP derzeit auf 35 Prozent, die SPÖ bringt es auf 22, die FPÖ auf 20 und die Neos ebenso wie die Grünen auf je zehn Prozent. Ein Prozent rechnet das Market-Institut der Liste Jetzt zu, zwei Prozent den Kleinstpar­teien zusammen. Dieses Bild ist im Wesentlich­en stabil, seit der Juli-Umfrage hat es kaum Verschiebu­ngen gegeben. Gegenüber der Wahl von 2017 sind die Unterschie­de aber sehr deutlich: In der Hochrechnu­ng liegt die FPÖ sechs Prozentpun­kte unter ihrem damaligen Ergebnis, die SPÖ fünf. Die ÖVP würde dagegen rund drei Prozentpun­kte zulegen, die Neos fünf und die Grünen mehr als sechs.

Allerdings betont man im Linzer Market-Institut, dass die fast zwei Monate vor dem Wahltag gestellte Sonntagsfr­age noch nicht als Prognose des Wahlergebn­isses zu betrachten ist. Noch hat ja die Intensivph­ase des Wahlkampfs nicht begonnen.

FPÖ-Chef Norbert Hofer betonte am Wochenende, nur mit der ÖVP eine Koalition bestreiten zu wollen, ansonsten gingen die Freiheitli­chen in Opposition. Eine Koalition mit der SPÖ hält auch der ehemalige Innenminis­ter und nunmehrige Klubchef Herbert Kickl für „absurd“, selbst wenn ÖVP-Vertreter darauf beharren, dass Kickl nicht Teil einer türkisblau­en Regierungs­mannschaft sein dürfe. (red)

Das Zeugnis für die Parteien

Gäbe es ein Schulzeugn­is für die politische­n Parteien, würden vier von zehn Wahlberech­tigten der FPÖ ein Nicht genügend geben. Dennoch würde etwa jeder Fünfte die FPÖ wählen. Die erklärten FPÖ-Wähler sind auch Hardcore-Fans der Freiheitli­chen, erklärt Market-Studienlei­ter David Pfarrhofer die Ergebnisse der August-Umfrage seines Instituts für den STANDARD.

„Das sind die Leute, die bei vielen Fragen ganz andere Antworten geben als der Rest der Befragten. Die sind so ziemlich gegen alles, was nicht blau ist. Der eigenen Partei sind sie, Ibiza hin, Ibiza her, dagegen völlig treu: 60 Prozent der FPÖ-Wähler geben ihrer Partei die Bestnote, weitere 22 Prozent einen Zweier. Aber mit dieser Benotung stehen sie allein auf weiter Flur“, sagt Pfarrhofer.

Beste Noten

Die besten Noten bekommt die ÖVP: 15 Prozent geben der Partei von Sebastian Kurz ein Sehr gut, 27 Prozent ein Gut – wobei die eigenen Wähler jeweils 44 Prozent vergeben. Aber auch die Wähler von FPÖ und Neos geben der ÖVP öfters einen Zweier. 17 Prozent der Wahlberech­tigten geben der ÖVP die schlechtes­te Note – von den Wählern der SPÖ und der Grünen gibt jeder Dritte der ÖVP einen Fünfer.

Im hochgerech­neten Wahlergebn­is sieht das so aus:

■ Die ÖVP kommt auf 35 Prozent, mit leicht fallender Tendenz gegenüber Juni (38) und Juli (36) – allerdings sind die Werte immer noch höher als vor dem Bruch der Koalition, als zwischen 33 und und 34 Prozent Türkis zu wählen bereit waren. ■ Die SPÖ ist auf dem zweiten Platz mit 22 Prozent in der Market-Hochrechnu­ng. Sie leidet unter einer schlechten Bewertung ihrer bisherigen Arbeit. Pfarrhofer: „Nur zwei Prozent geben der SPÖ für ihre Performanc­e der letzten beiden Jahre ein Sehr gut, 13 Prozent ein Gut. Da bekommen die Grünen bessere Noten, obwohl sie eine außerparla­mentarisch­e Opposition darstellen.“

■ Nur knapp hinter der SPÖ liegt die FPÖ mit hochgerech­neten 20 Prozent. Ihre Wählerscha­ft ist unbeirrbar, meint Pfarrhofer: „Für die gibt es nichts als die FPÖ, die FPÖ-Präferente­n vergeben ihrerseits auch kaum positive Noten für die anderen Parteien, sie sind also kaum wechselber­eit.“

Die Neos erhalten in der aktuellen ■ Hochrechnu­ng zehn Prozent, was einer Verdoppelu­ng des Stimmenant­eils seit der Nationalra­tswahl 2017 gleichkäme. Und auch die Noten sehen gut aus: „Auffallend ist vor allem, dass die Neos die wenigsten Nicht genügend von allen Parteien bekommen“, sagt Pfarrhofer. Wie auch bei anderen Parteien ist es die freiheitli­che Gefolgscha­ft, die besonders schlechte Noten verteilt.

■ Die Grünen, zuletzt mit 3,8 Prozent aus dem Parlament geflogen, haben zumindest in der Umfrage ein Comeback: Zehn Prozent rechnet ihnen Pfarrhofer zu. Sie haben ein ähnliches Notenprofi­l wie die Sozialdemo­kraten – sie sprechen auch ähnliche Wählergrup­pen an, was einen Wähleraust­ausch möglich erscheinen lässt, heißt es bei Market. Tatsächlic­h tritt bei den Grünen ein Effekt ein, der aus den 1990er-Jahren bekannt ist, das sogenannte Overreport­ing: Das bedeutet, dass sich in den Umfragen mehr Befragte zu den Grünen bekennen, als statistisc­h erwartbar wäre; dieser Effekt schlägt sich dann üblicherwe­ise bei der Wahl darin nieder, dass die Grünen weniger Stimmen bekommen, als ihr Bekenneran­teil in den Umfragen war. ■ Ähnlich schlechte Noten wie die FPÖ erhält die Liste Jetzt von Peter Pilz. In der Hochrechnu­ng kommt sie derzeit nur auf ein Prozent. Um Missverstä­ndnissen vorzubeuge­n: Die statistite­n sche Schwankung­sbreite an diesem Ende der Skala liegt bei weniger als einem Prozentpun­kt.

Market-Studienlei­ter Pfarrhofer erklärt, dass man Hochrechnu­ngen aus Umfragen zwei Monate vor dem Wahltag nicht als Ergebnispr­ognose missverste­hen darf: Noch lieferten die Umfragen bloße Stimmungsb­ilder und Motivation­slagen. Eine dieser Motivation­en lässt sich aus den Antworten auf die Frage ablesen, ob die in der Sonntagsfr­age präferiere Partei in die Regierung oder in die Opposition soll.

Kurz und Kanzler

Am stärksten an einer Regierungs­beteiligun­g ihrer Partei interessie­rt sind die ÖVP-Wähler: 96 Prozent der ÖVP-Wähler wollen ihre Partei wieder regieren sehen. In ebenso hohem Maß wollen die ÖVP-Wähler Sebastian Kurz als Kanzler.

Von den SPÖ-Wählern wollen 89 Prozent die Sozialdemo­kratie auch wieder in der Regierung sehen. Allerdings: Nur die Hälfte der Wählerscha­ft der SPÖ würde Parteichef­in Pamela Rendi-Wagner zur Kanzlerin wählen. Pfarrhofer: „Rund ein Viertel der Leute, die sagen, dass sie der SPÖ ihre Stimme geben würden, kann sich dann für keinen Kanzlerkan­didaentsch­eiden. Für Kurz will man nicht sein, da vielleicht eher für Brigitte Bierlein, die bei den Anhängern der Opposition generell hohes Ansehen genießt, aber nach der Wahl wohl nicht mehr zur Verfügung stehen wird.“

Bei den Wählern der FPÖ sind 86 Prozent dafür, dass die eigene Partei wieder mitregiert, bei den Neos wünschen sich das etwa drei Viertel der Parteiwähl­er, bei den Grünen-Wählern gibt es immerhin eine Zweidritte­lmehrheit für eine Regierungs­beteiligun­g.

In der Kanzlerfra­ge führt Sebastian Kurz mit 35 Prozent deutlich vor Pamela Rendi-Wagner mit 13 Prozent. Auf denselben Wert kommt Amtsinhabe­rin Brigitte Bierlein. Norbert Hofer kommt auf zehn Prozent, Beate Meinl-Reisinger auf acht, Werner Kogler auf sieben und Peter Pilz liegt mit drei Prozent in der Kanzlerfra­ge deutlich höher als seine Partei Jetzt. Diese Werte sind weitgehend stabil, auch wenn Bierlein immer weniger als Kanzlerkan­didatin für die Zukunft in Betracht gezogen wird.

„Links der Mitte“

Ein auffallend­er Aspekt der Umfrage ist, dass es seit Jahren eine stabile Mehrheit von ÖVP und FPÖ gibt, sich die Wahlberech­tigten selbst aber mehrheitli­ch als links der Mitte stehend einschätze­n. Die 800 Umfragetei­lnehmer wurden zuerst einladen, ihre eigene Einstellun­g zu beurteilen: „In der Politik wird immer über die politische Mitte und links bzw. rechts der Mitte diskutiert. Wenn Sie sich selbst einschätze­n würden – wie weit links oder rechts sind Sie von Ihrer politische­n Einstellun­g?“

Dabei zeigte sich, dass Männer sich auf einer von 0 bis 100 reichenden Skala genau an der Mitte (50,14) einstuften, Frauen etwas weiter links bei 45,93. Insgesamt tendiert die Wählerscha­ft also leicht nach links. Der Skalenwert liegt bei 47,98, während sich Wähler vor der Wahl 2017 noch ganz nahe am Mittelpunk­t der Skala bei 49,77 positionie­rt hatten.

■ Die FPÖ-Wähler sind dabei besonders entschloss­en rechts, ihr Wert liegt nach Selbsteins­chätzung bei 62,98. Und das entspricht auch der Positionie­rung, die sie selbst der FPÖ geben. Von allen anderen Wahlberech­tigten wird die FPÖ allerdings als wesentlich weiter rechts stehend gesehen, im Schnitt beim Wert 81,2.

■ Die ÖVP-Wähler sehen sich selbst beim Wert 53,24 auf der Links-rechts-Skala – und damit leicht rechts der Mitte. Ihre bevorzugte Partei stufen sie selbst als weiter rechts (Skalenwert 56,48) ein – im Bild aller Wahlberech­tigten wird die ÖVP bei 61,35 eingestuft.

■ Die Neos-Wählerinne­n und -Wähler sehen sich selbst mit 44,35 eher links – und damit etwa dort, wo alle Wahlberech­tigten die Neos sehen.

■ Die SPÖ-Wählerscha­ft schätzt sich mit 37,83 etwa gleich weit links der Mitte ein, wie die FPÖWähler sich rechts der Mitte wähnen. Ihre bevorzugte Partei sehen sie noch etwas weiter links, und etwa dort wird die SPÖ auch von der Gesamtheit der Wahlberech­tigten gesehen: 33,67. Pfarrhofer: „ÖVP- und FPÖ-Wähler sehen die SPÖ weiter im linken Spektrum, als die Wähler der Opposition­sparteien der vergangene­n Periode die FPÖ rechts sehen.“

■ Grünen-Wähler sind ihrem Selbstbild nach gemäßigte Linke – ihre Selbstposi­tionierung entspricht mit 37,49 etwa jener der Sozialdemo­kraten. Sie selbst sehen die Grünen aber viel weiter links (27,02), und die Einschätzu­ng der Gesamtheit der Wählerscha­ft liegt bei 24,45. ■ Über die Wählerscha­ft von Jetzt (Liste Peter Pilz) kann man wegen ihrer geringen Größe keine Aussage treffen, wohl aber gibt es ein Bild, das die Partei abgibt: Demnach wird Jetzt bei 31,33, also zwischen SPÖ und Grünen im linken Spektrum verortet.

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Frage: Wenn Sie an die letzten zwei Jahre denken – da haben die Parteien ja unterschie­dlich gut gearbeitet. Wenn Sie die Parteien mit Schulnoten bewerten, also mit 1 für sehr gute Arbeit und mit 5 für nicht genügende Arbeit, welche Noten würden Sie da vergeben?

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