Der Standard

Identitäre­n-Verbot umstritten

ÖVP-Koalitions­bedingung rechtlich möglich, aber heikel

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Sie sind ausländerf­eindlich, radikal und rechtsextr­em. Spätestens nach dem grausamen Terroransc­hlag auf zwei Moscheen in Neuseeland im März mit mehr als 50 Toten sind die Identitäre­n hierzuland­e ein Begriff. Damals wurde publik, dass der Attentäter dem Verein mehrere Spenden übermittel­t hatte und mit Identitäre­n-Chef Martin Sellner in Kontakt stand. Damals wollten ÖVP und FPÖ eine Auflösung der Identitäre­n prüfen. Was innerhalb der türkis-blauen Koalition noch gemeinsam verkauft wurde, sehen die inzwischen geschieden­en Regierungs­partner nun völlig konträr.

Die ÖVP macht ein Verbot der Identitäre­n zur Koalitions­bedingung, für die FPÖ ist das ein „tiefer Eingriff in die Rechtsstaa­tlichkeit“, wie der blaue Klubobmann Herbert Kickl sagt. Tatsächlic­h ist das Recht auf Vereinigun­gsfreiheit im Artikel elf der Menschenre­chtskonven­tion geregelt. Können Vereine dann einfach aufgelöst oder verboten werden?

Behörden sollen einen Verein auflösen können, wenn er genutzt wird, um extremisti­sches oder staatsfein­dliches Gedankengu­t zu verbreiten, heißt es dazu im türkisen Maßnahmenp­apier. Für Verfassung­sjurist Heinz Mayer

ein gangbarer Weg: „Ist die nationale und öffentlich­e Sicherheit durch den Verein gefährdet, ist ein Eingriff in den Artikel elf durchaus zulässig“, erklärt er im STANDARD-Gespräch. Es müsste ein Gesetz erlassen werden, das bestimmt, unter welchen Voraussetz­ungen Vereine aufgelöst werden könnten – eben auch, wenn Presse- und Meinungsfr­eiheit oder Demokratie infrage gestellt werden.

Unbequem, aber kein Verbot

Allerdings: Damit das Gesetz nicht der Menschenre­chtskonven­tion widersprec­he, dürfte eine Auflösung nur erfolgen, wenn eine Systematik erkennbar sei, sagt Mayer. Aussagen einzelner Funktionär­e fielen nicht darunter.

Genau hier sieht nämlich auch Daniel Ennöckl, Staats- und Verwaltung­sjurist an der Universitä­t Wien, die Schwierigk­eit. Er bewertet ein Verbot skeptisch. Bisher gebe es kein Beweismitt­el für ein strafrecht­swidriges Handeln der Identitäre­n, sagt der Jurist im ORF-Radio. Führende Funktionär­e seien im Vorjahr sogar freigespro­chen worden. Verboten werden können sie aber nur, wenn sie gegen das Gesetz verstoßen. Dass die Gruppierun­g radikal und gesellscha­ftspolitis­ch unbequem sei, rechtferti­ge aus seiner Sicht eine Auflösung nicht.

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