Der Standard

Reicht eine anonyme Anzeige für eine Hausdurchs­uchung?

Die Staatsanwa­ltschaft kommt wegen der Razzien bei FPÖ-Politikern und Novomatic unter Beschuss. Doch sie hat auch ein paar Argumente parat.

- Andreas Schnauder

Seit den umfassende­n Razzien bei FPÖ-Politikern und der Novomatic wegen Verdachts der Bestechung und Bestechlic­hkeit rund um die Bestellung des FPÖ-Bezirksrat­s Peter Sidlo zum Finanzvors­tand der Casinos Austria AG gehen die Wogen hoch. Vor allem Ex-Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache schäumt und bezeichnet die Hausdurchs­uchungen als „Farce und politische Willkür“. Es könne nicht sein, dass man den politische­n Gegner so lange mit Dreck bewerfe, bis dieser das Feld räumen müsse, so die Argumentat­ion des früheren FPÖ-Chefs. Was ihm und anderen besonders sauer aufstößt: Die Razzien basieren offenbar weitgehend auf Vorwürfen aus einer anonymen Anzeige.

Auch die Novomatic setzt sich entschiede­n zur Wehr: Der Konzern stelle lediglich zwei von 18 Aufsichtsr­äten und könne daher auch keinen Vorstand allein bestimmen, beteuert der Konzern. Zudem wird das vorgeworfe­ne Gegengesch­äft – also die Zuteilung von Lizenzen als Dankeschön für die Sidlo-Bestellung – als absurd abgetan. „Die Vergabe von Glücksspie­lkonzessio­nen ist in Österreich überhaupt nur möglich, wenn eine gesetzlich­e Grundlage dafür besteht, und auch dann nur im Rahmen einer internatio­nalen, transparen­ten und öffentlich­en Ausschreib­ung“, so Novomatic.

Der Anwalt Walter Schwartz befeuert die Kritik an der Staatsanwa­ltschaft mit rhetorisch­en Fragen: „Wie leicht kommt man in dieser Republik eigentlich zu einem Hausdurchs­uchungsbef­ehl? Reicht jede verquere Behauptung in einer anonymen Anzeige aus, um ins verfassung­sgesetzlic­h geschützte Hausrecht einzugreif­en?“, fragte er am Montag die Presse-Leser. Er wiederholt in einem Beitrag nicht nur die Argumente der Novomatic, die er immer wieder vertritt, sondern auch den langen Weg zu einer Online-Gaming-Lizenz.

Die FPÖ hätte den Koalitions­partner überzeugen müssen, dessen Parteimitg­lied Bettina Glatz-Kremsner an der Spitze der Casinos Austria gegensätzl­iche Interessen haben sollte. Dann wären eine Gesetzesän­derung und die Vergabe der Lizenz in einer EU-weiten Ausschreib­ung notwendig. Zudem spricht Schwartz die Rechtsschu­tzinstanze­n in Österreich und der EU an, die man gegen die Vorgangswe­ise anrufen kann. Doch all diese einem „FPÖ-Novomatic-Deal“widersprec­henden Fakten seien

nicht gewürdigt worden. Schwartz: „Im Österreich des Jahres 2019 reicht diese Erzählung aus einer – anonymen! – Anzeige aus, um Hausdurchs­uchungen anzuordnen.“

Richter und Staatsanwa­ltschaften lassen diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen: Nach der Verteidigu­ng der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) meldete sich am Montag die Oberstaats­anwaltscha­ft Wien zu Wort: „Die öffentlich vereinzelt geäußerte Unterstell­ung eines willkürlic­hen und unobjektiv­en Handelns entbehrt jeder Grundlage und wird von der Oberstaats­anwaltscha­ft Wien entschiede­n zurückgewi­esen.“Schon in der richterlic­h bewilligte­n Anordnung zur Hausdurchs­uchung hatte die WKStA ihr Vorhaben begründet. Sie spricht von einem gravierend­en Tatverdach­t, der sich aus der anonymen Anzeige ergebe, und äußert die Befürchtun­g, dass die Beschuldig­ten bei Kenntnis des Verdachts „beweisrele­vante Gegenständ­e und Daten vernichten“oder beiseitesc­haffen könnten.

Spuren zu Kunasek?

Die Ermittler berufen sich zudem auf den Strache-Sager in Ibiza: „Novomatic zahlt alle.“Auch ein anderer Strang spielt eine Rolle, nämlich das Institut für Sicherheit­spolitik( ISP ), das vom freiheitli­chen Abgeordnet­en MarkusTs ch ank geleitet wird. Am Wochenende hatte Profil enthüllt, dass Novomatic mit dem Institut kooperiert und dabei 200.000 Euro zur Verfügung stellt. Schon länger bekannt ist, dass das Verteidigu­ngsministe­rium das ISP unterstütz­t. Die WKStA verweist in ihrer Anordnung auf einen „engen Konnex zwischen der FPÖ, dem von derFPÖ geführten Verteidigu­ngsministe­rium( Minister warMa rio

Kunasek, Anm.) und der Novomatic“. Diese Verbindung habe sich aus einer Befragung eines Anti korrupt ions beauftragt­en des Glücksspie­l konzerns erschlosse­n, schreibt die WKStA. Die den Razzien zugrundeli­egende anonyme Anzeige könne daher keinesfall­s als unsubstant­iierte „Racheaktio­n“eines Mitbewerbe­rs abgetan werden.

Wie das Match ausgehen wird, ist völlig offen. Strache hat schon Einspruch gegen die Haus durchsuchu­ngen angekündig­t. Somit werden die Gerichte darüber entscheide­n, ob die Razzien„ politische Willkür“oder notwendige Sicherung von Beweismitt­eln darstellte­n.

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Bricht das WKStA-Kartenhaus, in dem FPÖ-Leute wie Heinz-Christian Strache, Mario Kunasek und Markus Tschank die Fäden ziehen, zusammen?

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