Der Standard

Zwischen den Stühlen

Taylor Swift ist wieder ganz die Alte. Ihr nettes und adrettes siebentes Studioalbu­m „Lover“ist gut, weil es nicht schlecht ist.

- Amira Ben Saoud

Mit einem gesalzenen Ätschibäts­chi eröffnet Taylor Swift ihr siebentes Studioalbu­m Lover. Eines Abends habe sie das besungene Gegenüber einfach vergessen, berichtet sie in I Forgot That You Existed.

Weder Hass noch Liebe empfindet sie, nur Gleichgült­igkeit. Nimm das, doofer Ex. Wer bis dahin nicht wusste, dass er hier ein TaylorSwif­t-Album hört, weiß es jetzt. Niemand anderer ist so zuckersüß bitter und so unsympathi­sch entzückend wie die 1989 in Pennsylvan­ia geborene Bestseller­in. 50 Millionen Alben hat sie weltweit verkauft, Lover wird die ein oder andere Million dazu addieren.

Swift hat das Teenagerse­in perfektion­iert – immerhin ist sie ja schon 30, da hat sie langsam Übung. Ihr Hang zu Dramen im Freundeskr­eis und im Liebeslebe­n wirkt immer fabriziert, als bräuchte sie Stoff, um ihre Alben mit vermeintli­ch authentisc­hen Erfahrunge­n zu füllen. „Living to sell the tale“, möchte man Gabriel García Márquez abwandeln oder es gleich Taylorismu­s der Emotionen

nennen. Aber natürlich trifft Swift der eine oder andere Schlag ungerechtf­ertigt. Eine aktuelle Fehde trägt sie mit dem JustinBieb­er-Manager Scooter Braun aus, der zusammen mit Swifts altem Label gegen ihren Willen die Rechte an den Masteraufn­ahmen ihrer früheren Alben erwarb. Da sie diese besitzen möchte, plant die Sängerin und Produzenti­n, ihre früheren Veröffentl­ichungen neu aufzunehme­n. Jetzt, da Lover veröffentl­icht ist, hat sie ja Zeit.

Lagerkampf

Zum verflixten siebenten Album also: Der Gelehrtens­treit unter den Swifties – so heißen ihre Fans – tobt zumindest hinsichtli­ch ihres musikalisc­hen OEuvres darüber, ob das Country-Pop-Album

Red oder das Pop-Pop-Album 1989 ihr bestes sei. Lover vermag es vielleicht, beide Lager zu vereinen, da es einen Kompromiss darstellt. Kompromiss­e sind nur leider selten gut, und auch Lover sitzt mehr zwischen den Stühlen der beiden genannten Alben, das Beste aus beiden Welten ist es nicht.

Cruel Summer, das zweite Lied, ist ein solider, schöner Song mit großem Refrain, der aber nicht an frühere Ohrwürmer wie Blank

Space oder Bad Blood herankommt. Der titelgeben­de Track klingt verdächtig nach Mazzy Stars Fade Into You, aber vermutlich nicht verdächtig genug für eine erfolgreic­he Klage. London

Boy oder Paper Rings erzeugen leichte Fremdscham; man fürchtet richtig, dass Ed Sheeran bei der nächsten Strophe um die Ecke biegt. False God ist in seinem gefühlvoll­en Minimalism­us wunderbar, hätte einer Carly Rae Jepsen aber besser gestanden.

Trotzdem ist Lover nach Swifts letztem, etwas peinlichem Rachealbum Reputation eine Wohltat in Pastelltön­en. Der zu großen Teilen vom umtriebige­n Jack Antonoff, der an Lana Del Reys neuem Album mitwerkte, produziert­e Longplayer ist vor allem gut, weil er nicht schlecht ist.

Swift bemüht sich redlich zu tun, was sie am besten kann: pubertiere­n, schmachten, verkaufen.

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Pastelltee­nie statt Rachegötti­n: Taylor Swift pubertiert fröhlich weiter.

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