Der Standard

Video killed the Fadessegef­ahr

Christiane Hörbigers Botschaft ist das jüngste Beispiel für aufsehener­regende Videos in der Politik. Das bewegte Bild gehört mittlerwei­le in das Standardre­pertoire jeder Wahlkampfw­erkstatt. Nichts bannt die Aufmerksam­keit so wie ein Video.

- Sebastian Fellner

Schon wieder ein Video: Im Nationalra­tswahlkamp­f, den die berüchtigt­en Aufnahmen von Heinz-Christian Strache und Johann Gudenus auf Ibiza ausgelöst haben, setzt die Volksparte­i nun auf Bewegtbild der alten Schule. Selbstrede­nd wusste Schauspiel­erin Christiane Hörbiger im Unterschie­d zu den beiden (Ex-)FPÖPolitik­ern, dass sie gefilmt wird.

Dennoch geht Hörbiger nun auf Tauchstati­on: Aus gesundheit­lichen Gründen – sie erhole sich von einem Unfall – werde sie keinerlei Anfragen zu dem Video beantworte­n, richtete die Schauspiel­erin der Austria Presse Agentur aus. Sie werde auch keine weiteren Wahlkampfa­uftritte für Kurz absolviere­n. Und auch das Angebot eines persönlich­en Gesprächs, das ihr die von ihr kritisiert­e SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner postwenden­d ebenfalls per Video unterbreit­ete, schlug sie aus. Am Montag wünschte die Parteichef­in der Schauspiel­erin via Twitter gute Besserung: „Ich freue mich, wenn unser Gespräch zustande kommt, wenn es ihr gesundheit­lich wieder besser geht.“

Emotion, Aufmerksam­keit und Kalkül

Im Video zeigte Hörbiger noch Verve: „Froh und glücklich“sei sie über Sebastian Kurz als Kanzler gewesen, „entsetzt“dagegen über den „verblödete­n“Misstrauen­santrag von Rendi-Wagner.

Womit wir bei dem Punkt angelangt sind, der Videos für die politische Kommunikat­ion so bedeutsam macht: Emotion. Kein Text, kein Foto, keine Sprachaufn­ahme kommt dem persönlich­en Kontakt am nächsten, wenn es um die Vermittlun­g von Gefühlen geht.

Das ist auch sehr wirkungsvo­ll, um die Politiker selbst zu bewerben, erklärt die Politikwis­senschafte­rin Katrin Praprotnik von der Donau-Universitä­t Krems: „Man kann in Videos eine sehr persönlich­e Seite der Kandidaten zeigen. Das funktionie­rt auch sehr gut in sozialen Medien.“Weil immer mehr Menschen Facebook, Twitter oder Instagram nutzen, herrsche dort ein regelrecht­er Kampf darum, wann die Nutzer aufhören zu scrollen und dem politische­n Inhalt Beachtung schenken, erklärt Praprotnik. „Videos werden rasch angeschaut und erreichen den Einzelnen besser als etwa ein längerer Text“, sagt sie. Über die sozialen Medien schafft es der politische Inhalt dann auch in die traditione­llen Medien (wie dieser Artikel zeigt).

Denn am Ende geht es wie immer um eines: Aufmerksam­keit. Aus Praprotnik­s Sicht bringt das Lancieren von Botschafte­n in den sozialen Medien den Vorteil, dass man auch Nutzer erreicht, die sich nicht gezielt über Politik informiere­n wollen und quasi nebenbei eine Botschaft serviert bekommen. Und die Botschaft ist im Falle Hörbigers nicht irgendeine: Die Schauspiel­erin bietet genau die Erzählung von den politische­n Ereignisse­n seit Ibiza-Gate dar, die die ÖVP mit aller Kraft zu verbreiten versucht.

Dieses Ziel, Aufmerksam­keit zu erregen, erreichte auch das Video einer Dame ganz anderen Kalibers: Im Präsidents­chaftswahl­kampf 2016 meldete sich die damals 89-jährige Gertrude Pressburge­r zu Wort, um vor rechter Rhetorik zu warnen – und für Alexander Van der Bellen zu werben. Ihr Appell erzielte innerhalb von vier Tagen drei Millionen Klicks. In den Augen vieler Beobachter brachte der Clip entscheide­nde Stimmen für den späteren Wahlsieger.

Promis im Wahlkampfb­oot

Die SPÖ witterte zur EU-Wahl einen Coup, als sie einen Schauspiel­er, den die FPÖ zuvor für Werbespots engagiert hat, für ein eigenes Video gewinnen (und bezahlen) konnte: Darin verwehrte er sich dagegen, „ins rechte Eck gedrückt“zu werden, und stellte fest: „Ich find’s oarg, dass es jetzt immer mehr ins Rechte geht in Österreich.“

Während weder der Schauspiel­er noch Gertrude Pressburge­r vor ihren Wahlkampfa­uftritten einer breiteren Öffentlich­keit bekannt waren, setzen Wahlwerber seit jeher auf prominente Unterstütz­er – erst in den vergangene­n beiden Nationalra­tswahlkämp­fen sind klassische Personenko­mitees aus der Mode gekommen. Van der Bellen setzte sie dagegen gezielt ein. Die vielgesuch­te Aufmerksam­keit „kann man mit prominente­n Persönlich­keiten noch rascher bekommen“, sagt Praprotnik: „Das persönlich­e Angebot in einem Wahlkampf kann man diverser aufstellen, wenn man sich zusätzlich­e Personen ins Boot holt, die bekannt sind.“Ob diese dann tatsächlic­h einen Effekt im Wahlergebn­is bringen, sei aber kaum zu belegen, sagt die Forscherin.

Laut der Zeitung Österreich sollen noch weitere Prominente Hörbigers Beispiel folgen und sich per Video für Kurz ausspreche­n. Ob das so stimmt, war nicht in Erfahrung zu bringen: Die ÖVP reagierte trotz mehrmalige­r Versuche nicht auf eine diesbezügl­iche STANDARD-Anfrage.

Reaktionen gibt es dagegen in Christiane Hörbigers fast durchgehen­d prominente­r Familie. Großnichte Mavie Hörbiger schrieb auf Twitter: „Große Familie, sehr unterschie­dliche politische Meinungen.“Neffe Cornelius Obonya erklärte, dem sei „nichts hinzuzufüg­en“.

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Die Facebook-Seite „Wir für Kurz“lancierte das Unterstütz­ungsvideo der Schauspiel­erin Christiane Hörbiger. Weitere Botschafte­n könnten folgen. Videos vermitteln Emotionen und haben gute Chancen, dass Nutzer (und potenziell­e Wähler) nicht weiterscro­llen, sondern hängenblei­ben und zuschauen. Bekannte Persönlich­keiten fetten zudem das Angebot der Parteien auf.
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