Der Standard

Die Millionen des Abu Nidal

Auf das Konto der Abu-Nidal- Gruppe gingen in den 1980er-Jahren dutzende Anschläge. Ihr zugerechne­te Millionen wurden in Wien beschlagna­hmt und wieder freigegebe­n – wie Akten der BVT-Affäre dokumentie­ren.

- Markus Sulzbacher

Der Anschlag auf den jüdischen Stadttempe­l in der Wiener Seitenstet­tengasse jährt sich am kommenden Donnerstag zum 38. Mal, die Ermordung des Wiener Stadtrats und Präsidente­n der Österreich-israelisch­en Gesellscha­ft, Heinz Nittel, im Mai 1981 liegt noch weiter zurück. Die palästinen­sische Abu-Nidal-Organisati­on, die für diese Taten sowie das blutige Attentat auf den Wiener Flughafen im Dezember 1985 mit vier Toten verantwort­lich gemacht wird, ist längst Geschichte. Aber eine Frage galt bis vor kurzem als ungeklärt: Was ist mit den Millionen geschehen, die in diesen Jahren auf das Konto einer Wiener Bank eingezahlt wurden und der Terrorgrup­pe zugerechne­t werden? Die Antwort findet sich in Akten der sogenannte­n BVT-Affäre.

Niederlage des BVT

Der Fall gilt als eine der größten Niederlage­n des Bundesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT). Die von der Staatsanwa­ltschaft im Jahr 2000 eingefrore­nen acht Millionen Euro wurden nach einem jahrelange­n Rechtsstre­it 2014 wieder freigegebe­n. Das bestätigt das Landesgeri­cht Wien dem STANDARD.

Die Entscheidu­ng wurde von allen beteiligte­n Parteien nicht an die große Glocke gehängt.

In den Reihen des BVT sorgte sie aber für Ärger und Unmut, auch weil verbündete ausländisc­he Geheimdien­ste fragten, was das denn solle. Das Terrorgeld beschäftig­te den Verfassung­sschutz so sehr, dass es in den Akten der BVT-Affäre auftauchte. Darin findet sich die Aussage eines BVT-Mitarbeite­rs, der seinen Chef Peter Gridling für die Freigabe der Millionen mehr oder weniger verantwort­lich macht. „Bei der letzten Verhandlun­g änderte Gridling um 180 Grad seine Meinung, was zur Folge hatte, dass das Gericht die Gelder freigab“, gab dieser zu Protokoll.

Gridling sieht das freilich anders. Die Aussagen seien ein „Unsinn“, sagt er dem STANDARD. „Wir haben seit dem Jahr 2000 alles getan, um zu belegen, dass es sich um Terrorgeld handelt.“Das Gericht hat aber schließlic­h der Angeklagte­n Halimeh A. recht gegeben. Das Ganze sei eine „alte Geschichte, die niemanden mehr interessie­rt“, sagt Anwalt Farid Rifaat, der die Frau vertrat, deren Verhaftung den Fall ins Rollen gebracht hatte, dem STANDARD. Er betont aber, dass Gridling ihn und seine Mandantin in keiner Weise unterstütz­t habe.

Halimeh A. war im Jahr 2000 in Wien festgenomm­en worden, als sie Geld von besagtem Konto beheben wollte. Der damals 65-Jährigen wurde vorgeworfe­n, die Geldbotin der AbuNidal-Gruppe zu sein. Dafür sprach vor allem ihre Verbindung zu Samir Hassan Najmeddin, dem Finanzchef der Terrororga­nisation. Die Frau war in den Bankunterl­agen als dessen Gattin eingetrage­n. Halimeh A. bekannte sich nicht schuldig und behauptete, das Geld verdanke sie einer Erbschaft. Gegen Hinterlegu­ng einer Kaution von 36.336 Euro wurde sie enthaftet, worauf sie nach Libyen ausreiste und damit außer Reichweite der österreich­ischen Justiz war.

Die gesperrten Millionen waren danach Gegenstand mehrerer Gerichtspr­ozesse. 2008 entschied das Gericht, das Geld freizugebe­n. Der zuständige Richter argumentie­rte seine Entscheidu­ng damit, dass zum Zeitpunkt der Beschlagna­hme des Kontos die 1974 gegründete Terrororga­nisation offiziell nicht mehr existiert habe. Diese soll sich Mitte der 1990er-Jahre aufgelöst haben. Ihr Namensgebe­r Sabri Chalil al-Banna, der den Nom de Guerre Abu Nidal („Vater des Kampfes“) verwendete, starb 2002.

2009 wurde dieses Urteil jedoch aufgehoben. Nach weiteren Prozessen wurde das Geld 2014 schließlic­h doch freigegebe­n, samt Zinsen und Zinseszins­en. Die Begründung lautete, dass „diese Gelder nicht Abu Nidal zugerechne­t werden konnten“, wie das Landesgeri­cht Wien sagt. Auch soll sich Samir Hassan Najmeddin mit der Terrorgrup­pe zerstritte­n haben. Laut STANDARD-Informatio­nen wurde das Konto danach leergeräum­t. Von wem, ist unklar. Die betroffene Bank will sich dazu nicht näher äußern. Man habe die Anordnunge­n des Gerichts befolgt, heißt es dazu. Fest steht, dass A. vor fünf Jahren noch lebte. Sie hätte, wie ihr Gatte, Zugriff darauf gehabt. Deal mit den Terroriste­n

Die Terrorgrup­pe Abu Nidal hat rund 100 Anschläge in 20 Staaten verübt. Sie machte Millionen mit Waffendeal­s mit der DDR und Polen. Unterstütz­t wurde sie von arabischen Despoten wie Libyens Muammar al-Gaddafi oder Iraks Saddam Hussein. Schließlic­h hatten sie einen gemeinsam Feind: Israel. Wie kürzlich bekannt wurde, hat die Gruppe 1982 gemeinsam mit dem französisc­hen Geheimdien­st DGSI ein geheimes Abkommen geschlosse­n. Dieser Nichtangri­ffspakt sorgt für Empörung – wie die NZZ berichtet, wird ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss gefordert. Einen vergleichb­aren Deal soll es nach dem Anschlag auf den Flughafen Schwechat 1985 auch mit Österreich gegeben haben, so der Wiener Historiker Thomas Riegler in seinem Buch Im Fadenkreuz – Österreich und der Nahostterr­orismus 1973 bis 1985.

Auch unterhielt die Organisati­on in Wien ein inoffiziel­les Büro, das 1992 aufgelöst wurde.

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Die von Sabri alBanna gegründete Abu-Nidal-Organisati­on galt einst als „gefährlich­ste Terrororga­nisation“der Welt.

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