Reicht eine anonyme Anzeige für eine Hausdurchsuchung?
Die Staatsanwaltschaft kommt wegen der Razzien bei FPÖ-Politikern und Novomatic unter Beschuss. Doch sie hat auch ein paar Argumente parat.
Seit den umfassenden Razzien bei FPÖ-Politikern und der Novomatic wegen Verdachts der Bestechung und Bestechlichkeit rund um die Bestellung des FPÖ-Bezirksrats Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG gehen die Wogen hoch. Vor allem Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache schäumt und bezeichnet die Hausdurchsuchungen als „Farce und politische Willkür“. Es könne nicht sein, dass man den politischen Gegner so lange mit Dreck bewerfe, bis dieser das Feld räumen müsse, so die Argumentation des früheren FPÖ-Chefs. Was ihm und anderen besonders sauer aufstößt: Die Razzien basieren offenbar weitgehend auf Vorwürfen aus einer anonymen Anzeige.
Auch die Novomatic setzt sich entschieden zur Wehr: Der Konzern stelle lediglich zwei von 18 Aufsichtsräten und könne daher auch keinen Vorstand allein bestimmen, beteuert der Konzern. Zudem wird das vorgeworfene Gegengeschäft – also die Zuteilung von Lizenzen als Dankeschön für die Sidlo-Bestellung – als absurd abgetan. „Die Vergabe von Glücksspielkonzessionen ist in Österreich überhaupt nur möglich, wenn eine gesetzliche Grundlage dafür besteht, und auch dann nur im Rahmen einer internationalen, transparenten und öffentlichen Ausschreibung“, so Novomatic.
Der Anwalt Walter Schwartz befeuert die Kritik an der Staatsanwaltschaft mit rhetorischen Fragen: „Wie leicht kommt man in dieser Republik eigentlich zu einem Hausdurchsuchungsbefehl? Reicht jede verquere Behauptung in einer anonymen Anzeige aus, um ins verfassungsgesetzlich geschützte Hausrecht einzugreifen?“, fragte er am Montag die Presse-Leser. Er wiederholt in einem Beitrag nicht nur die Argumente der Novomatic, die er immer wieder vertritt, sondern auch den langen Weg zu einer Online-Gaming-Lizenz.
Die FPÖ hätte den Koalitionspartner überzeugen müssen, dessen Parteimitglied Bettina Glatz-Kremsner an der Spitze der Casinos Austria gegensätzliche Interessen haben sollte. Dann wären eine Gesetzesänderung und die Vergabe der Lizenz in einer EU-weiten Ausschreibung notwendig. Zudem spricht Schwartz die Rechtsschutzinstanzen in Österreich und der EU an, die man gegen die Vorgangsweise anrufen kann. Doch all diese einem „FPÖ-Novomatic-Deal“widersprechenden Fakten seien
nicht gewürdigt worden. Schwartz: „Im Österreich des Jahres 2019 reicht diese Erzählung aus einer – anonymen! – Anzeige aus, um Hausdurchsuchungen anzuordnen.“
Richter und Staatsanwaltschaften lassen diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen: Nach der Verteidigung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) meldete sich am Montag die Oberstaatsanwaltschaft Wien zu Wort: „Die öffentlich vereinzelt geäußerte Unterstellung eines willkürlichen und unobjektiven Handelns entbehrt jeder Grundlage und wird von der Oberstaatsanwaltschaft Wien entschieden zurückgewiesen.“Schon in der richterlich bewilligten Anordnung zur Hausdurchsuchung hatte die WKStA ihr Vorhaben begründet. Sie spricht von einem gravierenden Tatverdacht, der sich aus der anonymen Anzeige ergebe, und äußert die Befürchtung, dass die Beschuldigten bei Kenntnis des Verdachts „beweisrelevante Gegenstände und Daten vernichten“oder beiseiteschaffen könnten.
Spuren zu Kunasek?
Die Ermittler berufen sich zudem auf den Strache-Sager in Ibiza: „Novomatic zahlt alle.“Auch ein anderer Strang spielt eine Rolle, nämlich das Institut für Sicherheitspolitik( ISP ), das vom freiheitlichen Abgeordneten MarkusTs ch ank geleitet wird. Am Wochenende hatte Profil enthüllt, dass Novomatic mit dem Institut kooperiert und dabei 200.000 Euro zur Verfügung stellt. Schon länger bekannt ist, dass das Verteidigungsministerium das ISP unterstützt. Die WKStA verweist in ihrer Anordnung auf einen „engen Konnex zwischen der FPÖ, dem von derFPÖ geführten Verteidigungsministerium( Minister warMa rio
Kunasek, Anm.) und der Novomatic“. Diese Verbindung habe sich aus einer Befragung eines Anti korrupt ions beauftragten des Glücksspiel konzerns erschlossen, schreibt die WKStA. Die den Razzien zugrundeliegende anonyme Anzeige könne daher keinesfalls als unsubstantiierte „Racheaktion“eines Mitbewerbers abgetan werden.
Wie das Match ausgehen wird, ist völlig offen. Strache hat schon Einspruch gegen die Haus durchsuchungen angekündigt. Somit werden die Gerichte darüber entscheiden, ob die Razzien„ politische Willkür“oder notwendige Sicherung von Beweismitteln darstellten.