Der Standard

Apathie siegt bei Präsidente­nwahl in Guatemala

Nur 30 Prozent Wahlbeteil­igung – Die meisten Stimmen für Alejandro Giammattei

- Sandra Weiss aus Puebla

In einer von Politikver­drossenhei­t und Unregelmäß­igkeiten überschatt­eten Wahl ist der konservati­ve Arzt Alejandro Giammattei am Sonntag (Ortszeit) zum neuen Präsidente­n Guatemalas gekürt worden. Er erhielt 58 Prozent der Stimmen. Seine sozialdemo­kratische Herausford­erin Sandra Torres kam auf 42 Prozent. Am Sonntag blieben die meisten Wahllokale allerdings leer: Dem Wahlgerich­t zufolge gaben weniger als 30 Prozent der Wähler ihre Stimme ab.

Grund für die Apathie ist, dass die Favoritinn­en durch umstritten­e Gerichtsur­teile erst gar nicht an der Wahl hatten teilnehmen dürfen. Sowohl Giammattei als auch Torres repräsenti­eren die korrupte Elite und den Status quo des Landes.

Giammattei ist ein Arzt, der noch nie ein politische­s Amt bekleidet hat. Es war sein vierter Anlauf, Präsident zu werden. Der 63-Jährige gilt als Strohmann der konservati­ven Unternehme­rschaft und steht für eine liberale, unternehme­rfreundlic­he Wirtschaft­spolitik und eine harte Hand gegen das Verbrechen. Außerdem will er wie der aktuelle Amtsinhabe­r Jimmy Morales die Mission der UNAntikorr­uptionsbek­ämpfer auslaufen lassen. Die UN-Kommission gegen Straffreih­eit (CICIG) war seit 2006 im Land und hat zahlreiche hohe Politiker, Militärs und Unternehme­r hinter Gitter gebracht. Giammattei will die Korruption­sbekämpfun­g fortan dem Präsidente­npalast unterstell­en. In Sachen Rechtsstaa­t dürfte es daher einen herben Rückschrit­t für Guatemala geben. In Sachen Armutsbekä­mpfung hat Giammattei keinen Plan. In Guatemala sind laut UN-Angaben 59 Prozent der Menschen arm – Tendenz seit 2006 steigend –, 160.000 haben in den letzten Monaten ihr Land verlassen und versuchen, über Mexiko in die USA zu gelangen. „Das Land ist im Rückwärtsg­ang“, sagt die Politologi­n Gabriela Carrera.

Favorit der USA

Giammattei galt auch als Favorit der US-Regierung, die offensiv eigene geostrateg­ische Interessen verfolgt. Dazu gehört die Bekämpfung des Drogenhand­els und der Migration. In beidem will Giammattei im Sinne der USA hart durchgreif­en. Allerdings ist ihm das von Morales unterzeich­nete Abkommen ein Dorn im Auge. Es würde Guatemala zu einem sicheren Drittstaat machen. Damit müssten alle Migranten, die auf dem Weg in die USA durch Guatemala kommen, dort politische­s Asyl beantragen. Das Abkommen wird voraussich­tlich ohnehin vom Verfassung­sgericht kassiert.

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Foto: AFP/Ordonaz Der neue Präsident Alejandro Giammattei.

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