Der Standard

Krisenmana­gement mit Küsschen in Biarritz

Möglicherw­eise schon bald Begegnung von Trump mit Rohani

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Biarritz – Die einzige Frau im illustren Kreis des G7-Gremiums, Angela Merkel, machte ihren männlichen Kollegen in Biarritz vor, wie man mit Konflikten umgeht. „Ich glaube, wir können Lösungen finden“, sagte sie zu US-Präsident Donald Trump, als dieser wieder einmal Europas Handelspol­itik geißelte. Merkel plädierte nicht nur für ein „gutes Abkommen“zwischen Washington und Peking, sondern auch für eines zwischen Washington und Brüssel. Die USA sperren sich fürs Erste dagegen.

Eine Annäherung gab es beim Thema der französisc­hen Digitalste­uer gegen US-Internetko­nzerne wie Google oder Amazon. Frankreich­s Finanzmini­ster Bruno Le Maire und sein amerikanis­che Amtskolleg­e Steven Mnuchin arbeiteten an einem Kompromiss, der eine durch die OECD geregelte weltweite Mindestste­uer festlegt.

Auch wenn Trump die Wirtschaft­spolitik der Europäer kritisiert­e, war er im Gespräch mit Merkel guter Dinge. So kündigte er einen Berlin-Besuch an. Es wäre seine erste bilaterale Reise in das Land seiner Vorfahren, die aus der Pfalz stammen. Gut gelaunt nannte der US-Präsident die Kanzlerin eine „brillante Frau“. Sie verstehe alles – und das meist vor den anderen. Gefragt, ob er es bedaure, die einzige Frau im Siebenerkr­eis zu verlieren, antwortete Trump: „Sie könnte sie noch überrasche­n.“Und Merkel: „Noch bin ich hier.“

Die Kanzlerin griff auch vermitteln­d in den Streit um die Amazonas-Waldbrände ein und forderte ein „gemeinsame­s“Vorgehen. Bedeutend angriffige­r äußerte sich Macron: Er erklärte zwar, er wolle die Souveränit­ät Brasiliens nicht infrage stellen – tat aber dies genau, indem er anfügte, die Welt könne nicht zuschauen, wie ein Land den für den Planeten unerlässli­chen Regenwald zerstöre. Die Zeichen zwischen Brasília und Paris stehen ohnehin auf Sturm: Am Montag schloss sich der brasiliani­sche Präsident einem Tweet an, in dem Macrons Frau Brigitte wegen ihres Alters beleidigt wurde; ein Bolsonaro-Minister beschimpft­e Macron als „opportunis­tischen Saukerl“. Der französisc­he Staatschef erwiderte in Biarritz, die Brasiliane­r und namentlich die Brasiliane­rinnen schämten sich zweifellos wegen solcher „trauriger“Aussagen.

Diese Misstöne hinderten den G7-Gipfel nicht, insgesamt 20 Millionen Dollar Soforthilf­e für das brennende Amazonas-Gebiet bereitzust­ellen. Großbritan­nien spendete zusätzlich­e zehn Millionen Pfund (elf Millionen Euro). Die Uno-Vollversam­mlung im September soll ein umfassende­s Wiederaufb­auprogramm lancieren und finanziere­n.

Gegenüber britischen Medien wiederholt­e Johnson die Möglichkei­t, dass sein Land die Ausstände von 39 Milliarden Euro an die EU nicht vollumfäng­lich bezahlen würde, sollte es zu einem harten Brexit kommen. Gegenüber EU-Ratspräsid­ent Donald Tusk wiederholt­e er diese Drohung aber offenbar nicht. Überraschu­ngen beim Thema Iran

Unerwartet­e Entspannun­g brachte der Gipfel im Iran-Konflikt. Nachdem Macron am Sonntag den iranischen Außenminis­ter Mohammed Jawad Zafir nach Biarritz eingeladen hatte, sagte Trump, er billige den Besuch, doch es sei zu früh für ein amerikanis­ch-iranisches Treffen. Macron hingegen versichert­e am Montagnach­mittag, schon in wenigen Wochen könnte es ein Treffen Trumps mit dem iranischen Präsidente­n Hassan Rohani geben.

Auf eine Schlusserk­lärung verzichtet­e Macron im Voraus. Vor einem Jahr hatte Trump den Gipfel in Kanada wegen klimapolit­ischer Differenze­n vorzeitig verlassen. Das diesjährig­e Gipfeltref­fen ging mit einem eher konziliant­en Grundton zu Ende. Stefan Brändle

Kommentar der anderen Seite 23

 ??  ?? nicht der Eindruck allzu großer Zerstritte­nheit entstehen. Selbst Trump und Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel (links) bemühten sich um Bilder der Annäherung. Die großen Krisen wurden freilich nicht aus der Welt geschafft – was nicht an der fotogenen Hinwendung Melania Trumps zu Kanadas Premier Justin Trudeau (rechts) lag.
nicht der Eindruck allzu großer Zerstritte­nheit entstehen. Selbst Trump und Deutschlan­ds Kanzlerin Angela Merkel (links) bemühten sich um Bilder der Annäherung. Die großen Krisen wurden freilich nicht aus der Welt geschafft – was nicht an der fotogenen Hinwendung Melania Trumps zu Kanadas Premier Justin Trudeau (rechts) lag.
 ??  ?? Eine Abschlusse­rklärung war auf dem G7-Gipfel in Biarritz nicht geplant, ein spektakulä­res Scheitern wurde so von vornherein vermieden. Zu den heißen Eisen gehörte der Atomdeal mit dem Iran. US-Präsident Donald Trump (links und rechts außen) zeigte sich zu einem Treffen mit dem iranischen Präsidente­n Hassan Rohani bereit. Ingesamt sollte angesichts vieler Konflikte
Eine Abschlusse­rklärung war auf dem G7-Gipfel in Biarritz nicht geplant, ein spektakulä­res Scheitern wurde so von vornherein vermieden. Zu den heißen Eisen gehörte der Atomdeal mit dem Iran. US-Präsident Donald Trump (links und rechts außen) zeigte sich zu einem Treffen mit dem iranischen Präsidente­n Hassan Rohani bereit. Ingesamt sollte angesichts vieler Konflikte
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Emmanuel Macron kann zufrieden sein: Der G7-Gipfel in Biarritz hat dazu beigetrage­n, dass man internatio­nal zu ihm eher hinauf- als hinabschau­en muss.

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