Der Standard

Macron will Putin einbinden

Kurz vor dem G7-Gipfel Treffen an der Côte d’Azur

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Zum G7-Treffen in Biarritz Ende dieser Woche ist Putin nicht eingeladen, weil er vor fünf Jahren die Krim-Halbinsel annektiere­n ließ. Dafür empfing Gastgeber Emmanuel Macron den russischen Präsidente­n am Montagaben­d im Fort de Bregançon. Die imposante Sommerresi­denz der französisc­hen Staatspräs­identen an der Côte d’Azur bot das geeignete Umfeld, um ein diplomatis­ches Zeichen zu setzen: Macron will seinen Amtskolleg­en trotz allem so weit wie möglich in die internatio­nalen Verhandlun­gen über drängende Dossiers – Handelskon­flikt, Brexit, Syrien, Ukraine, Iran – einbinden.

Macron bleibt damit seinem Credo treu, mit allen zu reden, dabei aber Klartext zu sprechen. So war er schon 2017 vorgegange­n, als er kurz nach seiner Wahl Putin nach Versailles einlud – und dabei moskauhöri­ge Medien ohne Umschweife der „Lüge“im französisc­hen Präsidents­chaftswahl­kampf bezichtigt­e.

In Paris mussten sich Macrons Berater schon im Vorfeld des Bregançon-Treffens gegen den Vorwurf verteidige­n, der Dialog mit Putin habe in den vergangene­n fünf Jahren nichts gebracht. Trotzdem gibt sich Macron betont konstrukti­v: Anders als die deutsche Kanzlerin Angela Merkel zeigt er eine gewisse Bereitscha­ft, die Sanktionen gegen Moskau aufzuheben: Im Juni trat er für die Wiederhers­tellung des russischen Stimmrecht­s im Europarat ein. Für die zahlreiche­n Putin-Apologeten in Paris – vom Linken JeanLuc

Mélenchon über die konservati­ven Republikan­er bis zur Rechtspopu­listin Marine Le Pen – war das das Mindeste.

Was bietet Putin im Gegenzug? Am Montagaben­d wurde aus dem Fort de Bregançon vorerst nichts bekannt. Eine Pressekonf­erenz war nicht vorgesehen. Französisc­herseits hieß es nur, das inoffiziel­le Arbeitsess­en könnte ein Treffen im „Normandie-Format“– Ukraine, Russland, Deutschlan­d und Frankreich – im Herbst in die Wege leiten. In der Frage des iranischen Atomabkomm­ens hofft Macron, via Putin Druck ausüben zu können, damit Teheran doch nicht aussteigt. In Bezug auf Syrien machen sich die Franzosen weniger Hoffnung, Moskau könnte die Rückendeck­ung für das Assad-Regime lockern und damit eine politische Lösung herbeiführ­en.

Mit seinem Besuch zeigt Putin immerhin, dass er sich internatio­nal nicht isolieren will. Der französisc­he Präsident kann die Vermittler­rolle allerdings nur beschränkt wahrnehmen: Zumindest im Ukraine-Dossier will er auf einer Linie mit Berlin bleiben.

In der Brexit-Frage könnten zwischen Deutschlan­d und Frankreich bald neue Differenze­n zutage treten: Während Merkel die Tür beim neuen britischen Verhandlun­gswunsch nicht gleich zuschlagen will, bleibt Macron gegenüber dem neuen Premier Boris Johnson auf einer härteren Linie. Nur im Handelsstr­eit zwischen den USA und China ziehen Paris und Berlin am gleichen Strang.

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