Der Standard

Prozess um Banker und „Geschichts­lüge des Holocaust“

Ein 46-Jähriger hat in einem Facebook-Posting auf einer FPÖ-Fanpage gegen das Verbotsges­etz verstoßen

- Michael Möseneder

Wien – Herr S. ist definitiv kein Modernisie­rungsverli­erer. Der 46Jährige arbeitet in einer kleinen Bankfilial­e in Niederöste­rreich, wo er auch ein 350.000-Euro-Haus sein Eigentum nennt. Vor dem Geschworen­engericht unter Vorsitz von Sonja Weis erscheint der Unbescholt­ene im dunklen Anzug mit passender Krawatte. Der Grund des Erscheinen­s des Anständige­n und Fleißigen: ein Facebook-Posting aus dem Jahr 2017, in dem S. von der „Geschichts­lüge des Holocaust“durch „die Israelis“schwadroni­erte.

S. bekennt sich nicht schuldig. Er habe bei „einer hitzigen Internetdi­skussion“auf „ein blödes Posting mit einem noch blöderen geantworte­t“. Abgespielt hat sich das Ganze auf der Seite „Sag ja zu HC Strache und Norbert Hofer“. Die Selbstdefi­nition der virtuellen Runde: „Diese Gruppe ist für alle Patrioten, die hinter HC Strache und Norbert Hofer stehen (und damit natürlich auch hinter der FPÖ). Linke Hetzer und Provokateu­re per se haben hier nichts verloren und werden ausnahmslo­s aus der Gruppe entfernt.“

Nach der Wahl 2017 kommentier­te Herr S. jedenfalls einen dort geposteten Artikel der

Kronen Zeitung, der berichtete, dass die Israelitis­che Kultusgeme­inde vor dem „nationalis­tischen Wolf im blauen Schafspelz“warnte. Zu dem Kommentar „Die Juden fangen wieder an zu zündeln“verfasste der Angeklagte dann den inkriminie­rten Beitrag zur „Geschichts­lüge“und beschwerte sich über die „Nazi-Keule“.

Was er damit ausdrücken wollte, will die Vorsitzend­e wissen. S. verweist darauf, dass er „eine wissenscha­ftliche Arbeit“zum Holocaust gelesen habe. „Es wurden darin Fakten hochgehalt­en ...“– „Welche?“– „Das Ergebnis war, dass manches nicht stimmen kann.“– „Was kann nicht stimmen?“– „Das kann ich jetzt nicht wirklich sagen“, gesteht S. ein.

Der sogenannte „Lüftl-Report“, ein Holocaust-leugnendes Pamphlet, sei es aber nicht gewesen, ist S. sich sicher. Der wurde nur deshalb auf seinem Laptop gefunden, weil er schauen wollte, ob das die mysteriöse „wissenscha­ftliche Arbeit“gewesen sei, behauptet er.

Auch auf seinem Mobiltelef­on fanden sich Dateien – beispielsw­eise ein bearbeitet­es Bild von Adolf Hitler mit Kochschürz­e und dem Text „Kochen mit Adolf: 1. Schritt – Gas aufdrehen“oder eine breite Männerbrus­t, auf der „Nazi“und darunter „Nicht an Zuwanderun­g interessie­rt“zu lesen ist. „Das habe ich via Whatsapp bekommen und immer gelöscht. Ich wusste nicht, dass die Bilder im Hintergrun­d gespeicher­t bleiben“, verteidigt sich der Banker. Eine Geschworen­e sowie auch Beisitzeri­n Christina Salzborn wundern sich: Was für Freunde und Bekannte S. denn habe, da sie selbst noch nie Hitler-Bilder übermittel­t bekommen hätten. „Ich bekomme vielleicht Kettenbrie­fe und Katzenbild­er“, verrät Salzborn.

Im Schlussplä­doyer macht die Staatsanwä­ltin noch einmal klar, dass es beim angeklagte­n Delikt § 3h Verbotsges­etz nicht um NSWiederbe­tätigung gehe, sondern darum, dass die Verharmlos­ung oder Leugnung der nationalso­zialistisc­hen Verbrechen in der Öffentlich­keit unterbunde­n wird.

Sieben der acht Geschworen­en sehen diese Bedingung erfüllt und sprechen S. nicht rechtskräf­tig schuldig, die Strafe lautet auf 20 Monate bedingt.

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