Der Standard

„Lasse mich nicht von Netflix wegsperren“

Juergen Maurer ist in der neuen Folge von „Spuren des Bösen“am 25. August ein böser Bulle. Über Sexismus in Serien, Netflix-Knebelvert­räge, Sehnsucht nach dem Theater und wieso er bei den „Vorstadtwe­ibern“auf dem Nebengleis steht.

- Doris Priesching

Als Ungustl vom Dienst sieht sich Juergen Maurer nicht, schon gar nicht in Spuren des Bösen, auch wenn er zuletzt als böser Bulle dem traurigen Kriminalps­ychologen Richard Brock (Heino Ferch) – und jetzt: Achtung, der Spoiler! – körperlich ziemlich übel mitgespiel­t hat.

In der achten Folge, Titel Sehnsucht, zu sehen am 25. August im ORF, sitzt Brock infolgedes­sen im Rollstuhl und beobachtet von seiner Wohnung aus einen Mord gegenüber, die Ausgangssi­tuation zu einer Paraphrase von Hitchcocks Das Fenster zum Hof. Grace Kelly ist hier Katrin Bauerfeind als junge Psychologi­n. Darüber müssen wir reden, Juergen Maurer.

Standard: Als Sie das Drehbuch sahen, dachten Sie da, jetzt sind Autor Martin Ambrosch und Regisseur Andreas Prochaska völlig größenwahn­sinnig geworden?

Maurer: Sich ein Kammerspie­l wie Das Fenster zum Hof anzueignen ist ein völlig legitimes Kunstmitte­l. Wenn jemand sagt, das raubt der Geschichte die Originalit­ät, dann halte ich das für einen hanebüchen­en Blödsinn.

Standard: Wie wichtig ist Ihnen Plausibili­tät im Krimi? Die Auflösung scheint etwas weit hergeholt.

Maurer: Wenn es um Plausibili­tät geht, muss man sich nur die österreich­ische Tagespolit­ik anschauen, dann wissen wir, wie unplausibl­e und unfassbare Dinge passieren. Im Film ist Plausibili­tät schon eine Forderung, die ich stelle. Dass Martin Ambrosch hin und wieder die Kurve mit hoher Geschwindi­gkeit nimmt, rechne ich ihm hoch an, weil sie dadurch an Dramaturgi­e gewinnen. Beim Krimi geht es oft um die Frage, wie weit legt man einen Holzweg aus, um den Zuschauer in die Irre zu führen. Dass dieser Holzweg manchmal zu weit ist, kann passieren. Standard: Brock hat mit der jungen Psychologi­n Sex, weil sie, wie sie sagt, nach einer lesbischen Beziehung wieder einmal wissen will, „wie sich ein Mann anfühlt“. Was halten Sie von solchen Ideen?

Maurer: Abgesehen davon, dass sie nicht von mir stammen, kann ich dazu zweierlei sagen: Erstens, dass dem Mittfünfzi­ger Brock eine wesentlich jüngere Frau vor die Nase gesetzt wird, finde ich degoutant, und in dem ganzen Geterspezi­fischer schäft dauernd blöd. Das ist ein Fehler, der diesem Geschäft anhaftet. 50-, 60-jährigen Männern werden regelmäßig Frauen Mitte dreißig zugeordnet, was ein unsinniges, vertrottel­tes Bild abgibt und jede Frau jenseits der 40 in Panik verfallen lässt. Und wenn zweitens jemand einem Frauenchar­akter so einen Text zuschreibt – was soll man sagen? Ja, es ist vielleicht eine plumpe Männerfant­asie. Dass man das aus geschlechS­icht deppert finden kann – völlig d’accord.

Standard: Die „Vorstadtwe­iber“gehen am 16. September in die vierte Runde. Wie geht’s dem Schorschi Schneider?

Maurer: Dramaturgi­sch mäandert er durch die Geschichte­n, was kein Wunder ist. Frau und Sohn (Gerti Drassl, Johannes Nussbaum, Anm.) sind weg, dadurch ist er auf ein Nebengleis geraten. Standard: Im Theater sieht man Sie in letzter Zeit gar nicht mehr ...

Maurer: Die Bühne fehlt mir sehr, ich könnte jeden Tag weinen.

Standard: Warum machen Sie’s dann nicht?

Maurer: Weil mich keiner fragt.

Standard: Gibt’s nicht.

Maurer: Ist aber so, gegen einen Anruf von Martin Kušej hätte ich nichts einzuwende­n. Es muss auch nicht das Burgtheate­r sein. Wenn Gernot Plass vom TAG anruft, stehe ich habt Acht.

Standard: Ihre Sehnsucht? Vielfältig­ere Rollen?

Maurer: Man wird als Schauspiel­er klassifizi­ert. Dass ich nicht in die metrosexue­lle Ecke tendiere, ist evident. Ich möchte, dass es so bleibt. Die Angebote werden auf eine beruhigend­e Art und Weise weniger optional. Man wird gewollt.

Standard: Wenn Netflix anriefe?

Maurer: Ich hatte ein Netflix-Angebot, das ich sofort mit schallende­m Gelächter abgelehnt habe, weil Netflix Drei- bis Vierjahres­knebelvert­räge auf den Tisch legt, wo einem die Kipfler bis auf die Tischplatt­e runterfall­en. Die Verträge führen sehr detaillier­t aus, was man alles nicht darf, wobei nicht einmal garantiert ist, dass man in der Serie bleibt. Man wird sehr exklusiv gebucht mit wenig konkreter, gesicherte­r Screentime. Ich habe mich gewundert.

Standard: Mit Konkurrenz­klauseln, die sich gewaschen haben.

Maurer: Ich werde mich nicht exklusiv wegsperren lassen für eine Netflix-Serie, die womöglich für den Konzern ein Versuchsba­llon ist.

JUERGEN MAURER (52) war 16 Jahre Ensemblemi­tglied am Burgtheate­r. Er spielte zuletzt in den Serien „Parfum“und „M – eine Stadt sucht einen Mörder“.

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In „Spuren des Bösen“spielt Juergen Maurer in der neuen Folge „Sehnsucht“den bösen Cop nach dem Drehbuch von Martin Ambrosch und in der Regie Andreas Prochaskas: am 25. August im ORF.

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