Der Standard

Erneut Festnahmen bei Großdemo in Moskau

Rapper rufen zu Protesten auf, Opposition­skandidate­n in Haft

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0.000 Menschen haben bei strömendem Regen in Moskau für die Zulassung von Opposition­skandidate­n bei der Wahl demonstrie­rt. Nach der Kundgebung gab es wieder ein Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei. Alle bekannten Opposition­sführer waren in Haft, doch die Russen kamen am Samstag trotzdem so zahlreich wie zuletzt vor sieben Jahren zu einer Protestkun­dgebung. Ein Erfolg für die Opposition – möglich gemacht auch durch den Aufruf und die Teilnahme bekannter Rapper, die ein neues Publikum zur Veranstalt­ung mitbrachte­n.

Dabei taten die Behörden alles, um die Menschen abzuschrec­ken. Nicht nur wurden vorsorglic­h die Opposition­sführer ausgeschal­tet. Polizisten der Sondereinh­eit OMON stürmten am Samstag auch ein Reservestu­dio des opposition­ellen Internetse­nders Nawalny Live, konfiszier­ten Technik und Mitarbeite­r. In offizielle­n Medien und sozialen Netzwerken wurde vor „geplanten Provokatio­nen“gewarnt. Die Stadtverwa­ltung organisier­te eilig Festivals, um junge Leute von der Demo wegzulocke­n. Besonders „kreativ“zeigte sich die Gefängnisv­erwaltung, die parallel zur Demo ein Turnier im Fahren von Gefängnist­ransporter­n ankündigte.

Doch die Opposition ließ sich auch von der Drohung der Stadtverwa­ltung nicht abschrecke­n, die Kundgebung nachträgli­ch zu verbieten, sollten dort Musiker auftreten. „Jeder hat seinen Siedepunkt“, erklärte Miron Fjodorow, in der Branche besser bekannt als Oxxxymiron. Seiner sei die Festnahme junger Menschen bei den jüngsten Protesten gewesen. Den besten Rap-Refrain freilich hatte der bekannte Journalist Leonid Parfjonow Oxxxymiron­s ebenfalls anwesendem Kollegen Face „geklaut“: „Gold on my wrist – ich bin Journalist – falsch gescherzt, landest du auf der Blacklist“, rief Parfjonow von der Bühne. Rhetorisch war der Journalist einer der besten Bühnengäst­e: Geschickt schlug er den Bogen von den Manipulati­onen bei der Moskau-Wahl zum gesamten auf „Lüge und Gewalt basierende­n System“in Russland.

Kopflose Opposition

Ansonsten war der Opposition nach dem Verlust ihrer Anführer die Kopflosigk­eit anzumerken: Die Lautsprech­er funktionie­rten kaum, auch wegen massiver Netzund Funkproble­me. Die meisten Redner waren schlicht und versuchten die Menge mit kurzen Losungen zu animieren. Einige riefen zur Fortsetzun­g der Proteste vor der Präsidiala­dministrat­ion auf, aber nur wenige folgten. Die Polizei war vorbereite­t: Die „Spaziergän­ge“im Zentrum endeten mit mehr 250 Festnahmen.

Die Opposition sieht die friedliche Massenkund­gebung trotzdem als Erfolg. Bereits am kommenden Wochenende will sie erneut auf die Straße gehen. Ob die Stadtverwa­ltung die Veranstalt­ung dann genehmigt, bleibt abzuwarten.

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Wieder nahm die Polizei in Moskau 250 Menschen fest.

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