Wie viel darf das Schnitzerl kosten?
Muss Fleisch dem Klimaschutz zuliebe im Supermarkt und im Restaurant teurer werden? Rund um diese Frage ist nun auch in Österreich eine heftige Debatte entbrannt. Die SPÖ ist gegen höhere Schnitzelpreise, die Liste Jetzt zumindest bei ausländischem Fleisc
Das Schnitzerl ist zurzeit in aller Munde. Während in Deutschland über die Anhebung der Mehrwertsteuer auf Fleisch diskutiert wird und der Weltklimarat in Genf vor den Folgen der intensiven Landwirtschaft warnt, hat Österreich sein eigenes, kleines Schnitzerl-Gate. Konkret geht es um eine Aussage von SPÖ-Spitzenkandidatin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter. Dort forderte sie faire Preise für Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch. „Denn das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden!“Auf Twitter sorgte die Kampfansage der SPÖ-Politikerin – die noch dazu gerade in einem Luxusclub in Saint-Tropez weilt – jedenfalls für heftige Debatten.
Ob Luxussteak oder Billighenderl, fest steht: Die Nachfrage nach Fleisch ist in Österreich seit 25 Jahren mehr oder weniger konstant geblieben. Seit 1995 ist der Fleischkonsum pro Jahr und Bauch um zwei Kilogramm auf 63,4 Kilo zurückgegangen. Gleichzeitig ist der Fleischpreis in den vergangenen Jahren leicht gestiegen: Laut Agrarmarkt Austria lag der Durchschnittspreis von einem Kilogramm Schweinsschnitzerl im Einzelhandel 2014 bei 6,29 Euro. 2018 mussten Konsumenten für das gleiche Produkt bereits 7,07 Euro bezahlen – ein Plus von 12,4 Prozent, was deutlich über der Inflationsrate lag.
Fleisch wurde billiger ...
Über die vergangenen Jahrzehnte gerechnet sind Lebensmittel und Fleisch deutlich günstiger geworden. Laut Statistik Austria gab ein Konsument im Jahr 1954 im Schnitt 45 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel und alkoholfreie Getränke aus. 2015, in dem Jahr, aus dem die jüngste umfassende Erhebung dazu stammt, waren es nur noch 13 Prozent. Laut einer Berechnung von Josef Baumgartner vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) musste ein Beschäftigter in der Industrie im Jahr 1970 fast drei Stunden arbeiten, um sich ein Kilo Schweinefleisch im Supermarkt leisten zu können. Heute sind es gerade noch 39 Minuten. Auch das Schnitzel im Restaurant hat sich verbilligt.
Die Entwicklung hat zwei Ursachen, sagt Baumgartner. Einerseits sind die Haushalte deutlich wohlhabender geworden. Sie geben also einen immer kleineren Teil der Einkommen für Essen und Trinken aus. Zugleich sind die Preise für Lebensmittel gesunken, was vor allem an der zunehmenden Industrialisierung der Landwirtschaft liegt.
Eine Kostenwahrheit existiert beim Fleisch allerdings nur selten, meint der niederösterreichische Schweine- und Rinderbauer Vinzenz Harbich. „Fleisch ist bei uns auf jeden Fall extrem günstig.“Das habe gleich mehrere Gründe: Zum einen sei der Druck aus dem Ausland, in dem oft geringere Tierschutzstandards gelten, hoch.
Der Biobauer kritisiert, dass zuletzt „die Schleusen nach Südamerika geöffnet wurden“. Heimische Landwirte fürchten, dass der Rindfleischmarkt durch das Mercosur-Abkommen zwischen der EU und vier südamerikanischen Staaten geflutet wird. Hinzu kommt eine Exportquote von US-Rindfleisch in die EU.
Auch Subventionen würden zu einer Verzerrung am Fleischmarkt führen, sagt Harbich: „Selbstverständlich wird der Preis durch Förderungen niedrig gehalten.“Ganz ohne diese könnten viele kleine Betriebe zusperren, meint der Landwirt. Von einer Anhebung der Mehrwertsteuer nur auf Fleisch hält Harbich jedenfalls nichts. Damit würde man sämtliche Viehwirte – von Bio-, über Almbauern bis hin zu großen Rinderzüchtern – über einen Kamm scheren. Aber: „Es wäre toll, wenn wir ohne Fördeterreichischen rungen und nur von dem Produkt leben könnten.“
Mit dem Thema Preiswahrheit verknüpft ist die Klimafrage. Wie der vergangene Woche veröffentlichte Weltklimabericht verdeutlicht, ist die Nahrungsmittelproduktion entlang der gesamten Wertschöpfungskette für bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich.
... trotz fataler Klimabilanz
In der Landwirtschaft spielen vor allem Methan und Lachgas eine Rolle. Ersteres ist 21-mal so klimaschädlich wie CO2, Lachgas hat eine 300-mal stärkere Wirkung. Die schlechte Umweltbilanz von Fleisch ist auch dem ösKlimavolksbegehren ein Dorn im Auge: „Österreichisches Rindfleisch erzeugt um 80 Prozent weniger Emissionen als argentinisches – und Letzteres ist dennoch meist billiger“, kritisiert Sprecherin Katharina Rogenhofer. Die Liste Jetzt fordert unter anderem deshalb eine höhere Mehrwertsteuer auf Fleisch, eine Ausnahme soll es nur für heimische Bioprodukte geben.
Bleibt die Frage, was die SPÖ mit dem Schnitzelthema im Wahlkampf gewinnen will? Die Frage der Ernährung lässt sich jedenfalls unter sozialen Aspekten diskutieren. So gibt das ärmere Drittel der Haushalte laut Wifo rund 18 Prozent seines Einkommens für Lebensmittel, Getränke und Tabak aus – Letzteres ist bei dieser Rechnung inkludiert. Bei dem reichsten Drittel sind es doch eine Spur weniger, bloß 14 Prozent. Würde die Mehrwertsteuer für Fleisch angehoben werden, wären ärmere Haushalte davon stärker belastet. Weil sie einen höheren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, belastet sie die Umsatzsteuer im Vergleich stärker als wohlhabendere Haushalte.
Übrigens: Schnitzel ist nicht gleich Schnitzel. Laut dem deutschen Ökoinstitut verursacht die Herstellung von einem Kilo Rindfleisch 13,3 Kilo CO2-Äquivalent. Für Geflügel sind es nur 3,5 Kilo, für Schwein 3,25 Kilo.
Es tut sich was beim Klimaschutz. Mit der Bewegung Fridays for Future kam viel Schwung in das Thema. Dass es keinen Planeten B gibt, wir also das Leben auf dieser Erde nachhaltig gestalten müssen, schafft es auf der Liste der größten Anliegen der Menschen ganz weit nach oben. Das ist erfreulich. Völlig diffus erscheinen hingegen die Lösungsansätze. Zuletzt sorgten Schlagzeilen über eine Fleischsteuer für hitzige Debatten über die Sinnhaftigkeit derartiger Maßnahmen. Isolierte Vorstöße ohne Gesamtkonzept laufen Gefahr, in der Sache wenig Fortschritt zu bringen, dafür aber die Menschen zu verunsichern.
Das kann in niemandes Interesse liegen. Auch energische Befürworter des Klimaschutzes sollten nicht übersehen, dass Konsumgewohnheiten und Einkommensfragen auch Pfeiler einer liberalen Gesellschaft darstellen. Wer mit Verboten um sich schmeißt und sich jeden Tag eine neue Steuer ausdenkt, um Menschen zu „lenken“, missachtet diese Prinzipien. Auch dem Umweltschutz dienen überzogene und unkoordinierte Initiativen nicht, selbst wenn sie gut gemeint sind. Vielmehr steigt die Gefahr, dass sich der aktuelle Klimahype rasch als Zwischenhoch erweist.
Das wird zusehends der Fall sein, wenn die Verbraucher in ein Zwangskorsett gesteckt werden und nur noch über neue Belastungen geredet wird. Genau dieser Eindruck wird derzeit vermittelt. Einmal ist von Verstaatlichung der Fluggesellschaften die Rede, einmal von massiver Verteuerung der Energie, dann werden wieder Verbote wichtiger Infrastrukturprojekte gefordert. Nicht nur die Konsumenten ahnen, was da auf sie zukommt, auch die Wirtschaft bangt um die Zukunftsfähigkeit des Landes. Als Öko-Disneyland wird Österreich den globalen Herausforderungen, insbesondere den technologischen, nämlich nicht gerecht.
Also einfach weitermachen wie bisher? Nein. Das türkis-blaue Herumwursteln hat Österreich klimapolitisch nicht weitergebracht, im europäischen Vergleich sogar zurückgeworfen. Was also tun? Allein schon mit der Abschaffung von Ausnahmen wäre der Umwelt extrem geholfen: Dieselprivileg, üppige Pendlerpauschale oder Befreiung des Kerosins von der Mineralölsteuer sind in einer
Gesellschaft, die Klimaschutz ernst nimmt, obsolet.
Nicht anders verhält es sich mit den üppigen Subventionen für die Landwirtschaft, insbesondere in der Nahrungsmittelproduktion. Wenn beispielsweise großflächiger Futteranbau und Massentierhaltung auch noch massiv gefördert werden, ist etwas faul in der EU. Neben der radikalen Streichung agrarischer Förderungen sollte die Union bald ein schlüssiges Abgabenkonzept ausarbeiten. Eine CO2Steuer muss her, und zwar in Etappen, um Anpassungen zu ermöglichen. Ebenso wichtig: Die Einnahmen müssen dafür verwendet werden, Mehrbelastungen für sozial schwache Gruppen abzufedern. Die Schweiz verfügt beispielsweise über ein Umweltbonussystem, durch das zusätzliche Erlöse verteilt werden.
Österreich und die Union brauchen einen klimapolitischen Masterplan, der Subventionen abbaut und CO2Ausstoß spürbar verteuert. Dadurch würde auch das Schnitzel verteuert – aber eben im Rahmen einer langfristigen Strategie, die von den Bürgern nicht als reines Belastungspaket wahrgenommen, sondern weitgehend akzeptiert wird.