Dubiose Idylle in St. Jakob
Eine FPÖ-Pension in Osttirol wurde zum Nebenschauplatz der Casinos-Affäre
– „Eine gemütliche, ruhige Frühstückspension“mit „liebevoll eingerichteten Zimmern“. So wird die Pension Enzian in St. Jakob, einem beschaulichen 800-Einwohner-Ort im Tiroler Defereggental, auf ihrer Website beworben. Die Beamten der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) sind am Montag nicht aus Urlaubszwecken dort aufgekreuzt. Eigentümer des Bauernhauses ist nämlich eine Vorfeldorganisation der FP Wien, der Verein „Freiheitliches Bildungsinstitut St. Jakob in Osttirol“. Im Zuge der Casinos-Postenschacheraffäre ist die Pension, die der Wiener Verein in Osttirol betreibt, ins Visier der Ermittler geraten.
Es habe sich um eine „freiwillige Nachschau“gehandelt, umschreibt die FPÖ die Razzia in einer Aussendung recht euphemistisch. Bei der WKStA will man sich nicht zur Hausdurchsuchung äußern, weil der Akt als Verschlusssache geführt wird. Was die Ermittler in Osttirol gesucht haben und worin der Zusammenhang zu den zeitgleichen Razzien bei Heinz-Christian Strache, Johann Gudenus und der Novomatic besteht, liegt noch im Dunkeln.
Ein genauerer Blick in die Tätigkeit des blauen Vereins wirft allerdings Fragen auf. Zum Beispiel, wozu die Wiener FPÖ überhaupt eine Gaststätte fernab der Hauptstadt benötigt. Ein Blick in die Statuten des Vereins macht die Sache nicht unbedingt klarer. So wird etwa die „Erhaltung des Waldes als Schutzwald“sowie die „Unterstützung des Brauchtums im Defereggental“als Vereinszweck angeführt. Außerdem will man sich – reichlich allgemein – der „Pflege kultureller und gesellschaftlicher Kontakte“widmen. Falls diesen Zwecken in den letzten Jahren tatsächlich Genüge getan wurde, dann muss dies gut vor der Öffentlichkeit verborgen worden sein, denn entsprechende Veranstaltungshinweise gibt es keine.
Ex-Parteichef Strache selbst hat sich in den letzten Jahren immer wieder in St. Jakob aufgehalten und war erst diesen Winter wieder zum Skiurlaub zugegen. Strache soll sich auch persönlich stark für den Kauf des Hauses eingesetzt haben. Er habe laut einem PresseBericht immer wieder davon gesprochen, dass der innerste Führungszirkel der Partei einen Zufluchtsort für den Tag X brauche, falls es zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen sollte. Und auch sein enger Freund Johann Gudenus war in die Gebarung des Bildungsinstituts involviert. Er war mehrere Jahre lang Vizepräsident des Vereins.
Was außerdem auffällig erscheint: Sämtliche Funktionäre des blauen Vereins wurden nur vier Tage nach Auftauchen des Ibiza-Videos neu bestellt. Warum hielten hochrangige Politiker der Wiener FPÖ ausgerechnet inmitten eines riesigen politischen Skandals, der ihren Chef den Job als Vizekanzler gekostet hatte, eine Generalversammlung ab, um den Vorstand des Vereins neu zu besetzen? Und wer saß zwischen Juni 2016 und Mai 2019 im Vorstand? Im Vereinsregister fehlen für diesen Zeitraum alle Angaben zu den Funktionsinhabern.
Versuche des STANDARD, eine Stellungnahme von maßgeblichen FPÖ-Politikern einzuholen, blieben erfolglos. Die Nationalratsabgeordneten Harald Stefan und Hans-Jörg Jenewein, die beide im Vorstand des Vereins saßen, wollten am Freitag nicht über die Causa sprechen.