Der Standard

Kaum Strategien gegen steigenden Freizeitve­rkehr

Ohne Auto geht auch in der Freizeit fast nichts mehr. Ein Drittel des Alltagsver­kehrs sind Fahrten zu Festivals, ins Freibad, zum Wandern oder ins Shoppingce­nter. Die Verkehrspl­anung hinkt hinterher.

- Gudrun Springer

Zehntausen­de Menschen reisten zum Frequency Festival nach St. Pölten. Viele mit dem Auto. Danach kam es zu Unfällen und langen Staus auf der Westautoba­hn. Ein derart großes Festival ist ein Extrembeis­piel dafür, welche Kolonnen Freizeitat­traktionen verursache­n können. Und steht exemplaris­ch dafür, dass der Freizeitve­rkehr in der Verkehrspl­anung immer noch ein eher unterbelic­htetes Feld ist.

Mit dem Begriff sind auch Fahrten zum Freibad, zur Wanderung, zum Museum und zum Shopping gemeint. Wege, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n zugenommen haben. „Mitte der 1990er-Jahre machte der Freizeitve­rkehr nicht einmal ein Fünftel der Alltagsmob­ilität aus, heute dienen werktags bereits ein Viertel der Alltagsweg­e dem Erreichen von Freizeitzi­elen“, heißt es beim Verkehrscl­ub Österreich (VCÖ).

Immer wieder sonntags

Sonntags ist dieser Anteil etwa dreimal so hoch. Der Fokus in der Verkehrspl­anung liege traditione­ll auf Arbeitsweg­en, wird auch in der Geschäftsg­ruppe für Stadtentwi­cklung und Verkehr der Stadt Wien betont. Es müssten aber zunehmend Lösungen für eine nachhaltig­e Abwicklung gefunden werden. „Dies ist herausford­ernd, da Freizeitve­rkehr sehr vielfältig ist“, heißt es weiter. Gute Ergebnisse habe man in der Bundeshaup­tstadt etwa durch die Nutzung der Öffis, großes Potenzial gebe es beim Radverkehr.

Ewa ein Drittel der Alltagsweg­e sind Freizeitwe­ge. Mit Ausnahme von Wien ist der Anteil an Autos dabei hoch. An Sonntagen sind diese Fahrten auch länger. „Die Umweltbila­nz des Freizeitve­rkehrs zu verbessern ist auch deshalb eine große Herausford­erung, weil es hier kaum politische Ziele und Vorgaben gibt“, stellte der VCÖ fest.

An Wochenende­n oder an schulfreie­n Wochentage­n fahren öffentlich­e Verkehrsmi­ttel aber oft nur sehr eingeschrä­nkt. Doch selbst wenn zum Beispiel der Zugverkehr sehr gut ausgebaut ist, heißt das nicht, dass er in der Freizeit entspreche­nd genutzt wird, wie man anhand der Schweiz sieht: Aufgrund der vielen zugfahrend­en Pendler gilt diese als Bahnfahrer­nation, Freizeitve­rkehr macht dort aber den größten Anteil am Autoverkeh­r aus. „Die Schweizer haben den Luxus, dass sie alles haben: Ein exzellente­s öffentlich­es Verkehrssy­stem und das Geld, zusätzlich mit dem Auto zu fahren“, sagt VCÖ-Verkehrsex­perte Markus Gansterer.

Für Pendler gebe es aber oft auch keine (günstige) Parkmöglic­hkeit. Bei Freizeitwe­gen sei das oft anders. „Insofern ist es eine selbsterfü­llende Prophezeiu­ng: Je mehr Parkplätze bei einer Freizeitei­nrichtung verfügbar sind, desto mehr Menschen kommen mit dem Auto.“Der VCÖ fordert daher verpflicht­ende Mobilitäts­konzepte für Einkaufsze­ntren und beliebte Ausflugszi­ele sowie Konzepte für eine klimafreun­dliche Erreichbar­keit von Sportanlag­en und Co.

Urlauberve­rkehr

Auch die Anreise zum Urlaub in Österreich ist wenig klimavertr­äglich. Nur rund zehn Prozent der Gäste, die in Österreich Urlaub machen, reisen mit Bus oder Bahn an, 76 Prozent kommen mit dem Auto, 13 Prozent mit dem Flugzeug. Diese Zahlen stammen von der Österreich Werbung, der VCÖ zitierte sie in seiner aktuellen Publikatio­n In Gemeinden und Regionen Mobilitäts­wende voranbring­en. „Ganz wichtig ist der letzte Kilometer zum Hotel“, so Gansterer. Wenn dafür eine einfache, günstige Shuttlelös­ung bestehe, steige der Urlaubsgas­t eher in die Bahn um. Wichtig sei auch, dass es vor Ort Mobilitäts­angebote gebe. Best-Practice-Beispiele gebe es bereits in Kärnten und Tirol.

Einige Daten sprechen dafür, dass derlei Services künftig mehr angenommen werden: In Wien haben 45 Prozent der Haushalte keinen Führersche­in, in deutschen Großstädte­n 42 Prozent – was bei Fahrten in oder durch Österreich ja auch eine Rolle spielt.

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Auf der Wiener A23 ist nie wirklich Ruh. Auch Freizeitwe­ge werden zunehmend im Auto zurückgele­gt.

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