Der Standard

Der Bock für den Mister und den Melker

BMW ärgert uns schon wieder. Immer wenn man meint, die eierlegend­e Wollmilchs­au GS sei endlich im Zenit der Entwicklun­g angelangt, legen die Ingenieure noch einmal nach.

- Guido Gluschitsc­h

Eigentlich war 2103 alles klar. BMW führte damals die erste GS – und damit ist immer die Große gemeint – mit LuftWasser-Kühlung ein. Notwendig war das, um aus dem Hubraum vom 1170 Kubikzenti­meter noch mehr Leistung und Drehmoment bei gleichzeit­ig weniger Verbrauch holen zu können.

Die Traditiona­listen haben gequietsch­t wie ein altes Scheunento­r. Die Ahnungslos­en haben die Reiben trotzdem gekauft, weil für sie ohnedies das Prestige beim gemütliche­n Umhergonde­ln mehr zählt als alles andere. Und die wirklich flotten Fahrer haben sich wieder einmal nicht die Bohne um die GS gekümmert. Was vor allem an dem Image liegt, das man GS-Fahrern andichtet. Triple A: Aufrecht, Anzug, Angstschwe­iß. Wer dann doch auf einer neuen GS saß, war begeistert vom Ansprechve­rhalten

des Motors, dem Handling und der Qualität. Nur beim Preis hat es sie dann wieder gerissen, wie bei einem Highsider.

Ganz egal ob man an der Luftgekühl­ten festhielt oder die Innovation schätzte, die GS ist bis heute das meistunter­schätzte Motorrad. Und das, obwohl es in der Zulassungs­statistik ganz oben steht.

Doch 2013 hat BMW nicht einfach aufgehört die GS eine GS sein zu lassen, sondern permanent noch ein Schäuferl nachgelegt.

Jetzt stehen wir bei 1254 Kubikzenti­meter, 136 PS, 143 Nm, die GS hat unterschie­dliche Fahrmodi, ein elektronis­ches Fahrwerk und ein 6,5 Zoll großes Farb-TFTDisplay statt Drehzahlme­sser und Tacho in eigenen Joghurtbec­hern. Außerdem stehen wir bei 19.700 Euro. Wobei das erst der Ab-Preis ist. Der schmucke Boxer, den Sie auf dem Foto sehen, der kostet 25.336 Euro. Um das Geld kann man sich auch einen feinen Neuwagen kaufen. Oder ein ranziges Hütterl in einer Seesiedlun­g auf Pachtgrund. Gerade bei Letzterem liegt jetzt folgender Vergleich mit der Freiheit nahe, von der Motorradfa­hrer gerne schwadroni­eren, während dir im Mobilheim der Nachbar in den Gurkensala­t starrt.

Gut Holz

Aber man sollte gar nicht die große Freiheit auf der GS suchen. Das machen eh die Triple-AFahrer. Die Mister. Nein, man sollte die GS melken. Auswinden wie einen nassen Fetzen. Das mag sie nämlich. Schon mit kalten Reifen kann man sie ohne Ruckler bis auf die Rasten umlegen. Kaum ein Motorrad lässt sich so einfach von einem Knie aufs andere wuchten. Wer sich jetzt um den Feinstaub sorgt, der beim Abrieb der Knieschlei­fer entsteht, sei beruhigt. Ich habe von Plastik auf Buche umgerüstet. Das ergibt einen satten Klang und riecht auch gut.

Was ich aber eigentlich sagen wollte: Der tiefe Schwerpunk­t des Boxers und die entspannte Sitzpositi­on allein machen das Motorrad schon herrlich handlich.

Dazu kommt dann das Fahrwerk, das mit einem Knopfdruck angepasst ist. Da sind die Traktionsk­ontrolle, der Berganfahr­assistent, sogar die neue ShiftCam-Technologi­e zur noch besseren Steuerung der Einlassven­tile und die Zweistrahl-Einspritzv­entile nur die Kirschen auf der Torte.

Wir könnten an dieser Stelle, um den urlaubende­n und gerne zitierende­n Kollegen Stockinger einigermaß­en zu vertreten, H. C. Artmann hervorzaub­ern: „schee oobong en d ööbeng“und ein „zsammzogn en d kniaköön“anstellen, um über die angenehme Sitzpositi­on zu philosophi­eren. Aber das lassen wir lieber. Soll jeder drauf hockern, wie er mag. Gebückt, aufrecht, in Seide oder Leder. Die GS kann beides perfekt.

Nur bei der Frage, welche die beste GS sei, gibt es nichts zu diskutiere­n. Das ist nämlich die aktuelle. Heute genauso wie in zehn Jahren. Denn jede Wette, die legen noch einmal nach.

 ??  ?? Die BMW R 1250 ist ein hervorrage­ndes Tourenbike für den betuchten Sir, aber auch ein richtiges Spaßgerät für den holzenden und hektischen Apexspecht­ler.
Die BMW R 1250 ist ein hervorrage­ndes Tourenbike für den betuchten Sir, aber auch ein richtiges Spaßgerät für den holzenden und hektischen Apexspecht­ler.

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