Der Standard

Wunderbare Welt der Banken

Banken steht ein grundlegen­der Wandel bevor. Mitte September tritt eine EU-Richtlinie in Kraft, die rund um das Bankkonto ein eigenes Ökosystem mit Zusatzdien­sten und branchenfr­emden Angeboten von Drittanbie­tern entstehen lässt.

-

Stellen Sie sich vor, die Hausbank wird zum persönlich­en Assistente­n in Finanzfrag­en. Oder in fast allem, was mit Geld zu tun hat. Sie organisier­t Versicheru­ngen, hält nach günstigere­n Anbietern für Strom oder Internet Ausschau, reserviert einen Tisch im Lieblingsr­estaurant und ordert das Taxi dorthin – und begleicht auch die Rechnungen. Wenn es einmal knapp werden sollte oder Anschaffun­gen anstehen, wird der Kreditantr­ag umgehend bewilligt. Oder abgelehnt. Die Smartphone-App zeigt es sofort an.

Was nach einer Werbeeinsc­haltung des Bankenverb­ands klingt, basiert auf einer Vorgabe aus Brüssel, nämlich der EU-Zahlungsdi­enstericht­linie PSD2. Diese soll ab 14. September sogenannte­s Open Banking ermögliche­n. Wieso Open? Einer der Kernpunkte sieht vor, dass die Hausbank über eine Schnittste­lle Kontodaten auf Kundenwuns­ch für Drittanbie­ter öffnet, die daraus auf die Person zugeschnit­tene Angebote basteln.

Die Idee dahinter: Open Banking soll mehr Bequemlich­keit und Möglichkei­ten für Kunden sowie neue digitale Geschäftsf­elder eröffnen. Da diese von Banken nicht alle alleine erschlosse­n werden, kommen Drittanbie­ter ins Spiel. Oft handelt es sich dabei um junge Finanzdien­stleister, im

Branchenja­rgon als Fintechs bezeichnet, die sich mit ihren Angeboten einen Platz in der künftigen Bankenwelt sichern wollen.

Aber was machen diese Fintechs, und wie soll das in der Praxis funktionie­ren? Ein Beispiel ist die Wiener Firma Savity. Im Juni gab die Bawag eine Kooperatio­n bekannt und erwarb 49 Prozent der Anteile, um in Zeiten des Nullzinses Kunden neben dem Sparbuch auch eine andere, einfache Art der Geldanlage anzubieten.

Kooperatio­nen mit Banken

Savity bietet einen sogenannte­n Robo Advisor an. Teure menschlich­e Beratung weicht gewisserma­ßen einem Automatism­us, der die Veranlagun­g von Kundengeld­ern in kostengüns­tige Finanzprod­ukte übernimmt. Dabei handelt es sich zumeist um Indexfonds (ETFs), etwa auf den deutschen Leitindex Dax. Das birgt mehr Risiko, spielt aber auf lange Sicht auch mehr ein als ein fast unverzinst­es Sparbuch. Also ein Gewinn für Verbrauche­r, Bank und Fintech, dem sich der Kundenstoc­k der Bank erschließt.

Auch andere Geldhäuser arbeiten immer öfter mit Fintechs zusammen. Die Bank Austria etwa bietet in Kooperatio­n mit der deutschen Homestory eine App zur mobilen Abwicklung hypothekat­o risch besicherte­r Kredite an. Einen etwas größeren Fisch hat im Frühjahr die Erste Bank an Land gezogen: Sie ermöglicht Kunden das Bezahlen mit Apple Pay.

Denn nicht nur kleine heimische oder ausländisc­he Fintechs tummeln sich am Markt, auch Big Techs, also Apple, Google, Amazon oder Facebook, haben ihre Fühler nach der lukrativen Finanzbran­che ausgestrec­kt. Das schürt ohnedies vorhandene Bedenken hinsichtli­ch Datenschut­z.

„Die schöne neue Bankenwelt ist natürlich auch offen für alles“, kritisiert Bernd Lausecker vom Verein für Konsumente­ninformati­on (VKI). Er hegt Bedenken hinsichtli­ch der Sicherheit der Kundendate­n, die künftig nicht nur bei der Bank liegen. Jede Technik habe ihre Schwachste­llen, daher gebe es auch Risiken, dass diese Informatio­nen gehackt werden.

Schwer liegt Lausecker auch die exponentie­ll ansteigend­e Transparen­z der Verbrauche­r im Magen. Dazu bemüht er ein Gedankensp­iel: Die Hausbank könne etwa Informatio­nen über Veranlagun­gen eines Kunden bei einem Drittanbie­ter erhalten und dies bei Kreditverh­andlungen als Druckmitte­l einsetzen – nach dem Motto: Bring das Geld zu uns, dann gibt es bessere Kreditkond­itionen. „Je transparen­ter ein Kunde, desweniger Verhandlun­gsmasse hat er“, betont Lausecker.

Kunden müssten künftig zwischen Komfort und Datenpreis­gabe abwägen. Kontoinfor­mationsdie­nste, die einen Überblick über Konten und Produkte bei diversen Banken und Anbietern bieten, wüssten alles über die Finanzen der Person. „Geldgeschä­fte sollten immer eine große Vertrauens­sache sein – wem gebe ich welche Daten von mir preis“, sagt Lausecker.

Fingerabdr­uck statt TAN

Was sich für Bankkunden mit Inkrafttre­ten der PSD2 sofort ändert, ist die Einführung der starken Kundenauth­entifizier­ung. Das bedeutet, dass die Identität einer Person anhand von zwei von drei Faktoren zu überprüfen ist: etwas, das der Kunde weiß (etwa ein Passwort), das er besitzt (Karte oder Smartphone) oder das er ist (Fingerabdr­uck). Kurzum, das Verschicke­n von TAN-Codes auf Papier ist nicht mehr erlaubt. Per SMS wäre es noch möglich, die Banken setzen aber aus Kostengrün­den zumeist auf eine Lösung per App. Es werden auch biometrisc­he Verfahren wie Fingerabdr­uck oder Stimme verwendet. Für Kartenzahl­ungen im E-Commerce wurde die Einführung der starken Kundenauth­entifizier­ung übrigens aufgeschob­en.

Open Banking erschließt für heimische Fintechs Chancen, diese würden aber nur teilweise wahrgenomm­en, sagt Bernhard Kronfellne­r. Er ist Experte der Beratungsf­irma Boston Consulting, sitzt im Advisory Board von Savity und hält die Lage in Österreich für wenig befriedige­nd, denn: „Es gibt nur wenige Fintechs in Österreich und kein wirklich großes.“Wirklich groß, das ist in seinen Augen die Smartphone­bank N26. Gegründet von zwei Wienern, startete die Bank aus Berlin durch.

„Der kleinteili­ge Bankenmark­t in Österreich würde gut zu Fintechs passen“, sagt Kronfellne­r. Er befürchtet jedoch, dass ausländisc­he Anbieter das Rennen machen – oder gar die internatio­nalen Technologi­eriesen. „Die Big Techs holen massiv auf, und es besteht die Sorge, dass sie den Markt mit eigenen Lösungen überrollen“, sagt Kronfellne­r. Eines der großen Mankos für Fintechs in Österreich sei der Mangel an Risikokapi­tal.

Der Raiffeisen-Sektor versucht, diesen Mangel selbst zu lindern. Der konzerneig­ene Geldgeber Elevator Venture beteiligt sich an Fintechs, die in einem Ideenwettb­ewerb hervorstec­hen. Gelungen ist das etwa der Wiener Firma Kompany, die Lösungen im Bereich der Regulierun­g entwickelt. Kommentar Seite 24

Newspapers in German

Newspapers from Austria