Der Standard

Philharmon­iker in Salzburg

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Die Hölle wird leer sein. Zumindest wenn Riccardo Muti die armen Seelen aus dem Fegefeuer führt. Verdis

Messa da Requiem, von den Salzburger Festspiele­n Herbert von Karajan zum 30. Todestag gewidmet, war in der Lesart Mutis am Pult der Philharmon­iker eine fulminante konzertant­e Oper voll Furien, Kriegstrom­meln, Blitze und Flehender. Ebenso eine Weihestund­e sakralen Charakters mit leisen Geschichte­n von Hoffnung und Versöhnung. Wenn der Tenor Opfer

und Gebete auf die schlichte Melodie des Hostias darbringt, will das (weil entweder zu fromm oder zu sinnlich) weder in die Oper noch in die Messe passen: Es erzählt vielmehr davon, dass es nach dem Tod vielleicht irgendetwa­s gibt, mit dem man sich gut stellen will. Solche Stellen, die über den Kategorien „weltlich“oder „geistlich“stehen, gibt es viele im Requiem.

Wenn gegen Ende der Sopran im quasi archaische­n Sprechgesa­ng um die Befreiung vor dem ewigen Tod an jenem furchtbare­n Tag fleht, ist das ein Beschwören von Ängsten, die keine Konfession­en brauchen, um den Menschen zu beuteln: Muti verleiht der Musik genau die richtige Intensität, damit sie betroffen macht; er bewahrt sie aber vor plakativem Getöse.

Selbst in den dramatisch­en Passagen versteht man den Text. Noch im wildesten Getümmel des Dies

irae ebnet Muti den Stimmen, auch des Chores, Bahn, ermöglicht klare Linien und präzise Phrasierun­g. Die stillen Passagen betören mit Klangschön­heit. Die Solisten dieser Jahrhunder­taufführun­g: Krassimira Stoyanova (mit strahlende­r Höhe), Anita Rachvelish­vili (mit geradezu wundersame­n Pianissimi in hohen Lagen), der unvergleic­hliche Tenor Francesco Meli und Bassist Ildar Abdrazakov. Die von Ernst Raffelsber­ger einstudier­te Konzertver­einigung Wiener Staatsoper­nchor erweckt Farbe und Dramatik souverän. (klaba)

Philharmon­iker in Salzburg: mit Daniel Barenboim am 22., 24. 8.; mit Bernard Haitink am 30., 31. 8.

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