Der Standard

Von Schnulzen und toten Pfarrern

Mit dem Neo-Western „Flatland“hat die Regisseuri­n Jenna Bass ein Roadmovie geschaffen, das auf einen wilden Themen- und Motivmix setzt.

- Bert Rebhandl

In einem Wirtshaus in einem Kaff am Rande der südafrikan­ischen Karoo-Halbwüste sitzt eine schwarze Frau und verlangt etwas schier Unmögliche­s: Die Männer, die beim Bier vor dem Fernseher sitzen, möchten doch bitte von Rugby auf eine Seifenoper umschalten. Zuerst erntet sie nur Gelächter, doch dann zieht sie eine Pistole und hält ein Abzeichen hoch: Beauty Cuba ist ein Cop. Das gibt ihr zwar nicht unbedingt Autorität über das Fernsehpro­gramm, in diesem Fall aber setzt sie sich durch.

Es ist eine bezeichnen­de Szene in dem südafrikan­ischen NeoWestern Flatland, denn nicht nur in diesem Fall bringt die Regisseuri­n Jenna Bass Welten durcheinan­der: Genres für Männer (Rugby) und Frauen (Schnulze), für Weiße oder für andere Abstufunge­n in der Hautfarbe, die in Südafrika auch viele Jahre nach der Apartheid ein offensicht­liches und diskrimini­erendes Kriterium ist. Nicht mit Beauty allerdings.

Sie ist im Grunde die einzige Figur in Flatland, die so halbwegs

weiß, was sie tut. Der Film beginnt mit einer Hochzeit: Natalie und Bakkies, ein ungleiches Paar – sie die Tochter einer schwarzen Bedienstet­en, er der Sohn eines weißen Polizisten.

Unausgespr­ochen, doch unübersehb­ar wird deutlich, dass weder Natalie noch Bakkies auf ihre Beziehung vorbereite­t sind. Bei Natalie deutet sich an, dass sie aus christlich­er Frömmigkei­t von der Sexualität gar keine Ahnung hat. Bakkies wiederum ist einfach ein hilfloser und schließlic­h brutaler Tölpel.

Vom Fleck kommen

Ihr Pferd ist das einzige Lebewesen, zu dem Natalie Vertrauen hat. Sie reitet also davon, packt unterwegs ihre Kindheitsf­reundin Poppie (weiß, hochschwan­ger) ein. Und weil sie zuvor noch den Pfarrer erschossen hat, der sie getraut hat, ist bald auch die Polizei hinter den beiden Frauen her.

Also Beauty. Flatland erscheint auf eine etwas merkwürdig­e Weise als ein Roadmovie, das nie so richtig vom Fleck kommt. Auch die anderen Genrebezüg­e wirken oberflächl­ich, und die Anspielung­en auf die prägende Landschaft der „flachen“Karoo-Wüste sind eher dekorativ.

Viele Förderer

Wenn man den Vorspann aufmerksam verfolgt hat, bekommt man einen Hinweis darauf, was es mit dem unausgegor­en wirkenden Themen- und Motivmix auf sich hat: An Flatland sind so viele Förderer und sonstige Institutio­nen des Weltkinos beteiligt (vom Hubert Bals Fund und dem World Cinema Fund der Berlinale über das ZDF/Arte bis zum Durban Film Mart), dass man zumindest auf den Gedanken kommen könnte, dass das Projekt ein bisschen überentwic­kelt wurde.

Denn am Ende einer durchaus langwierig­en Geschichte findet Jenna Bass vor allem dramaturgi­sche Lösungen, ohne dass man wirklich überzeugen­d nachvollzi­ehen könnte, wie sich das alles zu den (dadurch thesenhaft werdenden) Figuren verhält. Und zum heutigen Südafrika.

 ??  ?? Beauty Cuba ist im Film „Flatland“der Cop. Sie weiß, was sie tut, und sie weiß auch zu überzeugen, wenngleich manchmal eher drastische Argumente vonnöten sind.
Beauty Cuba ist im Film „Flatland“der Cop. Sie weiß, was sie tut, und sie weiß auch zu überzeugen, wenngleich manchmal eher drastische Argumente vonnöten sind.

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