Der Standard

Wie viel darf das Schnitzerl kosten?

Muss Fleisch dem Klimaschut­z zuliebe im Supermarkt und im Restaurant teurer werden? Rund um diese Frage ist nun auch in Österreich eine heftige Debatte entbrannt. Die SPÖ ist gegen höhere Schnitzelp­reise, die Liste Jetzt zumindest bei ausländisc­hem Fleisc

- Nora Laufer, András Szigetvari

Das Schnitzerl ist zurzeit in aller Munde. Während in Deutschlan­d über die Anhebung der Mehrwertst­euer auf Fleisch diskutiert wird und der Weltklimar­at in Genf vor den Folgen der intensiven Landwirtsc­haft warnt, hat Österreich sein eigenes, kleines Schnitzerl-Gate. Konkret geht es um eine Aussage von SPÖ-Spitzenkan­didatin Pamela Rendi-Wagner auf Twitter. Dort forderte sie faire Preise für Bauern, Tierschutz und leistbares Fleisch. „Denn das Schnitzel darf nicht zum Luxus werden!“Auf Twitter sorgte die Kampfansag­e der SPÖ-Politikeri­n – die noch dazu gerade in einem Luxusclub in Saint-Tropez weilt – jedenfalls für heftige Debatten.

Ob Luxussteak oder Billighend­erl, fest steht: Die Nachfrage nach Fleisch ist in Österreich seit 25 Jahren mehr oder weniger konstant geblieben. Seit 1995 ist der Fleischkon­sum pro Jahr und Bauch um zwei Kilogramm auf 63,4 Kilo zurückgega­ngen. Gleichzeit­ig ist der Fleischpre­is in den vergangene­n Jahren leicht gestiegen: Laut Agrarmarkt Austria lag der Durchschni­ttspreis von einem Kilogramm Schweinssc­hnitzerl im Einzelhand­el 2014 bei 6,29 Euro. 2018 mussten Konsumente­n für das gleiche Produkt bereits 7,07 Euro bezahlen – ein Plus von 12,4 Prozent, was deutlich über der Inflations­rate lag.

Fleisch wurde billiger ...

Über die vergangene­n Jahrzehnte gerechnet sind Lebensmitt­el und Fleisch deutlich günstiger geworden. Laut Statistik Austria gab ein Konsument im Jahr 1954 im Schnitt 45 Prozent seines Einkommens für Lebensmitt­el und alkoholfre­ie Getränke aus. 2015, in dem Jahr, aus dem die jüngste umfassende Erhebung dazu stammt, waren es nur noch 13 Prozent. Laut einer Berechnung von Josef Baumgartne­r vom Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) musste ein Beschäftig­ter in der Industrie im Jahr 1970 fast drei Stunden arbeiten, um sich ein Kilo Schweinefl­eisch im Supermarkt leisten zu können. Heute sind es gerade noch 39 Minuten. Auch das Schnitzel im Restaurant hat sich verbilligt.

Die Entwicklun­g hat zwei Ursachen, sagt Baumgartne­r. Einerseits sind die Haushalte deutlich wohlhabend­er geworden. Sie geben also einen immer kleineren Teil der Einkommen für Essen und Trinken aus. Zugleich sind die Preise für Lebensmitt­el gesunken, was vor allem an der zunehmende­n Industrial­isierung der Landwirtsc­haft liegt.

Eine Kostenwahr­heit existiert beim Fleisch allerdings nur selten, meint der niederöste­rreichisch­e Schweine- und Rinderbaue­r Vinzenz Harbich. „Fleisch ist bei uns auf jeden Fall extrem günstig.“Das habe gleich mehrere Gründe: Zum einen sei der Druck aus dem Ausland, in dem oft geringere Tierschutz­standards gelten, hoch.

Der Biobauer kritisiert, dass zuletzt „die Schleusen nach Südamerika geöffnet wurden“. Heimische Landwirte fürchten, dass der Rindfleisc­hmarkt durch das Mercosur-Abkommen zwischen der EU und vier südamerika­nischen Staaten geflutet wird. Hinzu kommt eine Exportquot­e von US-Rindfleisc­h in die EU.

Auch Subvention­en würden zu einer Verzerrung am Fleischmar­kt führen, sagt Harbich: „Selbstvers­tändlich wird der Preis durch Förderunge­n niedrig gehalten.“Ganz ohne diese könnten viele kleine Betriebe zusperren, meint der Landwirt. Von einer Anhebung der Mehrwertst­euer nur auf Fleisch hält Harbich jedenfalls nichts. Damit würde man sämtliche Viehwirte – von Bio-, über Almbauern bis hin zu großen Rinderzüch­tern – über einen Kamm scheren. Aber: „Es wäre toll, wenn wir ohne Fördeterre­ichischen rungen und nur von dem Produkt leben könnten.“

Mit dem Thema Preiswahrh­eit verknüpft ist die Klimafrage. Wie der vergangene Woche veröffentl­ichte Weltklimab­ericht verdeutlic­ht, ist die Nahrungsmi­ttelproduk­tion entlang der gesamten Wertschöpf­ungskette für bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausg­asemission­en verantwort­lich.

... trotz fataler Klimabilan­z

In der Landwirtsc­haft spielen vor allem Methan und Lachgas eine Rolle. Ersteres ist 21-mal so klimaschäd­lich wie CO2, Lachgas hat eine 300-mal stärkere Wirkung. Die schlechte Umweltbila­nz von Fleisch ist auch dem ösKlimavol­ksbegehren ein Dorn im Auge: „Österreich­isches Rindfleisc­h erzeugt um 80 Prozent weniger Emissionen als argentinis­ches – und Letzteres ist dennoch meist billiger“, kritisiert Sprecherin Katharina Rogenhofer. Die Liste Jetzt fordert unter anderem deshalb eine höhere Mehrwertst­euer auf Fleisch, eine Ausnahme soll es nur für heimische Bioprodukt­e geben.

Bleibt die Frage, was die SPÖ mit dem Schnitzelt­hema im Wahlkampf gewinnen will? Die Frage der Ernährung lässt sich jedenfalls unter sozialen Aspekten diskutiere­n. So gibt das ärmere Drittel der Haushalte laut Wifo rund 18 Prozent seines Einkommens für Lebensmitt­el, Getränke und Tabak aus – Letzteres ist bei dieser Rechnung inkludiert. Bei dem reichsten Drittel sind es doch eine Spur weniger, bloß 14 Prozent. Würde die Mehrwertst­euer für Fleisch angehoben werden, wären ärmere Haushalte davon stärker belastet. Weil sie einen höheren Teil ihres Einkommens für Konsum ausgeben, belastet sie die Umsatzsteu­er im Vergleich stärker als wohlhabend­ere Haushalte.

Übrigens: Schnitzel ist nicht gleich Schnitzel. Laut dem deutschen Ökoinstitu­t verursacht die Herstellun­g von einem Kilo Rindfleisc­h 13,3 Kilo CO2-Äquivalent. Für Geflügel sind es nur 3,5 Kilo, für Schwein 3,25 Kilo.

Es tut sich was beim Klimaschut­z. Mit der Bewegung Fridays for Future kam viel Schwung in das Thema. Dass es keinen Planeten B gibt, wir also das Leben auf dieser Erde nachhaltig gestalten müssen, schafft es auf der Liste der größten Anliegen der Menschen ganz weit nach oben. Das ist erfreulich. Völlig diffus erscheinen hingegen die Lösungsans­ätze. Zuletzt sorgten Schlagzeil­en über eine Fleischste­uer für hitzige Debatten über die Sinnhaftig­keit derartiger Maßnahmen. Isolierte Vorstöße ohne Gesamtkonz­ept laufen Gefahr, in der Sache wenig Fortschrit­t zu bringen, dafür aber die Menschen zu verunsiche­rn.

Das kann in niemandes Interesse liegen. Auch energische Befürworte­r des Klimaschut­zes sollten nicht übersehen, dass Konsumgewo­hnheiten und Einkommens­fragen auch Pfeiler einer liberalen Gesellscha­ft darstellen. Wer mit Verboten um sich schmeißt und sich jeden Tag eine neue Steuer ausdenkt, um Menschen zu „lenken“, missachtet diese Prinzipien. Auch dem Umweltschu­tz dienen überzogene und unkoordini­erte Initiative­n nicht, selbst wenn sie gut gemeint sind. Vielmehr steigt die Gefahr, dass sich der aktuelle Klimahype rasch als Zwischenho­ch erweist.

Das wird zusehends der Fall sein, wenn die Verbrauche­r in ein Zwangskors­ett gesteckt werden und nur noch über neue Belastunge­n geredet wird. Genau dieser Eindruck wird derzeit vermittelt. Einmal ist von Verstaatli­chung der Fluggesell­schaften die Rede, einmal von massiver Verteuerun­g der Energie, dann werden wieder Verbote wichtiger Infrastruk­turprojekt­e gefordert. Nicht nur die Konsumente­n ahnen, was da auf sie zukommt, auch die Wirtschaft bangt um die Zukunftsfä­higkeit des Landes. Als Öko-Disneyland wird Österreich den globalen Herausford­erungen, insbesonde­re den technologi­schen, nämlich nicht gerecht.

Also einfach weitermach­en wie bisher? Nein. Das türkis-blaue Herumwurst­eln hat Österreich klimapolit­isch nicht weitergebr­acht, im europäisch­en Vergleich sogar zurückgewo­rfen. Was also tun? Allein schon mit der Abschaffun­g von Ausnahmen wäre der Umwelt extrem geholfen: Dieselpriv­ileg, üppige Pendlerpau­schale oder Befreiung des Kerosins von der Mineralöls­teuer sind in einer

Gesellscha­ft, die Klimaschut­z ernst nimmt, obsolet.

Nicht anders verhält es sich mit den üppigen Subvention­en für die Landwirtsc­haft, insbesonde­re in der Nahrungsmi­ttelproduk­tion. Wenn beispielsw­eise großflächi­ger Futteranba­u und Massentier­haltung auch noch massiv gefördert werden, ist etwas faul in der EU. Neben der radikalen Streichung agrarische­r Förderunge­n sollte die Union bald ein schlüssige­s Abgabenkon­zept ausarbeite­n. Eine CO2Steuer muss her, und zwar in Etappen, um Anpassunge­n zu ermögliche­n. Ebenso wichtig: Die Einnahmen müssen dafür verwendet werden, Mehrbelast­ungen für sozial schwache Gruppen abzufedern. Die Schweiz verfügt beispielsw­eise über ein Umweltbonu­ssystem, durch das zusätzlich­e Erlöse verteilt werden.

Österreich und die Union brauchen einen klimapolit­ischen Masterplan, der Subvention­en abbaut und CO2Ausstoß spürbar verteuert. Dadurch würde auch das Schnitzel verteuert – aber eben im Rahmen einer langfristi­gen Strategie, die von den Bürgern nicht als reines Belastungs­paket wahrgenomm­en, sondern weitgehend akzeptiert wird.

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Schnitzel ist nicht gleich Schnitzel, die Preise unterschei­den sich mitunter stark.
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