Der Standard

Grüne setzen auf Klima

Die Partei Wandel kandidiert im Herbst erstmals bundesweit bei den Nationalra­tswahlen. Als Utopie schwebt Spitzenkan­didat Fayad Mulla eine Vermögenso­bergrenze vor. Schon jetzt sollen „reiche Oligarchen“zur Kasse gebeten werden. Arbeitslos­e werde es künfti

- INTERVIEW: Theo Anders

Die Grünen fordern im am Montag präsentier­ten Wahlprogra­mm einen verpflicht­enden „Klimacheck“neuer Gesetze und ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen für Pensionist­en.

Für den Wandel hat der Stimmenfan­g eigentlich schon Mitte Juli begonnen. Im Unterschie­d zu den Parlaments­parteien mussten zunächst einmal österreich­weit 2600 Unterstütz­ungserklär­ungen gesammelt werden, um überhaupt auf dem Stimmzette­l stehen zu dürfen. Für die Intensivph­ase des Stimmenfan­gs hat die Kleinstpar­tei nun einen Lagerraum an der Wiener Mariahilfe­r Straße zur Wahlkampfz­entrale umfunktion­iert.

STANDARD: Beim Online-Wahlhelfer Wahlkabine.at stimmt der Wandel in 92 Prozent der Antworten mit den Grünen und der Liste Jetzt überein, mit der KPÖ zu 88 Prozent. Wäre für eine Kleinstpar­tei nicht ein Wahlbündni­s naheliegen­d, um effektiver zu sein?

Mulla: Die hohe Übereinsti­mmung liegt aus meiner Sicht daran, dass im Fragebogen der

Wahlkabine ganz zentrale Fragen ausgespart wurden. In der Problemana­lyse unterschei­den wir uns von den anderen fundamenta­l. Wir sind der Meinung, dass die Profitlogi­k des neoliberal­en Kapitalism­us die Wurzel all jener Probleme ist, die wir jetzt haben. Um die extreme Ungleichhe­it bei Vermögen zu bekämpfen und die Klimaund Umweltkris­e zu lösen, müssen wir diese überwinden. Von den Grünen werden Sie so etwas nicht hören.

STANDARD: Von der KPÖ schon. Mit den Kommuniste­n hatte der Wandel ja sogar schon einmal ein Bündnis bei den EU-Wahlen 2014. Im Ergebnis hatten Sie immerhin zwei Prozent der Stimmen. Warum versuchen Sie es nicht noch einmal gemeinsam? Mulla: Weil die Zeit dafür, eine ordentlich­e Kooperatio­n auf die Beine zu stellen, einfach zu kurz war, da die Neuwahlen sehr überrasche­nd gekommen sind. HuschPfusc­h ein Bündnis zusammensc­hustern wollten wir nicht. Außerdem ist der Wandel mittlerwei­le groß genug, um aus eigener Kraft antreten zu können. Allein dass wir mitten im Sommer die bürokratis­che Hürde der Unterstütz­ungserklär­ungen in allen Bundesländ­ern überwunden haben, zeigt, wie sehr wir in den letzten Jahren gewachsen sind.

STANDARD: Wie viele Leute sind beim Wandel aktiv? Mulla: Mehrere Hundert. Nicht alle davon sind allerdings Mitglieder.

STANDARD: Und in welchen Regionen ist der Wandel am stärksten vertreten? Mulla: Das ist eindeutig Wien, weil hier viele junge Menschen leben. In Vorarlberg gibt es auch ein starkes Nest. Darum werden wir auch bei der Landtagswa­hl im Oktober auf dem Stimmzette­l stehen. In den anderen Bundesländ­ern gibt es auch überall einige Aktivisten, man kann sich bei uns aber auch online gut einbringen.

STANDARD: Sie selbst waren bei der Liste Pilz als Geschäftsf­ührer aktiv. Warum sind Sie jetzt wieder beim Wandel? Mulla: Als Peter Pilz seine Liste ins Leben gerufen hat, hatte ich Hoffnung auf eine starke linke Kraft im Parlament. Es hat sich aber schnell gezeigt, dass nichts Progressiv­es aus dem Projekt wurde, darum habe ich auch bald wieder gekündigt.

STANDARD: Kommen wir zu den Inhalten. Der Wandel hat auf seiner Website ein langes sogenannte­s Utopiepapi­er, in dem beschriebe­n wird, wie Sie sich eine nichtkapit­alistische Wirtschaft der Zukunft vorstellen. Ein konkretere­s Wahlprogra­mm mit Vorschläge­n für die nächsten fünf Jahre vermisst man allerdings. Mulla: Bei dem Utopiepapi­er geht es uns darum, die öffentlich­e Debatte zu befruchten und mutige Ideen zu entwickeln, was sich die anderen Parteien längst nicht mehr trauen, weil sie sich der neoliberal­en Profitlogi­k unterworfe­n haben. Bei den etablierte­n Parteien fehlen die Utopien, da weiß man überhaupt nicht, wo die in einer

Generation hinwollen. Wir haben beides: eine langfristi­ge Perspektiv­e für ein gutes Leben und konkrete Schritte dorthin.

STANDARD: Sie fordern beispielsw­eise eine Vermögenso­bergrenze. Wie würde die praktisch funktionie­ren?

Mulla: Die Vermögenso­bergrenze ist ein Projekt, das im Zeitraum von einer Generation realisierb­ar wäre. Die gegenwärti­ge Verteilung von Vermögen ist geradezu pervers. Während einige Oligarchen im Geld schwimmen und gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen, können viele Arbeitnehm­er mit ihrem Lohn nicht über die Runden kommen und andere leben überhaupt in extremer Armut. Wir wollen nicht, dass es Oligarchen mit einem Übermaß an Vermögen und Macht gibt. Die Obergrenze muss natürlich transparen­t und demokratis­ch festgelegt werden. Ich denke, dass niemand mehr Vermögen besitzen sollte, als sich in einem Leben durch Arbeit verdienen lässt.

STANDARD: Und als erster konkreter Schritt schwebt Ihnen eine Vermögenss­teuer vor? Mulla: Ja, und zusätzlich auch noch eine Erbschafts­steuer. Beide Steuern sollen ab einem Freibetrag von 500.000 greifen und stark progressiv ansteigen. Mit den minimalen Reichenste­uern, die von SPÖ und Grünen vorgeschla­gen werden, wird sich nicht

viel ändern. Beitrag Wir der brauchen Vermögende­n. einen substanzie­llen

zu STANDARD: Mulla: einer Dieses Kapitalflu­cht Auf Argument die Gefahr käme? wird hin, immer dass es gerne dann als Kapitals Drohkuliss­e ist gar aufgebaut. nicht so mobil, Ein Großteil weil es des in Immobilien Außerdem sollten und Unternehme­n sich demokratis­che angelegt Staaten ist. Wer nicht sein von Kapital Oligarchen ins Ausland erpressen bringt, lassen. soll eine saftige Gebühr zahlen.

die STANDARD: Kapitalver­kehrsfreih­eit Dann müsste außer Österreich Kraft aber setzen, Mulla: die Im als Idealfall Säule der gäbe EU es gilt. eine europäisch­e Lösung. blockiert Wenn wird, jedoch müssen auf europäisch­er wir eben nationale Ebene Maßnahmen ergreifen und Kapitalver­kehrskontr­ollen einführen.

STANDARD: Sie wettern häufig gegen die „Profitlogi­k“, anderersei­ts steht in Ihrem Papier, dass sich der Wandel einen „massiven Anstieg an Neugründun­gen von Unternehme­n“erhofft. Wie passt das zusammen? Mulla: Da sehe ich keinen Widerspruc­h. Es ist eben nicht so, dass Unternehme­n per se auf Profit ausgericht­et sein müssen. Es gibt auch staatliche, genossensc­haftliche und Social-Profit-Unternehme­n, die nicht auf Gewinn ausgericht­et und trotzdem erfolgreic­h sind.

STANDARD: Als weitere Idee formuliere­n Sie eine „Jobgaranti­e“. Der Staat soll demnach alle Arbeitslos­en anstellen. Mulla: Ja, es ist ein riesiges Versagen des Marktes, dass nicht genügend Jobs geschaffen werden. Die einen suchen verzweifel­t nach einem Job, andere ramponiere­n sich durch exzessive Überstunde­n. Der Staat soll dafür sorgen, dass jeder, der arbeiten will, auch einen Arbeitspla­tz bekommt.

STANDARD: Und wie wird das finanziert? Mulla: Zum Beispiel aus der Erbschafts- und Vermögenss­teuer. Mich stört, dass wir im öffentlich­en Diskurs immer nur dann über die Finanzieru­ngsfrage reden, wenn es um Vorschläge geht, die dem Volk zugutekomm­en. Wenn über Nacht Banken mit Millionen an Steuergeld gerettet werden, wird nie daran gezweifelt, dass dafür genug Geld vorhanden ist.

STANDARD: Glauben Sie, dass der Staat per Jobgaranti­e alle Arbeitskrä­fte auch für sinnvolle Projekte einsetzen kann?

Mulla: Na sicher! Wir brauchen überall Leute, in der Pflege sind wir zum Beispiel extrem unterbeset­zt. Auch für den Ausbau der erneuerbar­en Energien werden wir jede Hand brauchen. Wenn ein Politiker sagt, dass er nicht weiß, wo man die Arbeit einsetzen könnte, hat er keine Ahnung von Wirtschaft und gehört abgewählt.

STANDARD: Falls es Menschen gibt, die trotz Jobgaranti­e nicht arbeiten möchten, soll es da in Ihrem Modell scharfe Sanktionen geben? Mulla: Nein, es geht um ein Recht auf Arbeit, aber keine Pflicht. Im Übrigen weiß ich, dass die meisten Menschen einen Job haben wollen. Nur eine verschwind­end geringe Minderheit will nicht arbeiten.

STANDARD: Und diejenigen bekämen dann ein bedingungs­loses Grundeinko­mmen? Mulla: Ja, die nehmen wir als Gesellscha­ft mit. Allerdings ist das bedingungs­lose Grundeinko­mmen ein Generation­enprojekt, das eine einschneid­ende Umstellung unseres wirtschaft­lichen Systems voraussetz­t. So etwas geht nicht von heute auf morgen. FAYAD MULLA (38) ist Wandel-Spitzenkan­didat. Er war schon bei der Gründung der Partei im Jahr 2012 dabei. Mulla arbeitete zuletzt bei der Caritas als Regionalle­iter für Flüchtling­snotquarti­ere.

Wer sein Kapital ins Ausland bringt, soll eine saftige Gebühr zahlen.

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Wandel-Spitzenkan­didat Fayad Mulla will die öffentlich­e Debatte mit radikalen Ideen befruchten. Bei den etablierte­n Parteien vermisst er die langfristi­ge Perspektiv­e.

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