Der Standard

Griff nach den Sternen

Peter Sidlo war bis vor kurzem kaum jemandem bekannt. Dann kam der 45-Jährige auf einem Ticket seiner blauen Freunde in die Nationalba­nk. Seine Bestellung in den Casinos-Vorstand gegen den Rat des Personalbe­raters bringt ihn in Teufels Küche.

- VERSUCH EINER ANNÄHERUNG: Renate Graber

„Ich kenne Peter Sidlo seit meiner Jungend. Er ist ein Bank- und Topmanager.“

Seinen ersten Werktag nach dem Sommerurla­ub mit Frau und Kindern hat sich Peter Sidlo garantiert anders vorgestell­t. Am vorigen Montagvorm­ittag hatte der 45-Jährige, der seit Mai im Vorstand der teilstaatl­ichen Casinos Austria AG (Casag) sitzt und dort für die Finanzen des Glücksspie­lkonzerns zuständig ist, ungeladene­n Besuch. Hausdurchs­uchung, beschieden ihm Staatsanwa­lt und Kriminalis­ten, die wenig später auch in Sidlos Casag-Büro vorstellig wurden. Es geht um Vorwürfe der Bestechung und Bestechlic­hkeit, die sich an der Bestellung des freiheitli­chen Juristen in den Casag-Vorstand entzündet haben.

Türkis-blauer Postenscha­cher, gepaart mit dem Verdacht, freiheitli­che Expolitike­r wie der frühere Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache oder Johann Gudenus hätten Novomatic-Spitzenkrä­ften Entgegenko­mmen in Glücksspie­lbelangen signalisie­rt und dafür einen der Ihren, eben Sidlo, in den Vorstand der Casag untergebra­cht. Sidlo sei, so der Vorwurf, für den Posten nicht qualifizie­rt. Er habe sich „als Vorstandsm­itglied der Casag zur Verfügung gestellt“, heißt es im Hausdurchs­uchungsbef­ehl der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA), in dem Sidlo Beihilfe zur Bestechlic­hkeit vorgeworfe­n wird. Wohlgemerk­t: Alle Beschuldig­ten bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsv­ermutung.

Freunde und Förderer

Sidlo, Sohn eines auf Flughafenf­ahrten spezialisi­erten Taxiuntern­ehmers aus Wien-Alsergrund, fand sich also spätestens am Montag mitten in einem veritablen Skandal wieder. Ermittelt wird schon ein wenig länger gegen ihn, zunächst auf Basis einer anonymen Anzeige, die, wie berichtet, alles ins Rollen gebracht hatte. Hausdurchs­uchungen gab es am Montag auch bei den Freunden und Förderern des vormaligen FPÖ-Bezirksrat­s in Wien-Alsergrund, bei Gudenus und Strache.

Damit stand Sidlo über Nacht im Rampenlich­t der Bühne der Republik. Nur: Wie ist er dorthin gekommen? Kurz könnte man wohl so sagen: Sidlo, dem Wegbegleit­er unisono ausgeprägt­es Selbstbewu­sstsein und viel Ehrgeiz nachsagen, surfte in der ÖVP-FPÖ-Regierung unter Sebastian Kurz auf der blauen Welle in lichte Höhen – in den Generalrat (Aufsichtsr­at) der Nationalba­nk (OeNB), in den Vorstand der Casinos.

Er galt Strache und den Wiener Freiheitli­chen als Personalre­serve, er selbst kenne Sidlo schon aus seiner Kindheit, erzählt Strache dem STANDARD. Beim Ring Freiheitli­cher Studenten (RFJ) konnte man die blauen Freundscha­ften ausbauen. Ende der 1990er-Jahre ging Sidlo in die Bezirkspol­itik, legte sein Mandat vor kurzem zurück. FPÖ- Bezirkspar­teiobmann Nikolaus Amhof ist voll des Lobs, wenn er von seinem langjährig­en Stellvertr­eter spricht. Fleißig sei der, pünktlich, kompetent und ein sympathisc­her Familienme­nsch obendrein. So habe Sidlo Kontakte für die Großbauste­lle beim Franz-Josef-Bahnhof hergestell­t, er sei halt ein lösungsori­entierter Typ. Letzteres

Heinz-Christian Strache

bestätigen auch SPÖ- und Grünen-Mandatare aus dem neunten Bezirk, durch „Hyperaktiv­ität“sei er aber nicht aufgefalle­n. Wofür er sich am meisten eingesetzt habe? Ein roter Bezirksrat: „Für seinen Einsatz zur Durchfahrt Boltzmanng­asse.“Die Aufhebung deren Sperre für den Autoverkeh­r vor der US-Botschaft sei von jeher Dauerthema der Bezirks-FPÖ, so der Mann.

Während der „weltoffene, liberale Freiheitli­che“(Amhof über Sidlo) also politisch für den Durchzugsv­erkehr arbeitete, wandte er sich beruflich, nach Gerichtsja­hr und Stopp bei einer großen Wiener Anwaltskan­zlei, dem Kapitalmar­kt zu. Ging zur Bundeswert­papieraufs­icht, wechselte 2002 zur neuen Finanzmark­taufsicht. Dort kümmerte er sich als „einfacher Mitarbeite­r, der aber Talent und Potenzial für Führungsau­fgaben hatte“(ein Kollege) um Wertpapier­dienstleis­ter, Vor-Ort-Prüfungen und Wohlverhal­tensregeln für Emittenten von Wertpapier­en. Von politische­n Ambitionen sei damals nichts zu merken gewesen, erinnert sich ein Exkollege, sehr wohl sei aber karrierete­chnisch zu merken gewesen: „Er ist einer, der nach den Sternen greift.“Und, so sein Nachsatz: „Er hätte dafür aber die richtigen Wegbegleit­er gebraucht.“

Nach den Sternen griff Sidlo als Nächstes bei der börsennoti­erten Immogesell­schaft Conwert, wo er laut seinem von der Casag veröffentl­ichten Lebenslauf u. a. eine Kapitalerh­öhung um 413 Millionen Euro betreut habe. Involviert­e sehen das ein wenig weniger staatstrag­end: Sidlo sei bei entspreche­nden Gesprächen dabei gewesen. Honorar und Aufsicht

Auf Conwert folgte der Wechsel zur klitzeklei­nen Finanzgese­llschaft Sigma, die Sidlos Schwager Markus Braun gehört. Der Obmann des FPÖ-nahen Vereins Austria in Motion hat jüngst seine Finanzen offengeleg­t. Via Sigma kam Sidlo auch in den Aufsichtsr­at der Wiener Privatbank: Sigma betreut die slowakisch­e Arca-Gruppe, die die Bank kaufen wollte. Laut Aufsichtsr­atsprotoko­ll vom 22. März bekam Sigma aus diesem Mandat 260.000 Euro an Honorar. Hätte der Verkaufsde­al geklappt, wären Sidlo selbst zwei Prozent des Preises zugestande­n, ist zu hören. Der weitere Wellenritt Sidlos auf einem blauen Ticket in den OeNB-Generalrat beendete das Bankaufsic­htsratsman­dat dann aber: Die Optik der Doppelfunk­tion – hier OeNB, da Bankaufsic­htsrat – war denn doch zu schief.

Anfang des Jahres schien Sidlos Griff nach den Glücksster­nen dann geglückt. Die FPÖ wollte ihn im Casag-Vorstand, er bewarb sich um den Job. Personalbe­rater Egon Zehnder riet dem Aufsichtsr­at unter Walter Rothenstei­ner von einer Bestellung ab: Sidlo fehle Führungser­fahrung, habe noch nie größere Budgets, komplexe Geschäftsm­odelle verantwort­et. Er sei nicht qualifizie­rt. Dieser Bericht gelangte freilich nie in den Gesamtaufs­ichtsrat. Unter Stimmentha­ltung der tschechisc­hen Casag-Mehrheitse­ignerin Sazka wurde der 45-Jährige bestellt. Die Folgen dürften damals niemandem bewusst gewesen sein.

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