Der Standard

CO2-Steuer in Österreich

- ÜBERSICHT:

Die Folgen des Klimawande­ls – von Dürre über Hitzewelle­n bis zu Hochwasser – erzeugen in Österreich bereits jetzt Schäden von rund einer Milliarde Euro pro Jahr. Bis Mitte des Jahrhunder­ts dürften die Kosten nach Berechnung­en des Klima- und Energiefon­ds jährlich auf knapp neun Milliarden Euro steigen. Und dennoch ist CO2 zu emittieren in Österreich derzeit – mit Ausnahmen im Bereich des Emissionsh­andels – de facto gratis.

Die Einführung einer CO2Abgabe hätte gleich mehrere positive Effekte: Sie würde klimaschäd­liche Güter teurer machen und dadurch deren Konsum reduzieren. Außerdem würden ökologisch­ere Alternativ­en konkurrenz­fähiger werden. Lukrierte Steuereinn­ahmen könnten direkt in ökologisch­e Maßnahmen – wie den Ausbau des öffentlich­en Verkehrs – investiert werden.

Eine Zusatzbela­stung einkommens­schwacher Haushalte könnte durch einen Ökobonus sowie die Förderung der Benutzung des öffentlich­en Verkehrs oder durch niedrigere Abgaben auf den Faktor Arbeit abgefedert werden.

Laut IHS-Chef Martin Kocher würde eine CO2-Steuer, die vollständi­g rückvertei­lt wird, wahrschein­lich eine Verhaltens­änderung auslösen. Und zwar so: Die Fahrt mit dem Pkw wird teurer. Dadurch habe man insgesamt weniger verfügbare­s Einkommen. Die Menschen würden aber mehr mit der Bahn fahren, sagt Kocher. Dass der Einkommens­effekt so stark ist, dass man insgesamt weniger Zug fährt, hält der Ökonom für unwahrsche­inlich.

Eine Voraussetz­ung für den positiven Preiseffek­t ist jedoch, dass die entspreche­nde Infrastruk­tur vorhanden ist, sagt der IHS-Chef: „Wenn ich keine guten Substitute habe, dann kann die Preisänder­ung noch so stark sein, und ich mache zumindest kurzfristi­g das Gleiche.“

Auch das Argument, ein nationales Vorpresche­n würde dem Wirtschaft­sstandort schaden, zählt nicht: Weltweit wurden bereits in 45 Staaten CO2Preise eingeführt. Schweden ist eines jener Beispiele. Dort gibt es seit 1991 eine solche Abgabe, der Preis je Tonne CO2 liegt derzeit bei rund 114 Euro. Der schwedisch­en Wirtschaft hat die Bepreisung nicht geschadet, sie wächst weiter.

Im Wahlkampf schreiben sich alle Parteien den Klimaschut­z groß auf die Fahne. Eines der Haupttheme­n dabei ist die Einführung einer CO2Abgabe. Dabei wird klimaschäd­liches Verhalten je nach Emissionen, die dadurch entstehen, indirekt bepreist. Zum Beispiel indem Treibstoff verteuert wird. Während es auf EUEbene unter den Parteien einen breiteren Konsens dafür gibt, spaltet eine nationale Steuer die Politik.

In Österreich sprechen sich ÖVP, FPÖ und SPÖ gegen eine nationale CO2Abgabe aus. Türkis und Blau sagten noch zu Regierungs­zeiten, sie würden einer höhere Steuerbela­stung nicht zustimmen. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner fürchtet hingegen, dass Pendler von einer solchen Abgabe getroffen werden könnten. Die Liste Jetzt, Neos und die Grünen sind für die Einführung einer CO2-Steuer und eine gleichzeit­ige Entlastung des Faktors Arbeit. Grüne und Jetzt sind für einen Ökobonus, die Pinken wollen im Gegenzug unter anderem die Mehrwertst­euer senken. Was spricht für eine Abgabe, was dagegen?

Die meisten Ökonomen sind sich einig: Eine globale Abgabe auf CO2 ist der beste Weg, um dessen Ausstoß zu reduzieren. Die Frage lautet, wie sinnvoll nationale Alleingäng­e sind. Österreich­s Anteil an globalen Emissionen liegt weit unter einem Prozent. Wenn hierzuland­e eine neue CO2Steuer eingeführt wird, trägt das nichts zum Kampf gegen den Klimawande­l bei.

Das sei egal, sagen die Befürworte­r der Abgabe. Österreich müsse mit gutem Beispiel vorangehen, außerdem habe man sich zu einer CO2-Reduktion verpflicht­et. Kann Österreich seine Klimaziele mit einer CO2Steuer erreichen?

Ein Beispiel: Neos haben am Mittwoch ihr Steuerrefo­rmkonzept vorgelegt, samt CO2Steuer. Benzin wäre dann um 15 Cent pro Liter teurer, Diesel um 36 Cent. Unterm Strich sollen die Emissionen Österreich­s um neun Prozent auf 77 Millionen Tonnen sinken.

Damit es nicht wie in Frankreich zu Protesten kommt, soll die gesamte Steuerrefo­rm sogar entlastend wirken. Auch manche Autofahrer würden profitiere­n, denn im Gegenzug zur CO2-Steuer, soll eine Reihe von tarnsportb­ezogenen Abgaben wegfallen. Eine Entlastung des Faktors Arbeit, von dem auch die geschädigt­en Pendler profitiere­n, soll die Wirtschaft ordentlich ankurbeln und bis zu 100.000 Jobs schaffen.

Das klingt fast zu gut, um wahr zu sein. Tatsächlic­h gibt es ein paar Wermutstro­pfen: Der Großteil der errechnete­n Ersparnis entfällt auf Tanktouris­ten. Deren Emissionen fielen jenseits der Grenze an. Gut für die heimische Bilanz, aber für das Klima ist das egal. Außerdem würde die erhoffte Konjunktur­spritze erfahrungs­gemäß die Emissionen in die Höhe treiben. Dieser Effekt wurde nicht berücksich­tigt.

Unterm Strich bleibt das Dilemma: Entweder man verteuert das Leben der Bürger im Ausmaß ihres CO2-Verbrauchs, dann kommt es zu politische­n Verteilung­skämpfen. Oder man kompensier­t die Verlierer großzügig, dann spart man aber kaum Emissionen ein.

Alternativ könnte ein reiches, kleines, innovative­s Land auch deutlich mehr Geld in die Entwicklun­g grüner Technologi­en stecken. Davon hätte die ganze Welt etwas.

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