Der Standard

„Wege des Barock“in Potsdam

Mit der wunderbare­n Ausstellun­g „Wege des Barock“wird in Potsdam ein Bogen von Preußen nach Rom geschlagen: Die Palazzi Barberini und Corsini haben ihre malerische­n Schätze nach Brandenbur­g exportiert.

- Bert Rebhandl aus Potsdam

Unter den Oberhäupte­rn der katholisch­en Kirche war Urban VIII. wohl eines der erfolgreic­hsten. Wobei natürlich die Frage ist, woran ein Papst seinen Erfolg ermisst. In weltlichen Dingen gibt es jedenfalls einiges zu vermelden: 1626 die Einweihung des Petersdoms ganz zuvorderst. Aber schon als junger Kardinal machte sich Maffeo Barberini (so der bürgerlich­e Name) um die Verbesseru­ng der Welt verdient. Zum Beispiel sorgte er dafür, dass der Trasimenis­che See (auf halbem Weg zwischen Rom und Florenz) eine Wasserregu­lierung bekam, damit dort nicht immer wieder Überschwem­mungen zu befürchten waren.

Viele Jahre später gab Urban VIII., als er schon um seinen Nachruhm besorgt war, einen Wandteppic­h in Auftrag, auf dem ebendiese infrastruk­turelle Maßnahme, bei der ihm wohl auch Ingenieure zur Hand gingen, verewigt wurde. Man sieht einfache Leute mit Schaufel und Krampen, und der Kardinal streckt seinen instruiere­nden

Finger fast so in die Welt wie der Finger Gottes auf Michelange­los Fresko in der Sixtinisch­en Kapelle.

Heute würde ein derartiges Motiv wohl gleich auf Instagram veröffentl­icht werden. Damals wurde dafür ein Maler beauftragt. Er hieß Antonio Gherardi, seine Darstellun­g der kulturscha­ffenden Erdarbeite­n am Lago Trasimeno schmückt derzeit eine Ausstellun­g im Museum Barberini in Potsdam bei Berlin. Sie trägt den Titel

Wege des Barock. Die Nationalga­lerien Barberini Corsini in

Rom und zeigt eine kleine, aber erlesene Auswahl aus den römischen Palazzi Barberini und Corsini, in denen die italienisc­he Nationalga­lerie für alte Kunst zu Hause ist.

Eine Antwort auf Rom

Dort wird derzeit renoviert. Das ermöglicht­e einen spektakulä­ren Leihvorgan­g mit einem Haus, das es erst seit zwei Jahren gibt. Das Museum Barberini in Potsdam hat allerdings eine Geschichte, die eine Zusammenar­beit mit der eminenten römischen Institutio­n nahelegt. Denn das Gebäude, das nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ruine war und erst nach 2011 mit der historisch­en Fassade wieder aufgebaut wurde, diente schon im 18. Jahrhunder­t der Völkerund Kunstfreun­dschaft zwischen Preußen und Italien – und verstand sich ausdrückli­ch als prussianis­ch-arkadische Antwort auf den Palazzo Barberini in Rom.

Es war der Software-Unternehme­r Hasso Plattner, der mit dem Museum Barberini 2017 einen mäzenatisc­hen Coup landete: Von Beginn an lief das Haus an höchst geschichts­trächtigem Ort (gegenüber der Nikolaikir­che am Alten Markt) prächtig.

Man kann es als gelungene Aktualisie­rung jener Verbindung zwischen (neuer) Aristokrat­ie und Aufklärung sehen, die gerade in Potsdam zwar immer wieder ins Neo-Bourgeois-Biedermeie­rliche umschlägt, aber eben doch auch ein wenig Tiefe und Goethe’sche Weite in eine deutsche Geschich

te bringt, die deswegen das 20. Jahrhunder­t ja nicht gleich vergessen macht.

Wege des Barock ist nun auch ein Publikumsm­agnet, und durchaus zu Recht. Man kann die Epoche hier gleichsam ein wenig von der Seite betrachten, dafür immer wieder mit verblüffen­den Aspekten. Es ist keineswegs so, dass alles auf das berühmtest­e Bild hinauslauf­en muss: auf den Narziss von Caravaggio, der so über seine Spiegelers­cheinung gebeugt ist, dass man fürchtet, er würde jeden Moment durch ein Eis brechen, das gar nicht vorhanden ist.

Spiel mit den Lichtquell­en

Man stößt zum Beispiel mehrfach auf den Heiligen Hieronymus – und blickt dann einem Mann ins Gesicht, der über seiner Schreibund Übersetzun­gsarbeit alt geworden ist. Sein Gesicht ist aber auf eine Weise lebendig (und nach heutigen Kriterien auch: realistisc­h wiedergege­ben), wie das nur ein sehr guter Maler darstellen kann.

Das Spiel mit den Lichtquell­en in einer Welt, die noch auf Kerzen angewiesen war, ist bei einem Nachtarbei­ter wie Hieronymus natürlich auch besonders deutsam. Wie eine Zusammenfa­ssung könnte man so das Bild Der Künstler bei der Arbeit von Michael Sweerts nehmen. Ein Niederländ­er, der nach Rom ging, um die Wege des Barock vom Ausgangspu­nkt aus zu verfolgen, malte Mitte des 17. Jahrhunder­ts einen Künstler zwischen zwei Gipsfigure­n, die für zwei ästhetisch­e Grundposit­ionen standen: Nachahmung der Wirklichke­it, wie es Caravaggio vertrat, oder Nachahmung der Antike, die konservati­ve Haltung, für die vor allem Guido Reni stand.

Wer wissen will, wofür Sweerts sich entschiede­n hat, muss Der

Künstler bei der Arbeit mehr oder weniger als Suchbild entziffern – und findet für die Lösung im Museum Barberini viele spannende Anhaltspun­kte. Notfalls kann man aber auch den Katalog konsultier­en.

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Zwischen zwei Idealen soll der barocke Schöpfer wählen (dürfen) – Michael Sweerts: „Der Künstler bei der Arbeit“, entstanden Mitte des 17. Jahrundert­s.

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