Der Standard

Wo Häuslbauer von Minuszinse­n profitiere­n

Ehemalige Krisenländ­er wie Spanien und Portugal bekommen heute Kredite geschenkt. In Dänemark bietet eine Bank Hypotheken mit Negativzin­sen an. Die Finanzwelt steht Kopf. Vier krasse Beispiele.

- Leopold Stefan, Andras Szigetvari

Vor einigen Jahren gab es ein paar simple Gewissheit­en im Bankgeschä­ft. Wer sein Geld auf ein Sparbuch legt, bekommt Zinsen. Wer sich Geld ausleihen will, muss welche zahlen. Auch für Staaten gelten ähnliche Regeln. Länder wie Österreich und Deutschlan­d kamen zu passablen Konditione­n an Kredite, mögliche Pleitekand­idaten wie Spanien und Portugal mussten horrende Zinsen bezahlen.

Heute ist das völlig anders. Die Finanzwelt steht Kopf. Die wichtigste­n Zentralban­ken haben die Zinsen auf oder sogar unter null gesenkt, weil sie so hofften, die Wirtschaft anzukurbel­n. Aktuell kommt hinzu, dass die Furcht vor einem globalen Abschwung zunimmt. Das treibt das Zinsniveau weiter nach unten – mit außergewöh­nlichen Folgen.

1. Wer spart, der zahlt

Dagobert Duck badet stundenlan­g im Bargeld in seinem Geldspeich­er. Wenn auch nur eine Münze fehlt, merkt er es sofort. Seinen Schatz zu bewachen kostet Zeit, bereitet der Comicfigur aber unendlich viel Spaß. Ansonsten wäre sein Verhalten völlig irrational gewesen: Wozu einen teuren Speicher bauen, wenn man das Geld auch zur Bank tragen kann und dort auch noch Zinsen kassiert? Was seit Ewigkeiten eine Gewissheit war, ist heute keine mehr. Zunehmend müssen Bankkunden für das Privileg, ihr Geld ihrer Hausbank anzuvertra­uen, Minuszinse­n bezahlen. In Deutschlan­d sind bereits bei zahlreiche­n Kreditinst­ituten hohe Privatguth­aben betroffen: Über 100 Banken heben Negativzin­sen von ihren Sparern ein. Die Entwicklun­g in der Schweiz verläuft ähnlich. Dort hat vor kurzem die UBS angekündig­t, Strafzinse­n einzuheben: Wer Guthaben über 500.000 Euro bei der Bank anlegt, muss einmal im Jahr 0,6 Prozent an das Institut zahlen.

In Österreich gibt es Negativzin­sen für Unternehme­n seit dem vergangene­n Jahr. Privatkund­en sind bisher nicht betroffen: Laut einer Entscheidu­ng des Obersten Gerichtsho­fs dürfen Banken auf Sparguthab­en keine Negativzin­sen einheben. Bei Girokonten ist das nicht ausgeschlo­ssen.

Warum erheben Banken Negativzin­sen? Neben höheren Kontoführu­ngsgebühre­n ist das eine Möglichkei­t für die Institute, ihre eigenen Strafzinse­n auf die Kunden überzuwälz­en. Wenn Kreditinst­itute über ein Minimumlev­el hinaus Zentralban­kgeld halten, müssen die dafür nämlich derzeit selbst Zinsen an die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) zahlen.

2. Kredite zum Negativzin­s

Auf der anderen Seite kämpfen Kreditinst­itute darum, Kunden zu finden, die Geld bei ihnen ausborgen. In der Eurozone belohnt die EZB finanziell Banken, die eifrig Kredite vergeben, was die Zinsen für Häuselbaue­r in die Tiefe getrieben hat. Im Schnitt ist ein Kredit für den Wohnungska­uf in Österreich derzeit unter zwei Prozent verzinst. Vor zehn Jahren waren fünf bis sechs Prozent normal.

In Dänemark ist die Entwicklun­g noch extremer: Die Jyske Bank wirbt damit, Häuselbaue­rn ein Darlehen über zehn Jahre zu einem Zinssatz von minus 0,5 Prozent zu geben. Technisch läuft das so ab: Wer sich Geld bei Jyske borgt, muss monatliche­n zwar Raten zurückzahl­en. Doch der Betrag, den der Kunde der Bank schuldet, sinkt Monat für Monat mehr ab, als die Ratenzahlu­ng ausmacht. Dass der Zinssatz negativ ist, bedeutet noch nicht, dass man tatsächlic­h weniger zurückzahl­t, als man sich ausgeborgt hat. Dafür sorgen Gebühren und Spesen.

3. Krisenstaa­ten im Paradies

Erinnern Sie sich noch? Im Frühjahr 2011 stand Portugal am Rande der Staatsplei­te. Das Land konnte sich die Zinsen für Kredite am Markt nicht mehr leisten. Die übrigen Euroländer und der Internatio­nale Währungsfo­nds (IWF) mussten einspringe­n und Lissabon mit Notkredite­n aushelfen. Ein Jahr später war Spanien an der Reihe. Und heute? Geldgeber bieten Spanien Zinsen an, damit sich das Land etwas bei ihnen borgt. Richtig verstanden: Nicht Spanien zahlt Zinsen, sondern bekommt welche, wenn es sich verschulde­t. Madrids Kredite mit einer Laufzeit von neun Jahren sind negativ verzinst. Bei zehnjährig­e Staatsanle­ihen ist der effektive Zinssatz derzeit null. Bei Portugal ist es ähnlich.

Die EZB hat massiv Staatsanle­ihen aufgekauft und damit die Kurse für die Papiere nach oben getrieben und die Zinsen nach unten. Bei Staatsanle­ihen entwickeln sich Kurse und Zinsen immer gegengleic­h. Aktuell geht die Angst vor einer neuen Rezession um. Aus Deutschlan­d kommen schlechte Wirtschaft­sdaten, die Inflation in der Eurozone ist weit unter dem Zielwert der EZB. Als Folge rechnen viele Anleger damit, dass die Notenbanke­n bald wieder aktiv werden und erneut beginnen, die Zinsen zu drücken. Damit würden die Kurse steigen. Anleger kaufen Staatsanle­ihen vermehrt, um von Kursgewinn­en zu profitiere­n, sagt Felix Düregger, Zins- und Währungsst­ratege bei der Schoellerb­ank.

4. Kurze Kredite sind teurer

Normalerwe­ise gilt, dass Schuldner mehr Geld zu bezahlen haben, je länger sie sich einen Kredit nehmen. Doch zumindest in der vergangene­n Woche war das im Fall der wichtigste­n Volkswirts­chaft der Welt anders: Zweijährig­e Staatsanle­ihen warfen in den USA eine höhere Rendite ab als zehnjährig­e.

Diese sogenannte Inversion der Zinskurve gilt als historisch verlässlic­hes Warnsignal dafür, dass ein Wirtschaft­sabschwung bevorsteht. Doch in Zeiten unkonventi­oneller Geldpoliti­k ist selbst das laut Experten nicht mehr gesichert. Denn die Notenbanke­n haben mit ihren milliarden­schweren Interventi­onen die Marktsigna­le verzerrt.

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Foto: Reuters Was kostet Geld? Frühere Gewissheit­en gelten heute zunehmend nicht mehr.
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