Prozess um Banker und „Geschichtslüge des Holocaust“
Ein 46-Jähriger hat in einem Facebook-Posting auf einer FPÖ-Fanpage gegen das Verbotsgesetz verstoßen
Wien – Herr S. ist definitiv kein Modernisierungsverlierer. Der 46Jährige arbeitet in einer kleinen Bankfiliale in Niederösterreich, wo er auch ein 350.000-Euro-Haus sein Eigentum nennt. Vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Sonja Weis erscheint der Unbescholtene im dunklen Anzug mit passender Krawatte. Der Grund des Erscheinens des Anständigen und Fleißigen: ein Facebook-Posting aus dem Jahr 2017, in dem S. von der „Geschichtslüge des Holocaust“durch „die Israelis“schwadronierte.
S. bekennt sich nicht schuldig. Er habe bei „einer hitzigen Internetdiskussion“auf „ein blödes Posting mit einem noch blöderen geantwortet“. Abgespielt hat sich das Ganze auf der Seite „Sag ja zu HC Strache und Norbert Hofer“. Die Selbstdefinition der virtuellen Runde: „Diese Gruppe ist für alle Patrioten, die hinter HC Strache und Norbert Hofer stehen (und damit natürlich auch hinter der FPÖ). Linke Hetzer und Provokateure per se haben hier nichts verloren und werden ausnahmslos aus der Gruppe entfernt.“
Nach der Wahl 2017 kommentierte Herr S. jedenfalls einen dort geposteten Artikel der
Kronen Zeitung, der berichtete, dass die Israelitische Kultusgemeinde vor dem „nationalistischen Wolf im blauen Schafspelz“warnte. Zu dem Kommentar „Die Juden fangen wieder an zu zündeln“verfasste der Angeklagte dann den inkriminierten Beitrag zur „Geschichtslüge“und beschwerte sich über die „Nazi-Keule“.
Was er damit ausdrücken wollte, will die Vorsitzende wissen. S. verweist darauf, dass er „eine wissenschaftliche Arbeit“zum Holocaust gelesen habe. „Es wurden darin Fakten hochgehalten ...“– „Welche?“– „Das Ergebnis war, dass manches nicht stimmen kann.“– „Was kann nicht stimmen?“– „Das kann ich jetzt nicht wirklich sagen“, gesteht S. ein.
Der sogenannte „Lüftl-Report“, ein Holocaust-leugnendes Pamphlet, sei es aber nicht gewesen, ist S. sich sicher. Der wurde nur deshalb auf seinem Laptop gefunden, weil er schauen wollte, ob das die mysteriöse „wissenschaftliche Arbeit“gewesen sei, behauptet er.
Auch auf seinem Mobiltelefon fanden sich Dateien – beispielsweise ein bearbeitetes Bild von Adolf Hitler mit Kochschürze und dem Text „Kochen mit Adolf: 1. Schritt – Gas aufdrehen“oder eine breite Männerbrust, auf der „Nazi“und darunter „Nicht an Zuwanderung interessiert“zu lesen ist. „Das habe ich via Whatsapp bekommen und immer gelöscht. Ich wusste nicht, dass die Bilder im Hintergrund gespeichert bleiben“, verteidigt sich der Banker. Eine Geschworene sowie auch Beisitzerin Christina Salzborn wundern sich: Was für Freunde und Bekannte S. denn habe, da sie selbst noch nie Hitler-Bilder übermittelt bekommen hätten. „Ich bekomme vielleicht Kettenbriefe und Katzenbilder“, verrät Salzborn.
Im Schlussplädoyer macht die Staatsanwältin noch einmal klar, dass es beim angeklagten Delikt § 3h Verbotsgesetz nicht um NSWiederbetätigung gehe, sondern darum, dass die Verharmlosung oder Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen in der Öffentlichkeit unterbunden wird.
Sieben der acht Geschworenen sehen diese Bedingung erfüllt und sprechen S. nicht rechtskräftig schuldig, die Strafe lautet auf 20 Monate bedingt.