Der Bürgerkrieg im Bürgerkrieg im Jemen
Im südjemenitischen Aden kämpfen Regierungstruppen gegen Milizen: Im Krieg gegen die Huthi-Rebellen stehen sie eigentlich auf einer Seite. Aber die Allianz ist am Zerbrechen.
Dutzende Tote und hunderte Verletzte haben die Kämpfe in Aden in den vergangenen Tagen gefordert. Die südjemenitische Stadt ist nicht nur ein wichtiger Versorgungshafen, sondern auch die provisorische Hauptstadt für die international anerkannte Regierung des Jemen unter Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi. Denn die eigentliche Hauptstadt, Sanaa, ist ja in der Hand der nördlichen Huthi-Rebellen. Nun droht Hadi – der sich zumeist in Saudi-Arabien aufhält – aber auch Aden zu verlieren. Südjemenitische Separatisten haben den Präsidentenpalast besetzt, um die von Hadi eingesetzte Verwaltung zu stürzen. Die jemenitischen Regierungstruppen haben am Sonntag, dem Beginn des islamischen Opferfests, eine Gegenoffensive gestartet.
Frage: Wer bekämpft wen in Aden?
Antwort: Auf der einen Seite stehen die Truppen Hadis. Auf der anderen Seite stehen die Paramilitärs der Security Belt Forces, des bewaffneten Arms des 2017 gegründeten STC (Southern Transitional Council, Südlicher Übergangsrat). Das sind Separatisten, die eine südjemenitische Unabhängigkeit wollen. Aber beide Seiten gehören eigentlich derselben Koalition an: Sie bekämpft die schiitischen Huthi-Rebellen, die 2014 die Hauptstadt Sanaa einnahmen, 2015 bis nach Aden marschierten und von dort wieder vertrieben wurden.
Frage: Das heißt auch, beide Seiten werden von der saudisch geführten Anti-Huthi-Allianz unterstützt?
Antwort: Ja, aber von unterschiedlichen Kräften in dieser Allianz. Saudi-Arabien unterstützt Präsident Hadi, und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) unterstützen die Separatisten, die Hadis Truppen aus Aden werfen wollen.
Frage: Das heißt, die saudisch geführte Allianz ist zerbrochen?
Antwort: Bisher ist es Riad und Abu Dhabi immer wieder gelungen, den Konflikt zwischen ihren Stellvertretern am Boden wieder einzudämmen: Denn die Huthis sind ja noch immer nicht besiegt. Bereits zu Beginn des Jahres 2018 kam es zu einer ähnlichen Krise. Aber eine Versöhnung wird jedes Mal schwieriger.
Frage: Was war der Auslöser der jetzigen Krise?
Antwort: Die Kämpfe sind während des Begräbnisses eines bekannten SecurityBelt-Forces-Kommandanten ausgebrochen, der ein paar Tage zuvor bei einem Raketenangriff getötet worden war. Die Huthis haben dafür die Verantwortung übernommen, aber manche STC-Separatisten sind davon überzeugt, dass die Islah-Partei dahintersteckte. Und die steht wiederum Präsident Hadi nahe. Deshalb der Sturm auf den Präsidentenpalast – wo noch dazu ein Sohn von Hadi, General Nasser Abd Rabbo Hadi, die Präsidentengarden kommandiert.
Frage: Was ist die Islah-Partei?
Antwort: Sie gilt als die stärkste politische Kraft des Jemen und wird den Muslimbrüdern zugerechnet. Aber für die südlichen Separatisten ist sie vor allem eines: eine nördliche Partei. Für die Separatisten sind die aus dem Nordjemen kommenden Huthis und die Islah zwei Seiten einer Medaille. Sie wollen nicht mehr von nördlichen Kräften dominiert werden – was ja nach der Vereinigung von Süd- und Nordjemen (1990) zu einem Bürgerkrieg geführt hat, den der Süden verloren hat.
Dass die Islah der Muslimbruderschaft zugerechnet wird, ist der Grund, warum ihr die extrem muslimbruderfeindlichen VAE feindlich gegenüberstehen. Während Saudi-Arabien trotzdem mit Hadi arbeitet, wohl auch, weil er so schwach ist und völlig von Riad abhängt.
Frage: Auf der einen Seite ist es Hadi, wer sind die Führer auf der anderen Seite?
Antwort: Da ist einmal Aidarus al-Zubaidy. Er wurde 2015 von Hadi zum Gouverneur von Aden ernannt – und 2017 von diesem gefeuert. Das war der Anlass der Gründung des STC. In den Vordergrund rückt derzeit sein Vize Hani Bin Breik, der den Sturm der Security Belt Forces auf den Maashiq-Palast befohlen hat. Er gilt als deren Gründer.
Frage: Vertritt der STC alle südlichen Kräfte?
Antwort: Auch unter den Separatisten stehen ihm einige skeptisch gegenüber. Al-Zubaidy wird vorgeworfen, dass er vor allem seine Provinz, Dhale, fördert.
Frage: Wie wird es weitergehen?
Antwort: Es besteht die Befürchtung, dass sich der Konflikt über Aden hinaus auf den Süden ausdehnt: Profiteure wären dann AlKaida, die im Südjemen weiter stark ist, und der „Islamische Staat“. Und es könnte eine weitere humanitäre Katastrophe geben. Auch die Huthis wären Gewinner. Militärische Kräfte, die jetzt gegen die Huthis kämpfen, könnten an eine andere Front geschickt werden. Und der Druck auf die Huthis, eine diplomatische Lösung zu akzeptieren, würde abnehmen.
Im fünften Jahr ihrer Intervention im Jemen – die nach dem damals 29-jährigen neuen Verteidigungsminister Mohammed bin Salman ein paar Wochen dauern sollte – ist das Desaster für die Saudis perfekt. In Aden kämpfen von ihnen unterstützte jemenitische Truppen gegen jemenitische Milizen, die von ihrem Partner in diesem Krieg, den Vereinigten Arabischen Emiraten, unterstützt werden. Die Huthi-Rebellen im Norden, wegen derer Übernahme von Aden im März 2015 die saudisch geführte Koalition in den Krieg eingetreten ist, können sich ins Fäustchen lachen. Und sie haben die Krise mit einem Raketenangriff auf Aden Anfang August sogar ausgelöst.
Die Interessen von Riad und Abu Dhabi im Jemen sind in den vergangenen Jahren immer weiter auseinandergedriftet. Für die Saudis geht es auf einer Metaebene um die große Auseinandersetzung mit dem Iran: Die schiitischen Huthis sind aus saudischer Sicht nichts anderes als ein Instrument der iranischen Einflusspolitik.
Nicht, dass das für die VAE keine Rolle spielen würde, aber das kleine reiche Land arbeitet zudem auf beiden Seiten des Horn von Afrika aggressiv an der Erweiterung seines strategischen Radius. Die Unterstützung der südjemenitischen Separatisten bot sich förmlich an: was nicht nur dem jemenitischen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi politisch das Genick bricht, sondern auch dessen Schutzmacht, Saudi-Arabien, lächerlich aussehen lässt.